Brandenburg

(vom 5. Mai 2009, zuletzt geändert am 29. November 2022)

 

Anwendungsbereich des Gesetzes

Das Gesetz gilt für Personen, die an einer psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung leiden oder gelitten haben oder bei denen Anzeichen einer solchen Erkrankung oder Behinderung vorliegen. Psychisch kranke oder seelisch behinderte Menschen im Sinne des Gesetzes sind insbesondere Personen, die an einer Psychose, einer psychischen Störung, die in ihren Auswirkungen einer Psychose gleichkommt, oder an einer mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehenden Abhängigkeit von Suchtstoffen leiden und bei denen ohne Behandlung keine Aussicht auf Heilung oder Besserung besteht (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Ambulante und aufsuchende Formen der vorsorgenden, begleitenden und nachgehenden Betreuung auch während der stationären Behandlung; die Beratung der hilfebedürftigen Personen und ihrer Angehörigen sowie die Vermittlung von qualifizierten Behandlungs- und Betreuungsangeboten (§ 5).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Die Hilfeempfänger so weit wie möglich bei einem eigenverantwortlichen und selbstständigen Leben und der Teilhabe an der Gemeinschaft zu unterstützen, sie dazu zu befähigen und eine Unterbringung in einem Krankenhaus zu vermeiden (§ 4).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung ist nur zulässig, wenn und solange das krankheitsbedingte Verhalten oder die Auswirkungen der Krankheit das Leben oder die Gesundheit der Person ernsthaft gefährdet oder wenn eine unmittelbare erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, und diese Gefahren nach fachärztlichem Urteil nicht anders abgewendet werden können (§ 8). Zwecke der Unterbringung sind (1) die Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung, (2) die Sicherung der untergebrachten Person vor der Gefahr der Selbstschädigung sowie (3) die Sicherung der Öffentlichkeit vor einer Gefährdung durch die untergebrachte Person (§ 9).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Der sozialpsychiatrische Dienst (§ 11). Im Fall der Aufnahme in ein Krankenhaus stellt der diensthabende Arzt für das Krankenhaus den Antrag an das zuständige Gericht (§ 13).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Psychiatrische Krankenhäuser und psychiatrische Abteilungen an Krankenhäusern. Kinder und Jugendliche sollen in organisatorisch abgegrenzten kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen der Krankenhäuser untergebracht werden (§ 10).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
In der Art, dass sie eine zweckmäßige, notwendige und dem Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechende Behandlung erhalten kann (§ 18). Binnen vier Wochen ist ein individueller Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan zu erstellen (§ 15).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung ist nach Möglichkeit gelockert durchzuführen. Die offene Unterbringung ist anzustreben (§ 16).

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
(Erweiterte) Fixierungen sowie einer Fixierung gleichkommende Ruhigstellungen durch Medikamente, die absehbar länger als eine halbe Stunde dauern werden, sind nur zulässig, soweit und solange die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung in erhöhtem Maß besteht, und die besondere Sicherungsmaßnahme zur Abwehr der Gefahr unerlässlich ist (§ 21).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände (Absonderung), die Aufhebung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel (Fixierung), die Aufhebung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Mittel in Verbindung mit einer Ruhigstellung durch Medikamente (erweiterte Fixierung) sowie die einer mechanischen Fixierung in ihrem Zweck und ihren Auswirkungen gleichkommende Ruhigstellung durch Medikamente (§ 21).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
(Erweiterte) Fixierungen sowie einer Fixierung gleichkommende Ruhigstellungen durch Medikamente, die absehbar länger als eine halbe Stunde dauern werden, bedürfen einer vorherigen richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die ärztliche Leitung diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung des Gerichts ist unverzüglich einzuholen (§ 21).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Während der Sicherungsmaßnahme ist die ständige Anwesenheit von therapeutischem oder pflegerischem Fachpersonal zu gewährleisten. Bei (erweiterten) Fixierungen sowie einer Fixierung gleichkommenden Ruhigstellungen durch Medikamente ist eine Eins-zu-Eins-Betreuung zu gewährleisten (§ 21).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung, Begründung, Verlauf und Aufhebung der besonderen Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren. Über die angeordneten besonderen Sicherungsmaßnahmen ist ein Verzeichnis anzulegen. Die gesetzliche Vertretung der betroffenen Person ist über jede Anordnung oder Aufhebung zu informieren (§ 21).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Der untergebrachten Person ist die Möglichkeit einer Nachbesprechung anzubieten; dies ist zu dokumentieren. Nach Beendigung von (erweiterten) Fixierungen sowie von einer Fixierung gleichkommenden Ruhigstellungen durch Medikamente ist die Person auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen (§ 21).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Der untergebrachten Person dürfen nur Beschränkungen auferlegt werden, die hinsichtlich des Unterbringungszwecks oder der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Krankenhauses unerlässlich sind. Bei der Weigerung, Anweisungen des Personals in dieser Hinsicht Folge zu leisten, darf unmittelbarer Zwang angewandt werden. Maßnahmen unmittelbaren Zwangs unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dürfen die Würde des Untergebrachten nicht verletzen und müssen vorher angedroht und begründet werden außer bei Gefahr in Verzug. Die Maßnahmen sind zu dokumentieren (§ 20).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+) (§ 18a)
  • Einwilligungsunfähigkeit (§§ 18a, 18b)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+) (§ 18a)
  • Ultima ratio (+) (§§ 18a, 18b)
  • Überzeugungsversuche (+) (§ 18a)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+) (§§ 18a, 18b)
  • Richtervorbehalt (+) (§ 18a).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (-)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (-)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (-)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§§ 18a, 18b).

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung darf nicht durchgeführt werden, wenn dem Krankenhaus eine wirksame, diese Behandlung untersagende Patientenverfügung vorliegt (§§ 18a, 18b). Eine Zwangsbehandlung zur Schaffung oder Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmungsfähigkeit darf nur durchgeführt werden, nachdem das Betreuungsgericht sie auf Antrag der ärztlichen Leitung genehmigt hat (§ 18a). Die Zwangsbehandlung ist von dem zuständigen Facharzt schriftlich anzuordnen und zu überwachen (§§ 18a, 18b). Nach Abschluss der Behandlung ist diese mit der untergebrachten Person zu besprechen; diese ist auf Beschwerde- und Rechtschutzmöglichkeiten hinzuweisen. Die Behandlung ist unter Angabe ihres Charakters als Zwangsmaßnahme, ihrer Gründe, der Art und Weise der Aufklärung und der Bemühung um eine Zustimmung, ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen, der Überwachung ihrer Wirkung und des Ergebnisses ihrer Nachbesprechung ausführlich zu dokumentieren (§§ 18a, 18b).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja. Bei Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person ist eine Behandlung auch gegen den natürlichen Willen unter Anwendung unmittelbaren Zwangs zulässig. Eine wirksame Patientenverfügung, die die Behandlung zur Abwehr der Selbstgefährdung untersagt, ist zu beachten (§ 18b).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Ja, im Rahmen der Hausordnung können Besuche empfangen werden. Das Recht auf Besuch darf durch die ärztliche Leitung nur eingeschränkt werden, wenn durch den Besuch eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder für die Sicherheit des Krankenhauses besteht. Besuche können aus therapeutischen Gründen untersagt werden (§ 24).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Sie hat das Recht auf telefonische und elektronische Nachrichtenübermittlung. Diese darf nur eingesehen werden, wenn begründete Bedenken bestehen, dass dabei die Gefahr des Einschmuggelns von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen oder der Verabredung von Straftaten gegen bedeutende Rechtsgüter besteht. Übermittelte Nachrichten dürfen nur angehalten werden, wenn sie für die untergebrachte Person gesundheitliche Nachteile befürchten lassen oder die Sicherheit des Krankenhauses erheblich gefährden könnten (§ 26).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Sie hat grundsätzlich das Recht, Schreiben unbeschränkt und ungeöffnet abzusenden und zu empfangen sowie Telegramme, Päckchen und Pakete abzusenden und zu empfangen. Der Schrift- und Paketwechsel darf nur eingesehen werden, wenn begründete Bedenken bestehen, dass dabei die Gefahr des Einschmuggelns von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen oder der Verabredung von Straftaten gegen bedeutende Rechtsgüter besteht. Sendungen dürfen nur angehalten werden, wenn sie für die untergebrachte Person gesundheitliche Nachteile befürchten lassen oder die Sicherheit des Krankenhauses erheblich gefährden könnten. Nicht eingesehen oder angehalten werden darf Schrift- und Paketverkehr der untergebrachten Person mit ihrem Betreuer, ihren Rechtsanwälten, den Gerichten, dem Landesbeauftragten für Datenschutz, den zuständigen Stellen und Volksvertretungen des Bundes, der Länder oder der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften, mit den die Aufsicht ausübenden Organen, mit dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und mit weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes (§§ 25, 26).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Die untergebrachte Person soll von der ärztlichen Leitung im Einklang mit dem Behandlungsplan beurlaubt werden, wenn ihr Gesundheitszustand und ihre persönlichen Verhältnisse dies rechtfertigen und ein Missbrauch des Urlaubsrechts nicht zu befürchten ist. Der Urlaub kann mit Auflagen und Weisungen verbunden werden (§ 19).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Keine Angaben.

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Ja. In jedem für Unterbringungen zuständigen Krankenhaus soll ein Patientenfürsprecher genannt werden (§ 32).

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Ja. Das für Gesundheit zuständige Ministerium beruft im Benehmen mit dem für Justiz zuständigen Ministerium unabhängige Besuchskommissionen. Diese sollen mindestens einmal jährlich, i.d.R. unangemeldet, die Einrichtungen besuchen. Für Einrichtungen, in denen Minderjährige untergebracht sind, ist eine gesonderte Besuchs­kommission zu bilden. Die untergebrachten Personen können der Besuchskommission Beschwerden vortragen. Zusammensetzung: eine im öffentlichen Dienst mit Medizinalangelegenheiten betraute Person, ein Arzt mit abgeschlossener Weiterbildung oder mindestens fünfjähriger Berufserfahrung im Fachgebiet Psychiatrie bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie, eine Person im öffentlichen Dienst, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst hat, eine in der Betreuung psychisch Kranker erfahrene Person aus einem nichtärztlichen Berufsstand und für kinder- und jugendpsychiatrische Besuchskommissionen zusätzlich ein Vertreter des Jugendamts (§ 2a).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Keine Angaben
  • Auswertung: Keine Angaben
  • Öffentliche Berichterstattung: Keine Angaben

     

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