Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie

Mit dem Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie würdigt die DGPPN herausragende Beiträge, die dazu beitragen, sowohl aktuelle grundlegende Fragen der Psychiatrie und Psychotherapie als auch der Philosophie, insbesondere in den Bereichen Medizinethik, Anthropologie und Wissenschaftstheorie, sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften systematisch zu erörtern.

Die Auszeichnung ist mit insgesamt 6.000 Euro dotiert und wird jährlich auf dem DGPPN Kongress im November in Berlin verliehen.


2023 hat die DGPPN den Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie zu zwei gleichen Teilen an das Team von Dr. Mirjam Faissner und Dr. Esther Braun sowie an das Team von Christin Hempeler, Dr. Esther Braun, Dr. Sarah Potthoff, Dr. Jakov Gather und Dr. Matthé Scholten verliehen.

Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie 2023: Dr. Mirjam Faissner und Dr. Esther Braun © DGPPN | Maria Hauk

Dr. Mirjam Faissner von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Dr. Esther Braun von der Ruhr-Universität Bochum haben in ihrem Artikel „The ethics of coercion in mental healthcare: the role of structural racism“ Kriterien zur ethischen Bewertung von Zwangsmaßnahmen in der psychiatrischen Versorgung untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass die bestehenden Kriterien unzulänglich sind, um Fälle zu bewerten, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen strukturellen Rassismus erfahren. Anhand eines Fallbeispiels zeigen die Wissenschaftlerinnen auf, dass die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Zwangsmaßnahmen durch Vorurteile verzerrt sein kann, beispielsweise weil die von Patientinnen und Patienten ausgehende Gefahr überschätzt wird. Die Forscherinnen argumentieren zudem, dass im Kontext von strukturellem Rassismus Zwangsmaßnahmen selbst dann ethisch problematisch sein können, wenn die etablierten Kriterien erfüllt sind. Ihr Fazit ist, dass eine angemessene ethische Bewertung von Zwang in der psychischen Gesundheitsversorgung auch strukturelle Diskriminierung berücksichtigen muss.

Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie 2023: Christin Hempeler und Dr. Esther Braun © DGPPN | Maria Hauk

Christin Hempeler, Dr. Esther Braun, Dr. Sarah Potthoff, Dr. Jakov Gather und Dr. Matthé Scholten von der Ruhr-Universität Bochum haben in ihrer Arbeit „When treatment pressures become coercive: A context-sensitive model of informal coercion in mental healthcare“ kommunikative Strategien untersucht, die Fachkräfte in der psychosozialen Gesundheitsversorgung nutzen, um Patientinnen und Patienten dazu zu bewegen, Behandlungsempfehlungen zu befolgen. Vom Überreden über Angebote bis hin zu Drohungen: Das Spektrum informellen Zwangs in der psychiatrischen Versorgung ist weitreichend. Die Autorinnen und Autoren zeigen in ihrer philosophischen Analyse, dass eine kommunikative Strategie dann als Zwang betrachtet wird, wenn Patientinnen und Patienten gerechtfertigterweise annehmen, dass sie schlechter gestellt werden, wenn sie einen Behandlungsvorschlag ablehnen. Wie gerechtfertigt diese Annahme ist, hängt unter anderem davon ab, ob eine Abhängigkeit von Fachleuten besteht oder die Anwendung von rechtlich geregeltem Zwang im Raum steht.

Preisträgerinnen und Preisträger

2022


Pablo Hubacher Haerle
Pembroke College, University of Cambridge 
„Is OCD Epistemically Irrational?“ 

Ricarda Münch
Prof. Dr. Dr. Henrik Walter
PD Dr. Sabine Müller
Charité – Universitätsmedizin Berlin 
„Should Behavior Harmful to Others Be a Sufficient Criterion of Mental Disorders? Conceptual Problems of the Diagnoses of Antisocial Personality Disorder and Pedophilic Disorder”


2021


Dr. Sanja Dembić
Human Abilities, Centre for Advanced Studies in the Humanities
„Defining Addictive Disorder – Abilities Reconsidered“


Bis 2020 hat die DGPPN den Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie in Verbindung mit der Stiftung für Seelische Gesundheit verliehen.


2020


Dr. Matthé Scholten
Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum 
„Equality in the informed consent process: Competence to consent, substitute decision-making, and discrimination of persons with mental disorders“ (M. Scholten, J. Gather & J. Vollmann)


2019


Dr. Timo Beeker
Medizinische Hochschule Brandenburg
Dr. Samuel Thoma
Sozialpsychiatrische Informationen
„Die digitale Psychiatrie zwischen User_innen-Empowerment und Psychiatrisierung"

PD Dr. Sabine Müller
Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Moral Enhancement durch Neurochirurgie? Machbarkeit und ethische Vertretbarkeit"


2018


Dr. Samuel Thoma
Immanuel Klinik Rüdersdorf
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs
Universitätsklinikum Heidelberg
„Inhabiting the shared world. Phenomenological considerations on sensus communis, social space and schizophrenia"

Dr. Anke Büter
Leibniz Universität Hannover, Institut für Philosophie
„Epistemic Injustice and Psychiatric Classification"


2017


Prof. Dr. phil. Dietmar Hübner
Dr. phil. Lucie White
Leibniz Universität Hannover – Institut für Philosophie
„Neurosurgery for Psychopaths? An Ethical Analysis“

Dr. med. Markus R. Pawelzik
EOS-Klinik für Psychotherapie Münster
„Gibt es psychische Störungen?“

Isabella Marcinski
Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin
„Phänomenologische Perspektiven in der Philosophie der Psychiatrie: Essstörungen und die Thematisierung von Sozialität“


2016


Dr. phil. Karsten Witt
Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften – Institut für Philosophie
„Identity change and informed consent"

Dr. phil. Markus Rüther
Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM)
„Zwischen ethischer Neutralität und Dehumanisierung - Einige Überlegungen zu den praktischen Konsequenzen der biologischen Psychiatrie"


2015


Der Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie wurde nicht verliehen.


2014


Dr. Patrice Soom
Prof. Dr. Gottfried Vosgerau
Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
„A Functionalist Approach to the Concept of ‘Delusion’“


Bis 2013 wurde der Preis als Förderpreis für Philosophie in der Psychiatrie verliehen.

2013


Dr. med. Swantje Notzon
Münster


2012


Dr. phil. Kerrin Jacobs
Osnabrück


2011


cand. med. Ursula Spitzer
Witten-Herdecke


2010


Dr. med. Martin Voss
Dr. Gottfried Vosgerau
Berlin, Düsseldorf

Dr. Lara Rzesnitzek
Berlin


2009


Der Preis für Philosophie in der Psychiatrie wurde nicht verliehen.


2008


Christian Kupke
Berlin


2007


Prof. em. Dr. Kurt Lüscher
Konstanz

Prof. Dr. Gereon Heuft
Münster


2006


Prof. Dr. Thomas Metzinger
Mainz


2005


Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley
Köln

Prof. Dr. Albert Newen
Tübingen

PD Dr. Jann Schlimme
Hannover