Mit dem Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie würdigt die DGPPN herausragende Beiträge, die dazu beitragen, sowohl aktuelle grundlegende Fragen der Psychiatrie und Psychotherapie als auch der Philosophie, insbesondere in den Bereichen Medizinethik, Anthropologie und Wissenschaftstheorie, sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften systematisch zu erörtern.
Die Auszeichnung ist mit insgesamt 6.000 Euro dotiert und wird jährlich auf dem DGPPN Kongress im November in Berlin verliehen.
Bewerbungsfrist war der 30. Juni 2024.
Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie 2024: Anna Golova und Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz © DGPPN | Claudia Burger
Anna Golova von der Faculty of Philosophy der University of Oxford analysiert in ihrer Dissertation „Is It Just the Depression Talking? – Autonomous and Authentic Desires in Depression“ die Autonomie und Authentizität von Suizidwünschen bei Menschen mit Depression. Sie greift in der Arbeit sowohl traditionelle Ansichten als auch rechtliche und bioethische Debatten auf. Sie kommt zu der Ansicht, dass Personen mit der Diagnose einer Depression einen echten, eigenen Suizidwunsch haben können, der eine selbstbestimmte Entscheidung zur Beendigung des eigenen Lebens begründen kann. Sie entkräftet insbesondere das Gegenargument, dass eine Depression einen Suizidwunsch auf eine Weise verursacht, die dessen Autonomie oder Authentizität untergräbt.
Titel der Arbeit: Is It Just the Depression Talking? – Autonomous and Authentic Desires in Depression
alle Bilder: © DGPPN | Claudia Burger
Anna Golova, Faculty of Philosophy der University of Oxford
Bild 1 von Anna Golova
Bild 2 von Anna Golova
Die Wettbewerbsbeiträge zum Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie sollen zu einem Erkenntnisgewinn für Grundfragen der Psychiatrie und Psychotherapie einerseits und für die Philosophie (Medizinethik, Anthropologie und Wissenschaftstheorie), bzw. für die Geistes- und Sozialwissenschaften andererseits beitragen. Die Arbeiten sollen über systematischen Anspruch und aktuelle Relevanz verfügen. Es wird eine konzeptionelle Verbindung dieser Bereiche erwartet und eine vorrangige Verwendung von geistes- oder sozialwissenschaftlichen Methoden. Der Preis kann geteilt werden.
Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Dr. A. Heinz (Berlin): Prof. i. R. Dr. Dr. D. Birnbacher (Düsseldorf), Dr. I. Eckle (Zürich), Prof. Dr. N. Erny (Darmstadt), Prof. Dr. B. Heinrichs (Bonn), Prof. Dr. M. Heinze (Rüdersdorf), Dr. A. Maatz (Zürich), Prof. Dr. G. Marckmann (München), Prof. Dr. T. Pollmächer (Past President, Ingolstadt), Prof. Dr. A. Stephan (Osnabrück), Prof. Dr. M. Wunsch (Rostock).
Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie 2023: Dr. Mirjam Faissner und Dr. Esther Braun © DGPPN | MH
Dr. Mirjam Faissner von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Dr. Esther Braun von der Ruhr-Universität Bochum haben in ihrem Artikel „The ethics of coercion in mental healthcare: the role of structural racism“ Kriterien zur ethischen Bewertung von Zwangsmaßnahmen in der psychiatrischen Versorgung untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass die bestehenden Kriterien unzulänglich sind, um Fälle zu bewerten, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen strukturellen Rassismus erfahren. Anhand eines Fallbeispiels zeigen die Wissenschaftlerinnen auf, dass die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Zwangsmaßnahmen durch Vorurteile verzerrt sein kann, beispielsweise weil die von Patientinnen und Patienten ausgehende Gefahr überschätzt wird. Die Forscherinnen argumentieren zudem, dass im Kontext von strukturellem Rassismus Zwangsmaßnahmen selbst dann ethisch problematisch sein können, wenn die etablierten Kriterien erfüllt sind. Ihr Fazit ist, dass eine angemessene ethische Bewertung von Zwang in der psychischen Gesundheitsversorgung auch strukturelle Diskriminierung berücksichtigen muss.
Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie 2023: Christin Hempeler und Dr. Esther Braun © DGPPN | MH
Christin Hempeler, Dr. Esther Braun, Dr. Sarah Potthoff, Dr. Jakov Gather und Dr. Matthé Scholten von der Ruhr-Universität Bochum haben in ihrer Arbeit „When treatment pressures become coercive: A context-sensitive model of informal coercion in mental healthcare“ kommunikative Strategien untersucht, die Fachkräfte in der psychosozialen Gesundheitsversorgung nutzen, um Patientinnen und Patienten dazu zu bewegen, Behandlungsempfehlungen zu befolgen. Vom Überreden über Angebote bis hin zu Drohungen: Das Spektrum informellen Zwangs in der psychiatrischen Versorgung ist weitreichend. Die Autorinnen und Autoren zeigen in ihrer philosophischen Analyse, dass eine kommunikative Strategie dann als Zwang betrachtet wird, wenn Patientinnen und Patienten gerechtfertigterweise annehmen, dass sie schlechter gestellt werden, wenn sie einen Behandlungsvorschlag ablehnen. Wie gerechtfertigt diese Annahme ist, hängt unter anderem davon ab, ob eine Abhängigkeit von Fachleuten besteht oder die Anwendung von rechtlich geregeltem Zwang im Raum steht.
Pablo Hubacher Haerle
Pembroke College, University of Cambridge
„Is OCD Epistemically Irrational?“
Ricarda Münch
Prof. Dr. Dr. Henrik Walter
PD Dr. Sabine Müller
Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Should Behavior Harmful to Others Be a Sufficient Criterion of Mental Disorders? Conceptual Problems of the Diagnoses of Antisocial Personality Disorder and Pedophilic Disorder”
Dr. Sanja Dembić
Human Abilities, Centre for Advanced Studies in the Humanities
„Defining Addictive Disorder – Abilities Reconsidered“
Bis 2020 hat die DGPPN den Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie in Verbindung mit der Stiftung für Seelische Gesundheit verliehen.
Dr. Matthé Scholten
Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum
„Equality in the informed consent process: Competence to consent, substitute decision-making, and discrimination of persons with mental disorders“ (M. Scholten, J. Gather & J. Vollmann)
Dr. Timo Beeker
Medizinische Hochschule Brandenburg
Dr. Samuel Thoma
Sozialpsychiatrische Informationen
„Die digitale Psychiatrie zwischen User_innen-Empowerment und Psychiatrisierung"
PD Dr. Sabine Müller
Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Moral Enhancement durch Neurochirurgie? Machbarkeit und ethische Vertretbarkeit"
Dr. Samuel Thoma
Immanuel Klinik Rüdersdorf
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs
Universitätsklinikum Heidelberg
„Inhabiting the shared world. Phenomenological considerations on sensus communis, social space and schizophrenia"
Dr. Anke Büter
Leibniz Universität Hannover, Institut für Philosophie
„Epistemic Injustice and Psychiatric Classification"
Prof. Dr. phil. Dietmar Hübner
Dr. phil. Lucie White
Leibniz Universität Hannover – Institut für Philosophie
„Neurosurgery for Psychopaths? An Ethical Analysis“
Dr. med. Markus R. Pawelzik
EOS-Klinik für Psychotherapie Münster
„Gibt es psychische Störungen?“
Isabella Marcinski
Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin
„Phänomenologische Perspektiven in der Philosophie der Psychiatrie: Essstörungen und die Thematisierung von Sozialität“
Dr. phil. Karsten Witt
Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften – Institut für Philosophie
„Identity change and informed consent"
Dr. phil. Markus Rüther
Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM)
„Zwischen ethischer Neutralität und Dehumanisierung - Einige Überlegungen zu den praktischen Konsequenzen der biologischen Psychiatrie"
Der Preis für Philosophie und Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie wurde nicht verliehen.
Dr. Patrice Soom
Prof. Dr. Gottfried Vosgerau
Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
„A Functionalist Approach to the Concept of ‘Delusion’“
Bis 2013 wurde der Preis als Förderpreis für Philosophie in der Psychiatrie verliehen.
Dr. med. Swantje Notzon
Münster
Dr. phil. Kerrin Jacobs
Osnabrück
cand. med. Ursula Spitzer
Witten-Herdecke
Dr. med. Martin Voss
Dr. Gottfried Vosgerau
Berlin, Düsseldorf
Dr. Lara Rzesnitzek
Berlin
Der Preis für Philosophie in der Psychiatrie wurde nicht verliehen.
Christian Kupke
Berlin
Prof. em. Dr. Kurt Lüscher
Konstanz
Prof. Dr. Gereon Heuft
Münster
Prof. Dr. Thomas Metzinger
Mainz
Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley
Köln
Prof. Dr. Albert Newen
Tübingen
PD Dr. Jann Schlimme
Hannover