Sachsen

(SächsPsychKHG vom 22. Juli 2024)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen und von psychischer Krankheit bedrohte Menschen (§ 1). Menschen mit psychischen Erkrankungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die infolge einer psychischen Störung funktionseingeschränkt, krank oder behindert sind, einschließlich Menschen mit Abhängigkeitserkrankung, gerontopsychiatrischer Erkrankung oder seelischer Behinderung (§ 3).

Hilfen für Patientinnen und Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Es werden vorsorgende, begleitende und nachsorgende Hilfen angeboten. Bei allen Hilfen und Schutzmaßnahmen ist auf die individuelle Situation der Menschen mit psychischen Erkrankungen besondere Rücksicht zu nehmen. Die Vielfalt der Lebensumstände, insbesondere die kulturelle und soziale Lebenssituation, sind angemessen zu berücksichtigen (§ 2). Die Hilfen sind nach dem individuellen Hilfebedarf des Menschen mit psychischer Erkrankung mit ihm zu vereinbaren und aufeinander abgestimmt zu erbringen. Dabei sind seine Wünsche zu berücksichtigen (§ 8). Die Hilfe soll möglichst ohne stationäre Behandlung, vor allem ohne Unterbringung erbracht werden. Hilfe soll vorrangig in ambulanter Form erfolgen, insbesondere durch ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und psychosoziale Beratung sowie Assistenz des Menschen mit psychischer Erkrankung. Digitale Kommunikationsmittel und Online-Angebote können ggf. genutzt werden. Hilfen sollen nur dann in Krankenhäusern und anderen stationären Einrichtungen geleistet werden, wenn das Ziel der Hilfen auf anderem Wege nicht erreicht werden kann. Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen in einer akuten psychischen Krise sollen auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten durch einen Krisendienst gewährleistet werden (§ 8).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Vorsorgende Hilfen sollen durch rechtzeitige und umfassende Beratung, Betreuung, Assistenz und Vermittlung oder Durchführung geeigneter Maßnahmen psychische Erkrankungen rechtzeitig erkennen, um rasch Behandlungsmaßnahmen einzuleiten. Ziel der begleitenden Hilfen ist es, Menschen mit psychischer Erkrankung darin zu unterstützen, mit ihrer Erkrankung zu leben, eine Verschlechterung zu vermeiden, eine Besserung zu erreichen und ggf. notwendige Schutzmaßnahmen gegen deren Willen zu verkürzen. Die nachsorgenden Hilfen sollen nach einer psychiatrischen oder psychosomatischen Behandlung oder Unterbringung die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft fördern sowie Rückfälle vermeiden (§ 8).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung ist nur zulässig, wenn und solange ein psychisch kranker Mensch infolge seiner psychischen Erkrankung sein Leben oder seine Gesundheit erheblich und gegenwärtig gefährdet (Selbstgefährdung) oder eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für bedeutende Rechtsgüter anderer darstellt (Fremdgefährdung) und die Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar ist (§ 18). Zweck der Unterbringung ist es, den krankheitsbedingten Zustand der Selbst- oder Fremdgefährdung zu beenden (§ 27).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Die Verwaltungsbehörde ermittelt von Amts wegen, wenn sich gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung ergeben (§ 21).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Die Unterbringung erfolgt grundsätzlich in dem Krankenhaus, das für die Pflichtversorgung des Ortes zuständig ist, in dem der Patient oder die Patientin seinen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Ist dieser nicht feststellbar, richtet sich die Unterbringung nach dem Ort, in dem die Unterbringungsbedürftigkeit aufgetreten ist. Eine Unterbringung Erwachsener ist auch in einer anerkannten Einrichtung möglich, wenn sie von der Aufsichtsbehörde zugelassen ist (§ 26). Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Erkrankung sowie nach ihrem Entwicklungsstand gesondert untergebracht werden (§ 27).

In welcher Form ist der Patient oder die Patientin unterzubringen?
Die untergebrachten Personen unterliegen nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer grundrechtlich garantierten Freiheiten. Diese Beschränkungen müssen hinsichtlich des Unterbringungszwecks oder zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses bzw. der Einrichtung verhältnismäßig sein (§ 27).

Die Patienten haben Anspruch auf die notwendige medizinische Behandlung, insbesondere der Anlasserkrankung. Dies beinhaltet die erforderlichen Untersuchungen sowie psychotherapeutische, pflegerische, sozialtherapeutische, heilpädagogische und beschäftigungs- sowie arbeitstherapeutische Maßnahmen. Dazu gehören auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Patienten nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Behandlung und Therapie erfolgt nach einem Behandlungsplan, der mit den Patienten zu erörtern ist (§ 28).

Die untergebrachten Personen sollen unter Beachtung medizinischer, sozialtherapeutischer und sicherheitstechnischer Erkenntnisse und Möglichkeiten Gelegenheit zu sinnvoller Beschäftigung und Arbeit haben. Für geleistete Arbeit ist ein angemessenes Arbeitsentgelt zu gewähren (§ 27). Den untergebrachten Personen ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen (§ 27).

Die Patienten sind vor der Entlassung in verständlicher Weise auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Behandlungsvereinbarung mit dem Krankenhaus hinzuweisen. Diese muss auch die Wünsche der Patienten für den Fall von Behandlungen gegen den natürlichen Willen und von Sicherungsmaßnahmen enthalten (§ 28).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Ja, die Unterbringung soll nach Möglichkeit gelockert und weitestgehend in freien Formen durchgeführt werden, sobald der Gesundheitszustand der untergebrachten Person und das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit dies zulassen (§ 40).

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Zulässig sind nur Sicherungsmaßnahmen, die für den Zweck der Unterbringung und zur Vermeidung oder Beseitigung einer erheblichen Störung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses bzw. der anerkannten Einrichtung unerlässlich sind. Außerdem sind Sicherungsmaßnahmen zulässig, wenn die gegenwärtige Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person sich selbst tötet, ihre eigene Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich schädigt oder sich der Unterbringung ohne Erlaubnis entziehen will, sofern dieser Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen begegnet werden kann (§ 34).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Als Sicherungsmaßnahmen sind zulässig: der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen, die Überwachung, auch durch technische Hilfsmittel, die nächtliche Nachschau, die Absonderung von anderen untergebrachten Personen, die Beschränkung oder der Entzug des Rechts auf Aufenthalt im Freien, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Unterbringungsraum ohne gefährdende Gegenstände (Kriseninterventionsraum), das Festhalten, sonstige Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen, beispielsweise Fesselung, Bettgitter oder Vorsatztisch, die weitgehende oder vollständige kurzfristige Fixierung. Fixierungen sind nur in Krankenhäusern zulässig (§ 34).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Eine vorherige richterliche Genehmigung ist erforderlich für Unterbringungen in einem Kriseninterventionsraum und für Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen, sofern diese Maßnahmen voraussichtlich länger als 24 h dauern werden oder stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass erfolgen. Außerdem muss eine vorherige richterliche Genehmigung für Fixierungen beantragt werden, die voraussichtlich länger als 30 Minuten dauern werden. Ohne vorherige richterliche Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub eine gegenwärtige erhebliche Gefahr verbunden ist. Dann ist die richterliche Genehmigung unverzüglich nachzuholen (§ 35).

Wie ist der Patient oder die Patientin bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Eine angemessene und regelmäßige Überwachung durch pflegerisches, therapeutisches oder ärztliches Personal ist während der folgenden Sicherungsmaßnahmen zu gewährleisten: Absonderung, Unterbringung in einem Kriseninterventionsraum, Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen sowie Fixierung (§ 34). Bei der Unterbringung in einem Kriseninterventionsraum, beim Festhalten sowie bei Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen muss die angemessene Überwachung und Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal erfolgen und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle gewährleistet sein. Bei Fixierungen ist grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sicherzustellen. Davon kann im Einzelfall vorübergehend abgesehen werden, wenn ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt zur fixierten Person besteht und diese dies ausdrücklich wünscht und dieser Wunsch medizinisch vertretbar ist oder eine ärztliche, therapeutische oder pflegerische Einschätzung vorliegt, dass hierdurch die Fixierung schneller beendet werden kann (§ 35).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung, Begründung, Verlauf, Art der Überwachung und Dauer der Sicherungsmaßnahme sowie die Nachbesprechung sind zu dokumentieren (§ 34). Bei Fixierungen ist auch der Hinweis auf die Möglichkeit, deren Zulässigkeit rechtlich überprüfen zu lassen, zu dokumentieren (§ 35).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Ja, nach Beendigung der Sicherungsmaßnahme muss der untergebrachten Person, sobald ihr Gesundheitszustand es zulässt, eine Nachbesprechung angeboten und mit ihrer Zustimmung durchgeführt werden. In der Nachbesprechung sind ihr insbesondere die Gründe für die Anordnung in verständlicher Weise zu erläutern (§ 34). Nach einer Fixierung ist die untergebrachte Person außerdem in einer für sie verständlichen Weise auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen (§ 35).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Beschäftigte des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn der damit verfolgte Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann. ​Unmittelbarer Zwang ist vorher anzukündigen, außer wenn die Umstände dies nicht zulassen, insbesondere wenn unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine Straftat zu verhindern oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden. ​Eine Nachbesprechung mit der untergebrachten Person soll erfolgen, sobald es ihr Gesundheitszustand zulässt (§ 38). ​

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 29)

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (+)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (+)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (+)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 29)

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung setzt voraus, dass die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder deren Vertretung die Entscheidung über die Behandlung trifft und die Genehmigung beim zuständigen Gericht beantragt. Ein Facharzt/eine Fachärztin muss den Patienten oder die Patientin über die Behandlung und deren beabsichtigte Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer verständlichen Weise möglichst umfassend aufklären. Bei Minderjährigen muss die ärztliche Leitung oder deren Vertretung die Sorgeberechtigten vor der Antragstellung anhören. Ein Facharzt oder eine Fachärztin muss dem Patienten und der berechtigten Person die Behandlung ankündigen sowie eine Kopie des Antrages an das Gericht aushändigen (§ 29).

Eine zwangsweise medikamentöse Beruhigung, die aus therapeutischen Gründen erforderlich ist, ist ggf. zulässig. Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für das Leben oder die Gesundheit des Patienten ist eine Notfallmedikation ggf. zulässig. Eine Ernährung gegen den Willen des Patienten ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden (§ 29).

Zwangsbehandlungen sind zu dokumentieren einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung. Der behandelnde Arzt hat eine Nachbesprechung abzuhalten und zu dokumentieren, sobald es der Gesundheitszustand zulässt (§ 29).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für das Leben oder die Gesundheit des Patienten kann die Behandlung ohne richterliche Genehmigung, vorherige Patientenaufklärung bzw. Anhörung der Sorgeberechtigten sowie Ankündigung der Behandlung begonnen werden. Die Anordnung kann dann vom diensthabenden Arzt getroffen werden, wenn die ärztliche Leitung oder deren Vertretung nicht unmittelbar erreichbar ist. Die Patientenaufklärung bzw. die Anhörung der Sorgeberechtigten und die gerichtliche Genehmigung sind unverzüglich nachzuholen (§ 29).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Sie hat das Recht, im Rahmen einer allgemeinen Besuchsregelung Besuche zu empfangen, ggf. auch als Videobesuch. Besuche können untersagt oder beschränkt werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses bzw. der anerkannten Einrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden oder wenn dadurch gesundheitliche Nachteile für den Patienten oder die Patientin inklusive der Gefährdung des Therapieziels zu befürchten sind (§ 32).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Sie darf unbeschränkt Telefongespräche und Gespräche mittels elektronischer Kommunikationsmittel frei führen. Die Gespräche können überwacht und ggf. unterbrochen werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses bzw. der anerkannten Einrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden oder ein gesundheitlicher Nachteil für die untergebrachte Person zu befürchten ist. Nicht beschränkt oder überwacht werden ihre Gespräche mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten, Verteidigern, Verfahrenspflegern, Notaren, Aufsichtsbehörden, Besuchskommissionen, Patientenfürsprechern, Bundes- bzw. Landes-Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Mitgliedern von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Dies gilt auch für den Fernmeldeverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 GG und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen. Bei ausländischen Staatsangehörigen gilt dies auch für den Fernmeldeverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes (§ 33).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Ja, sie darf unbeschränkt Briefe und Pakete absenden und empfangen. Eingehende Postsendungen können von Beschäftigten des Krankenhauses bzw. der anerkannten Einrichtung in Anwesenheit der untergebrachten Person auf deren materiellen Inhalt kontrolliert werden. Liegen Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses bzw. der anerkannten Einrichtung oder der Sicherheit der Allgemeinheit vor, so darf der Schriftwechsel eingesehen und angehalten werden. Nicht beschränkt oder überwacht werden darf der Schriftwechsel mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten, Verteidigern, Verfahrenspflegern, Notaren, Aufsichtsbehörden, Besuchskommissionen, Patientenfürsprechern, den Bundes- bzw. Landes-Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Mitgliedern von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Dasselbe gilt für den Postverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 GG und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen. Bei ausländischen Staatsangehörigen gilt dies auch für den Postverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes (§ 33).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Ja, bis zu zwei Wochen dauernder Urlaub kann zur Belastungserprobung gewährt werden. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden, insbesondere mit der Auflage, ärztliche Anweisungen zu befolgen. Der Urlaub kann widerrufen, eingeschränkt, nur unter Aufsicht gewährt oder mit Absprachen verbunden werden, insbesondere wenn sich der gesundheitliche Zustand der untergebrachten Person verschlechtert, Auflagen nicht befolgt werden oder dies im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit erforderlich ist (§ 40).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Ja, zur Belastungserprobung kann stundenweiser Ausgang gewährt werden. Der Ausgang kann widerrufen, eingeschränkt, nur unter Aufsicht gewährt oder mit Absprachen verbunden werden, insbesondere wenn sich der gesundheitliche Zustand der untergebrachten Person verschlechtert, Auflagen nicht befolgt werden oder dies im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit erforderlich ist (§ 40).

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Patientinnen und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Ja. Für Krankenhäuser, anerkannte Einrichtungen und Maßregelvollzugseinrichtungen bestellen die Kreisfreie Stadt oder der Landkreis, in deren Gebiet die Einrichtung liegt, im Benehmen mit den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften ehrenamtliche Patientenfürsprecher, die nicht in derselben Einrichtung tätig sind. Auch für andere stationäre Einrichtungen können Patientenfürsprecher bestellt werden, die nicht in derselben Einrichtung tätig sind. Die Patientenfürsprecher arbeiten unabhängig und weisungsfrei. Sie prüfen Wünsche und Beschwerden der Patienten und Patientinnen sowie ihrer Angehörigen in den Krankenhäusern und Einrichtungen und beraten sie. Bei Bedarf vermitteln sie zwischen ihnen und den Beschäftigten. Sie bemühen sich um eine individuelle zeitnahe Lösung. Stellen die Patientenfürsprecher erhebliche Mängel fest, deren Beseitigung keinen Aufschub zulässt, informieren sie die Leitung des Krankenhauses oder der Einrichtung, den Träger und den Psychiatriekoordinator des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt (§ 5).

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Ja. Die Besuchskommissionen besuchen Krankenhäuser, andere stationäre Einrichtungen, anerkannte Einrichtungen, Maßregelvollzugseinrichtungen sowie psychosoziale Dienste und Angebote, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen wohnen, untergebracht sind, betreut werden oder Assistenzleistungen erhalten. Die Besuchskommissionen sind unabhängig und besuchen die Orte in der Regel unangemeldet. Zusammensetzung: Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie deren Angehörige, Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin bzw. für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie andere Ärzte mit Berufserfahrung in der Psychiatrie, Fachkräfte aus dem Bereich der Suchthilfe, Mitglieder des Landesbeirats für Inklusion der Menschen mit Behinderungen, Patientenfürsprecher, Personen mit der Befähigung zum Richteramt, Genesungsbegleiter,  Personen mit einer Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen auf dem Gebiet der (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie, mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in der Krankenpflege und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie oder mit einer abgeschlossenen sozialpädagogischen, heilpädagogischen oder heilerziehungspflegerischen Ausbildung und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, Psychologische Psychotherapeuten, (Kinder- und Jugendlichen-)Psychotherapeuten, oder Psychologen mit Erfahrung im Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen, rechtliche Betreuer, Vormunde und Vertreter der öffentlichen Jugendhilfe sowie ggf. Bürger, die sich in besonderem Maße für die Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen eingesetzt haben (§ 4).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

Ja, zur Verbesserung der bedarfsgerechten psychiatrischen und psychosozialen Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen erfolgt eine Psychiatrieberichterstattung (§ 6). Die Krankenhäuser und die anerkannten Einrichtungen müssen der obersten Aufsichtsbehörde jährlich folgende Daten melden: Unterbringungen nach den §§ 18 und 21, sofortige vorläufige Unterbringungen nach § 23, fürsorgliche Aufnahmen und Zurückhaltungen nach § 25, ärztliche Zwangsmaßnahmen nach § 29 sowie freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 34 und 35 (§ 45). Darüber hinaus müssen Krankenhäuser auch die entsprechenden Daten für Maßnahmen nach Bürgerlichem Gesetzbuch melden (§ 16). Näheres über das Verfahren der Datenübermittlung und -auswertung sowie über die Festlegung der für die Psychiatrieberichterstattung zuständigen Stelle regelt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Rechtsverordnung (§ 16).

     

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