Rheinland-Pfalz 

(vom 15. Oktober 2020)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für psychisch erkrankte Personen, das sind im Sinne dieses Gesetzes Personen, bei denen eine psychische Krankheit, Störung oder Behinderung vorliegt. Hierzu zählt auch eine mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehende Abhängigkeit von Suchtstoffen (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Die Ausgestaltung der Hilfen soll sich an den Wünschen und an der individuellen Lebenssituation der psychisch kranken Person ausrichten (§ 2). Für eine bedarfsgerechte Versorgung und Unterstützung der psychisch erkrankten Personen sollen Unterstützungs- und Hilfsangebote in den Bereichen Prävention, Behandlung, Wohnen, Teilhabeförderung und Pflege gemeinde- und wohnortnah vorgehalten werden. Erforderliche Hilfen sollen entsprechend dem individuellen Behandlungs-, Teilhabe-, und Pflegebedarf mit der psychisch erkrankten Person und ihrer gesetzlichen Vertretung abgestimmt und vereinbart werden. Sie sollen koordiniert und nach Möglichkeit im unmittelbaren Lebensumfeld der psychisch erkrankten Person erbracht werden (§ 3).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Die Hilfen haben das Ziel, die Erkrankung zu heilen, deren Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern sowie der gesellschaftlichen Ausgrenzung der psychisch erkrankten Person entgegenzuwirken und ihre selbstständige Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ziel der Hilfen ist es außerdem, die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahmen durch vorsorgende und begleitende Maßnahmen zu vermeiden und zu verkürzen (§ 3).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine psychisch erkrankte Person darf nur untergebracht werden, wenn und solange sie durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt ist und gegenwärtig ihre Gesundheit, ihr Leben oder andere eigene bedeutende Rechtsgüter oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich gefährdet und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann (§ 11). Der Zweck der Unterbringung ist die Abwehr der genannten Gefahren. Zugleich besteht ein Anspruch auf Behandlung, die der Wiederherstellung der Selbstbestimmung, der Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Vorbereitung einer ambulanten Weiterbehandlung dient (§ 12).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Die Kreisverwaltung, in kreisfreien Städten die Stadtverwaltung (§ 16).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Krankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, entsprechende Fachabteilungen sonstiger Krankenhäuser und Hochschulkliniken (§ 14).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Hierzu gehören auch Anregungen und Angebote zur Beschäftigung und Freizeitgestaltung sowie das Recht auf den täglichen, mindestens einstündigen Aufenthalt im Freien. Das Maß der Freiheitsbeschränkungen der untergebrachten Person ist an ihrem Gesundheitszustand und der davon ausgehenden Gefährdung erheblicher eigener Rechtsgüter wie der von dritten Personen auszurichten. Die Einrichtungsleitung hat der Vermeidung von Zwangsmaßnahmen einen besonders hohen Stellenwert einzuräumen (§ 19). Der untergebrachten Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung unerlässlich sind (§ 13). Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die erforderliche Behandlung ihrer psychischen Erkrankung (§ 21).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Einrichtungen sollen grundsätzlich offen und genesungsfördernd ausgestaltet sein. Gleichzeitig müssen sie über die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen verfügen, um zu verhindern, dass untergebrachte Personen sich unerlaubt aus der Einrichtung entfernen (§ 14). Die Unterbringung soll weitestgehend offen und in freien Formen durchgeführt werden (§ 19).

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn die gegenwärtige Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person sich selbst tötet, ihre eigene Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich schädigt oder sich der Unterbringung ohne Erlaubnis entziehen will. Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen angeordnet werden, wenn und solange dieser Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen begegnet werden kann (§ 27).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Die Wegnahme oder das Vorenthalten von Gegenständen, die vorübergehende Beschränkung des Aufenthalts im Freien, die Überwachung (auch durch technische Hilfsmittel), die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit und die Fixierung (§ 27).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit für die Dauer von mindestens 24 Stunden oder regelmäßig bedürfen der vorherigen richterlichen Genehmigung. Ohne vorherige richterliche Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub eine gegenwärtige erhebliche Gefahr verbunden ist. Die richterliche Genehmigung ist dann unverzüglich nachzuholen. Fixierungen, die voraussichtlich länger als 30 Minuten dauern werden, bedürfen der vorherigen richterlichen Genehmigung. Kann eine vorherige richterliche Genehmigung nicht eingeholt werden, ohne den Zweck der Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr zu gefährden, ist die Genehmigung unverzüglich nachzuholen (§ 27).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Bei der Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum sowie bei Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist eine angemessene Überwachung und Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. Bei einer Fixierung ist grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten; die fixierte Person ist ärztlich in dem erforderlichen Maß zu überwachen. Wenn begründete Aussicht besteht, auf diese Weise eine schnellere Beendigung der Fixierung zu erreichen, kann im Einzelfall von einer unmittelbaren Anwesenheit der Betreuungsperson vorübergehend abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraums zur fixierten Person besteht (§ 27).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung und Dauer einer besonderen Sicherungsmaßnahme, die maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, ihre Fortdauer, ihre Durchsetzung sowie die Art ihrer Überwachung sind zu dokumentieren (§ 27).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt, soll nach Beendigung einer Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, einer Maßnahme zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit und einer Fixierung eine Nachbesprechung durch maßgeblich beteiligte Mitarbeiter erfolgen. Nach Beendigung einer Fixierung ist die Person in einer für sie verständlichen Form und Sprache auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Abschluss von Behandlungsvereinbarungen ist anzubieten und zu fördern (§ 27).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn und solange dies erforderlich ist, um die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung bei einer erheblichen Gefährdung aufrechtzuerhalten oder um die untergebrachte Person, die sich selbst zu schädigen droht, zu schützen (§ 29).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 21).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (+)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (-)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (+)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 21).

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Die Anordnung hat durch einen Arzt zu erfolgen, der auch die Art und die Intensität der ärztlichen und pflegerischen Überwachung festlegt und die Durchführung der angeordneten Behandlung kontrolliert. Die Behandlung ist unter Angabe ihrer maßgeblichen Gründe, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung ihrer Wirkung ausführlich zu dokumentieren. Die beabsichtigte Vornahme der Behandlung ist der untergebrachten Person so rechtzeitig schriftlich anzukündigen, dass ihr die Möglichkeit bleibt, dagegen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Sie ist über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in einer für sie verständlichen Form und Sprache zu informieren. Vor der Durchführung der Behandlung hat die Einrichtung bei einer volljährigen untergebrachten Person die Genehmigung des Betreuungsgerichts, bei einer minderjährigen untergebrachten Person die Genehmigung des Familiengerichts einzuholen. Die Behandlung ist unter Angabe ihrer maßgeblichen Gründe, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung ihrer Wirkung ausführlich zu dokumentieren. Sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt, soll nach Beendigung einer Zwangsbehandlung eine Nachbesprechung durch maßgeblich beteiligte Mitarbeiter mit der untergebrachten Person erfolgen. Der Abschluss von Behandlungsvereinbarungen ist anzubieten und zu fördern (§ 21).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja. In Notfällen ist keine gerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn die Zwangsbehandlung dazu dient, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder einer anderen Person abzuwenden. Falls ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar ist, so ist die Leistung Erster Hilfe durch andere Personen auch ohne ärztliche Anordnung zulässig, wenn mit einem Aufschub eine Lebensgefahr für die untergebrachte Person verbunden ist (§ 21).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Im Rahmen der allgemeinen Besuchszeiten dürfen Besuche empfangen werden; dieses Recht darf nur aus erheblichen Gründen der Gefährdung der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung eingeschränkt werden. Besuche der rechtlichen, anwaltlichen oder notariellen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht beschränkt werden (§ 23).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Die untergebrachte Person hat das Recht, auf ihre Kosten ungestört Telefongespräche zu führen. Dieses Recht darf nur aus erheblichen Gründen der Gefährdung der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung eingeschränkt werden. Telefongespräche mit der rechtlichen, anwaltlichen oder notariellen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht beschränkt werden (§ 23).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Schreiben dürfen unbeschränkt und ungeöffnet abgesendet und empfangen werden. Das Recht auf Schriftverkehr kann eingeschränkt werden, wenn und solange Anzeichen dafür vorliegen, dass der Schriftverkehr die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährden können. Von Eingriffen ausgenommen ist die Kommunikation der untergebrachten Person mit ihrer rechtlichen Vertretung, ihrer anwaltlichen Vertretung, Notaren, Seelsorgern, den Gerichten, Behörden und Staatsanwaltschaften, den Aufsichtsbehörden, den Besuchskommissionen, den Patientenfürsprechern, den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und Strafe und weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes und der Härtefallkommission. Dasselbe gilt für Paketverkehr, Nachrichten auf Bild- und Tonträgern sowie elektronischen Schriftverkehr (§ 24).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Der untergebrachten Person kann bis zu zwei Wochen Urlaub zur Belastungserprobung gewährt werden, sofern der Gesundheitszustand und ihre persönlichen Verhältnisse dies zulassen und ein Missbrauch nicht zu befürchten ist (§ 22).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Eine stundenweise Belastungserprobung (Ausgang) kann begleitet oder unbegleitet erfolgen (§ 22).

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Nein.

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Der Stadtrat der kreisfreien Stadt oder der Kreistag des Landkreises soll für jeweils fünf Jahre eine Besuchskommission berufen. Deren Aufgabe ist es, die Einrichtungen in Abständen von längstens einem Jahr zu besichtigen, um zu prüfen, ob die Rechte der untergebrachten Personen nach diesem Gesetz gewahrt werden. Die Besuche können unangemeldet oder angemeldet erfolgen. Bei den Besichtigungen ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Zusammensetzung: mindestens ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, ein Betreuungsrichter bzw. ein Familienrichter, eine psychiatrieerfahrene Person, ein Angehörigenvertreter, eine Pflegefachkraft mit Berufserfahrung im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, ein Psychotherapeut bzw. ein Psychotherapeut mit Erfahrung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und ein Vertreter, der keiner der genannten Gruppierungen angehört (§ 15).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Keine Angaben
  • Auswertung: Keine Angaben
  • Öffentliche Berichterstattung: Keine Angaben
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