(vom 1. Januar 2023)
Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Erkrankung bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Erkrankung fortbestehen (§ 1).
In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Zu den Hilfen gehören insbesondere die Beratung, Betreuung, Hinführung zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, die Vermittlung von Hilfen zur Selbsthilfe und von Angeboten der psychosozialen Unterstützung sowie von ehrenamtlichen Hilfen. Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich nach dem individuellen Hilfebedarf, der partizipativ mit den Betroffenen festgelegt wird und an dessen Wünschen ausgerichtet ist. Die Hilfen werden nach Möglichkeit so erbracht, dass die psychisch erkrankte Person ihren gewohnten Lebensbereich nicht aufgeben muss (§ 3).
Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern und zu fördern, die selbständige Lebensführung und die persönliche Freiheit beeinträchtigende Maßnahmen entbehrlich zu machen oder zu verkürzen und das Recht des Einzelnen auf psychische und seelische Gesundheit zu fördern (§ 3).
Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine psychisch erkrankte Person darf nur untergebracht werden, wenn und solange aufgrund ihres krankheitsbedingten Verhaltens eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das eigene Leben oder die eigene Gesundheit oder das Leben, die Gesundheit oder sonstige bedeutende Rechtsgüter anderer Personen besteht und diese Gefahr nur durch eine Unterbringung abgewendet werden kann (§ 12).
Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Die Ortspolizeibehörde. (§ 17)
Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Als Einrichtungen können psychiatrische Krankenhäuser, psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und psychiatrische Behandlungszentren, die stationäre psychiatrische Behandlungsformen vorhalten, bestimmt werden (§ 13).
In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die Unterbringung soll wohnortnah erfolgen (§ 18). Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Ein täglicher Aufenthalt von mindestens einer Stunde im Freien soll ermöglicht werden. Der Schutz der Privatsphäre muss gewährleistet sein. Die Bereitschaft der untergebrachten Person, an der Erreichung des Zwecks ihrer Unterbringung mitzuwirken, soll geweckt, ihr Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung soll gefördert werden (§ 30).
Ein Behandlungsplan ist bei der Unterbringung unverzüglich zu erstellen (§ 25).
Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung soll, sobald ihr Zweck es zulässt, aufgelockert und in weitgehend freien Formen durchgeführt werden. (§ 29)
Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Besondere Sicherheitsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn und solange von der untergebrachten Person eine gegenwärtige Gefahr für gewalttätige Handlungen gegen Personen oder Sachen, der Selbstverletzung oder der Selbsttötung ausgeht und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. (§ 39). Eine Fixierung ist nur zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person oder anderer Personen zulässig, wenn eine mildere Maßnahme nicht in Betracht kommt oder aussichtslos ist und diese Gefahr anders nicht abgewendet werden kann. (§ 40)
Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Beschränkung des Aufenthalts im Freien, Absonderung von anderen untergebrachten Personen und die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum (§ 39) sowie die Fixierung (§ 40).
Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Die Anordnung der Fixierung bedarf der Genehmigung des zuständigen Gerichts, es sei denn, die Fixierung unterschreitet absehbar die Dauer von 30 Minuten (§ 40).
Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Während der Dauer der Fixierung ist eine ständige Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal der Einrichtung sicherzustellen. In kurzfristigen Abständen ist von einem Arzt der Einrichtung zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fixierung weiterhin vorliegen. (§ 40) Bei Isolierungen ist eine ständige Überwachung durch pflegerisches Fachpersonal und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. Eine optisch-elektronische Beobachtung oder die Überwachung durch sonstige technische Mittel ist verboten (§ 39).
Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Art, Beginn und Ende einer besonderen Sicherungsmaßnahme sowie die Gründe für ihre Anordnung sind zu dokumentieren (§ 39). Bei Fixierungen sind die Anordnung und Dauer, die maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, ihre Durchsetzung sowie die Art und Häufigkeit ihrer Überwachung zu dokumentieren. Wird eine nachträgliche richterliche Genehmigung nicht eingeholt, sind die Gründe für die Annahme zu dokumentieren, dass die richterliche Entscheidung erst nach Beendigung der Fixierung ergehen würde und eine erneute Anordnung nicht zu erwarten ist. (§ 40).
Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Nein, aber nach Beendigung der Fixierung ist die Person auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieser Hinweis ist aktenkundig zu machen (§ 40).
Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen. Dies darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände es nicht zulassen und unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat zu verhindern oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr im Sinne abzuwenden. Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt und deren Anwendung mehr Erfolg als Schaden hervorruft. Sie sind nachzubesprechen. Die Anwendung und die Nachbesprechung sind zu dokumentieren.
Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?
Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?
Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung darf nur die ärztliche Leitung der Einrichtung und im Vertretungsfall ihre Stellvertretung anordnen. Die Anordnung muss schriftlich erfolgen und Angaben zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Behandlung und zu den beabsichtigten Behandlungsmaßnahmen enthalten. Die Behandlung bedarf vor ihrer Ausführung der Genehmigung des zuständigen Gerichts. Die Behandlung muss unter ärztlicher Überwachung erfolgen. Eine Nachbesprechung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt muss erfolgen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. Die maßgeblichen Gründe für die Anordnung, Art, Beginn und Ende der Behandlung, deren Überwachung sowie die Nachbesprechung sind zu dokumentieren. Schließt eine wirksame Patientenverfügung eine Zwangsbehandlung aus, geht der in der Patientenverfügung geäußerte Wille vor. (§ 26)
Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja, Zwangsbehandlungen zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit oder für Dritte können von einem Arzt der Einrichtung angeordnet werden, wenn die Person krankheitsbedingt einsichts- oder steuerungsunfähig ist (§ 27).
Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Ja. Im Rahmen einer allgemeinen Besuchsregelung der Einrichtung können Besuche empfangen werden. Besuche dürfen nur untersagt oder beschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Besuch der untergebrachten Person gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte. Die Untersagung bedarf der Anordnung durch einen Arzt oder einen Psychologischen Psychotherapeuten (§ 36).
In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Sie hat das Recht, auf eigene Kosten und mit eigenen Geräten Telefongespräche zu führen sowie an der digitalen Kommunikation und Mediennutzung teilzunehmen. Dieses Recht darf durch Anordnung der ärztlichen Leitung im Einzelfall eingeschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kommunikation der untergebrachten Person erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte. In diesem Falle muss gewährleistet sein, dass die untergebrachte Person über die Telefonanlage der Einrichtung auf ihre Kosten Telefongespräche mit Personen außerhalb der Einrichtung führen kann. (§ 35).
Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Ja. Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben unbeschränkt und ungeöffnet abzusenden und zu empfangen. Sie dürfen im Einzelfall nach Anordnung durch die ärztliche Leitung oder deren Stellvertretung vom behandelnden Arzt oder dem behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten geöffnet, eingesehen und gegebenenfalls zurückgehalten werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung der untergebrachten Person erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte. Ausnahmen (z. B. Anwalt) sind definiert (§ 34).
Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Ja. Der ärztliche Leiter der Einrichtung (kann übertragen auf behandelnden Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten) kann bis zu 14 Tage Urlaub gewähren, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse der untergebrachten Person dies zulassen. Die Beurlaubung kann mit Auflagen und Weisungen verbunden sein (§ 28).
Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Ja, ein stundenweiser Ausgang kann gewährt werden, wenn der Gesundheitszustand der Person dies zulässt. (§ 28)
Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Ja (§ 87).
Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Ja. Die Besuchskommission soll die Einrichtungen mindestens einmal pro Jahr, i.d.R. unangemeldet, besuchen. Zusammensetzung: ein Vertreter der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, ein Facharzt für Psychiatrie, ein Psychotherapeut, Vertreter aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, ein Richter, ein Mitarbeiter des Trägers der Hilfen nach Teil 2 aus Bremen bei Besuchen in der Stadtgemeinde Bremen und ein Mitarbeiter des Trägers der Hilfen nach Teil 2 aus Bremerhaven bei Besuchen in der Stadtgemeinde Bremerhaven, ein Vertreter des Landesverbandes der Psychiatrieerfahrenen, ein Vertreter des Landesverbandes der Angehörigen psychisch kranker Menschen, ein Vertreter des Landesbehindertenbeauftragten der Freien Hansastadt Bremen. (§ 88).
Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?