Im Kontext der psychiatrischen Versorgung einschließlich der forensischen Psychiatrie können Situationen auftreten, in denen die Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen eingeschränkt werden müssen. Beispielsweise kann es notwendig werden, krankheitsbedingte fremd- und selbstgefährdende Handlungen auch gegen den krankhaft veränderten natürlichen Willen der Erkrankten zu verhindern. Denn Menschen mit psychischen Störungen haben ein Recht darauf, dass die Behandlung ihre Gesundheit wiederherstellt und krankheitsbedingte Gefahren von ihnen abwendet. Nicht zuletzt bestehen auch gesellschaftliche Erwartungen darin, dass Gefahren für Dritte wirksam abgewendet werden. In dieser Situation können Psychiater und alle Beteiligten in ein ethisches Dilemma geraten.
Die Selbstbestimmung der Patienten in der psychiatrischen Versorgung soll ernst genommen und gleichzeitig verantwortliches Handeln auf hohem professionellem Niveau mit hoher berufsethischer Kompetenz gewährleistet sein, so dass jederzeit die menschenrechtlichen Standards eingehalten sind. Die dafür zu formulierenden Anforderung und Standards müssen allen in der psychiatrischen Versorgung Tätigen bekannt sein und müssen jederzeit nachvollziehbar eingehalten werden.
Eines der zentralen Ziele innerhalb der psychiatrischen Versorgung ist die Reduktion bzw. Vermeidung von Zwangsmaßnahmen und Zwangsunterbringungen.
Mit dem Update der vorliegenden S2-Leitlinie „Therapeutische Maßnahmen bei aggressivem Verhalten in der Psychiatrie und Psychotherapie“ sollen Empfehlungen zu Diagnose und Therapie von aggressivem Verhalten auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und guter Versorgungspraxis zur Verfügung gegeben werden. Adressaten sind Ärzte im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde; Pflegekräfte, Angehörige und Betroffene.
Die Vermeidung von Zwang setzt eine hohe Strukturqualität voraus. Im Bereich der Psychiatrie bedeutet dies ganz besonders qualifiziertes Personal, das über genügend Zeit verfügt, um sich um die Patienten zu kümmern. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Autonomie von Menschen mit psychischen Erkrankungen unterstützen und deren umfängliche Partizipation an medizinischen Entscheidungen sicherstellen.
Fertigstellung 2018
Wenn Menschen aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Gefahr für sich selbst oder Dritte darstellen, kann eine Unterbringung in der Psychiatrie notwendig werden. Die rechtlichen Grundlagen hierzu finden sich in den jeweiligen Psychisch-Kranken-Gesetzen (PsychKG) der einzelnen Bundesländer, welche sich teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Angestoßen durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Entscheidungen der höchsten Bundesgerichte wurden diese Gesetze in den letzten Jahren überarbeitet.
Das Informationsangebot der DGPPN erlaubt einen direkten Vergleich der jeweiligen Landesgesetze und stellt eine Übersicht zur Verfügung, welche alle relevanten länder- und themenspezifischen Informationen auf einen Blick bietet.
2016–2018, Launch im Januar 2018
Schwere psychische Erkrankungen können betroffene Menschen erheblich in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen. In der medizinischen Versorgung entstehen daraus Spannungsfelder zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen und der Fürsorgepflicht der Gesellschaft. Hier betont die UN-Behindertenrechtskonvention das Prinzip der unterstützten Entscheidungsfindung (supported decision making). Demnach muss gewährleistet sein, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen die notwendige Unterstützung und Hilfe erhalten, um selbst handeln und entscheiden zu können. Die daraus folgenden Konsequenzen für die medizinische Praxis stehen derzeit zur Debatte.
Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters Prof. Dainius Pūras über das Recht aller Menschen auf bestmögliche körperliche und seelische Gesundheit lieferte einen wichtigen Diskussionsbeitrag zum Thema. Seit Jahren beschäftigt sich auch die DGPPN intensiv mit dieser Problematik und hat nun Prof. Pūras eingeladen, seine Perspektive darzulegen. Wie kann eine Strategie für den deutschsprachigen Raum aussehen? Welche Weichenstellungen sind nötig, um das Prinzip der unterstützten Entscheidungsfindung in Forschung und Versorgung konsequent umzusetzen? Dies soll gemeinsam mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft diskutiert werden.
5. Juli 2018
Programm Workshop 2018 [PDF, 30 KB]
Wenn Patienten mit psychischen Erkrankungen in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, kann die Anwendung von Zwangsmaßnahmen in Form freiheitsbeschränkender Maßnahmen oder einer Zwangsbehandlung notwendig sein. Dabei muss eine weitgehende Vermeidung von Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen angestrebt werden. Zwingende Voraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische und einheitliche Erfassung solcher Maßnahmen in allen somatischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken sowie in Pflegeeinrichtungen. Die multizentrische Pilotstudie testete ein einfaches Erfassungsinstrument mit dem Ziel, langfristig Zwangsmaßnahmen in Deutschland zu protokollieren.
2015–2016; Veröffentlichung im Nervenarzt Dezember 2016
Artikel im Nervenarzt "Zwangsmaßnahmen in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie"
Wer in einer psychischen Krise ist oder psychisch krank, kann vorübergehend die Fähigkeit verlieren, selbstbestimmte Entscheidungen über medizinische Maßnahmen zu treffen. Möglicherweise lehnen Patientinnen und Patienten dann eine Behandlung ab oder stimmen ihr zu, obwohl sie in gesundem Zustand anders entscheiden würden. Damit Menschen für solche Situationen vorsorgen können, hat die DGPPN unter Federführung der Kommission Ethik und Recht eine Patientenverfügung für den Bereich der psychischen Gesundheit entwickelt.
Patientenverfügung - Selbstbestimmung - Schwerpunkte - DGPPN