18.03.2021 | Stellungnahme

Zur Klassifizierung von Psychopharmaka: Neuroscience-based Nomenclature (NbN)

Die aktuell verwendete Nomenklatur für Psychopharmaka ist veraltet und wird dem Fortschritt der Neurowissenschaften nicht mehr gerecht. Vor diesem Hintergrund wurde die Neuroscience-based Nomenclatur (NbN) entwickelt: Ein System zur Klassifizierung von Psychopharmaka, welches für Patienten, Behandelnde und Forschende wichtige Vorteile mit sich bringt. Die DGPPN befürwortet die Einführung der NbN in Versorgung, Wissenschaft und Lehre. 

Die aktuell verwendete Nomenklatur für Psychopharmaka ist veraltet und wird dem Fortschritt der Neurowissenschaften nicht mehr gerecht. Vor diesem Hintergrund wurde die Neuroscience-based Nomenclatur (NbN) entwickelt: Ein System zur Klassifizierung von Psychopharmaka, welches für Patienten, Behandelnde und Forschende wichtige Vorteile mit sich bringt. Die DGPPN befürwortet die Einführung der NbN in Versorgung, Wissenschaft und Lehre. 
Hintergrund

Die etablierten Systeme für die Klassifizierung psychiatrischer Diagnosen (ICD und DSM) werden kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt. Die Klassifikation und Nomenklatur für Psychopharmaka wurde bislang jedoch nicht in dieser Weise fortentwickelt: Die derzeitige Nomenklatur für Psychopharmaka ist 60 Jahre alt und hat mit den Entwicklungen in den Neurowissenschaften nicht Schritt gehalten. Häufig werden bei diesen Bezeichnungen Medikamente mit einer Diagnose verbunden, für die sie ursprünglich zugelassen wurden, obwohl sie inzwischen auch für andere Erkrankungen zugelassen sind und verwendet werden.

Vor diesem Hintergrund haben führende Experten die Neuroscience-based Nomenclature (NbN) entwickelt. Die NbN basiert auf den pharmakologischen Mechanismen von Medikamenten und wird aktualisiert, sobald hier neue Erkenntnisse vorliegen. Die Klassifizierung nach der NbN erfolgt auf der Grundlage bekannter und allgemein anerkannter Eigenschaften der Medikamente.

Zu den Vorteilen der NbN zählen:

  • Das Potenzial für eine bessere Patientenakzeptanz von Medikamentenempfehlungen, also eine Lösung des Problems, dass beispielsweise Patienten mit Angsterkrankungen „Antidepressiva“ verschrieben bekommen.
  • Eine Angleichung der Psychopharmakologie an andere Fachgebiete durch den Bezug auf spezifische Wirkmechanismen anstatt allgemeiner Oberkategorien wie "antipsychotische Medikamente".
  • Die Vermeidung unwissenschaftlicher Begriffe wie "Antipsychotika der zweiten Generation".
  • Die Bereitstellung eines umfassenden didaktischen Werkzeugs, das die Tiefe und den Umfang des neurowissenschaftlichen Fachwissens zu Psychopharmaka abbildet.
  • Eine Erweiterung des psychiatrischen Instrumentariums: Durch die Unterscheidung von pharmakologischen Bereichen und Wirkungsweisen gemäß der NbN können 60 verschiedene Arten pharmakologischer Wirkstoffe (also Medikamente, die sich durch die Pharmakologie und/oder die Wirkungsweise voneinander unterscheiden) bezeichnet werden. Dies sorgt nicht nur für mehr Nuancen bei der Verschreibung, sondern öffnet auch die Tür zu einer Präzisionsmedizin und hilft Behandlern, fundierte Entscheidungen zu treffen (z. B. im Falle von Augmentationen), indem sie Medikamente mit unterschiedlicher Pharmakologie und/oder Wirkmechanismen wählen können.
Position der DGPPN
  1. Die DGPPN ist unterstützt den Nutzen des NbN-Projekts zur Beschreibung und Klassifizierung von Arzneimitteln für psychische Störungen. Die Beschreibung von Wirkstoffen in Bezug auf ihre pharmakologischen Eigenschaften wird dazu beitragen, Verwirrung auf Seiten der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu vermeiden und zu einer gemeinsam getragenen Therapieentscheidung beitragen.
  2. Die DGPPN befürwortet die Aufnahme der NbN-Terminologie in wissenschaftliche Publikationen und Fachinformationen. Die DGPPN ist sich bewusst, dass dies ein langwieriger Prozess ist und schlägt vor, zunächst die derzeitige Nomenklatur beizubehalten und die NbN-Termini in Klammern hinzuzufügen (gemäß dem allgemeinen NbN-Glossar, siehe www.nbn2r.com/authors).

 

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