Die DGPPN begrüßt den Vorstoß des Bundesgesundheitsministeriums, die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch digitale Gesundheitsanwendungen zu verbessern. Grundlage hierfür müssen jedoch gesicherte, evidenzbasierte Qualitätskriterien sein. Aus Sicht der DGPPN besteht hier dringend Nachbesserungsbedarf.
Laut aktuellem Gesetzesentwurf für ein „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG) sollen gesetzlich Versicherte künftig einen Anspruch auf risikoarme digitale Gesundheitsanwendungen erhalten. Demnach sollen beispielsweise internetbasierte Selbsthilfe-Interventionen, die Unterstützung beim Selbstmanagement anbieten, von den Krankenkassen erstattet werden – ein aus Sicht der DGPPN zunächst positives Signal für alle Versicherten. Kritisch bewertet wird jedoch, dass der Gesetzentwurf nicht zwischen gesundheitsfördernden Apps und internetbasierten Psychotherapie-Interventionen, die bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden, unterscheidet. Beide sollen auch ohne Rezept, zum Teil direkt über die Krankenkasse zu erhalten sein. Bei einer Behandlung ohne vorherigen Arztbesuch könnten Diagnosen übersehen und damit das Patientenwohl gefährdet werden.
So plant der Gesetzgeber zwar, digitale Gesundheitsanwendungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüfen und in ein „Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen“ aufnehmen zu lassen, ein Beleg für einen „positiver Versorgungseffekt“, wie es der derzeitige Gesetzentwurf vorsieht, ist damit noch längst nicht ausreichend erbracht. Dazu ist nach Auffassung der DGPPN eine wissenschaftlich fundierte Nutzen-Risiko-Bewertung auf Basis verbindlicher Qualitätskriterien unerlässlich. Einen entsprechenden Kriterienkatalog hatte die DGPPN bereits 2018 zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) veröffentlicht. „Der Patient muss gute und gesundheitsfördernde Apps erkennen können. Es muss für ihn transparent sein, welche Online-Angebote nur reine Lifestyle-Apps sind und welche Hilfe bei schwerwiegenden Erkrankungen bieten können. Wesentlich für die Qualität einer Gesundheitsanwendung ist beispielsweise, ob sie von Fachexperten entwickelt wurde, ob der Datenschutz gesichert ist und ob weiterführende Hilfen angeboten werden. DGPPN und DGPs haben auf der Grundlage ausgewiesener Fachexpertise Empfehlungen in einem Katalog zusammengestellt, die jedem sehr gute Orientierung bieten. Wir würden uns wünschen, dass auch der Gesetzgeber ihn als Richtschnur verwendet“, so Dr. Iris Hauth, Vorstandsmitglied der DGPPN und Leiterin der paritätischen Task Force „E-Mental-Health“ von DGPPN und DGPs.
Die derzeitige Datenlage zeigt, dass einzelne Selbstmanagement-Interventionen in der Behandlung bestimmter psychischer Störungen wie Angst, Depression und Sucht durchaus wirksam sein können. Dies gilt vor allem für solche Programme, die von Experten begleitet werden, sowie für diejenigen Patienten, die grundsätzlich offen für Online-Therapien sind. Internetbasierte Interventionen können erfolgreich im Rahmen eines Behandlungsplans eingesetzt werden, ersetzen aber den persönlichen Kontakt zwischen Arzt bzw. Psychotherapeut und Patient nicht.