Neue Gesetzesfassung nicht mit ärztlicher Schweigepflicht vereinbar und ohne wirklichen Nutzen zur Gefahrenabwehr
Der Hessische Landtag hat heute das Zweite Gesetz zur Änderung des Hessischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes PsychKHG in der Dritten Lesung beraten und verabschiedet. Diese Gesetzesänderung war in den vergangenen Monaten von vielen Seiten scharf kritisiert worden. Sie verpflichtet nach Inkrafttreten die hessischen psychiatrischen Kliniken zu umfassenden Meldepflichten an die Sicherheitsbehörden. Die DGPPN warnt vor Stigmatisierung und Unvereinbarkeit mit ärztlicher Schweigepflicht. Diese Änderung sendet ein falsches Signal für die Weiterentwicklung der bestehenden PsychKHGs. Sie wird die Gefahrenabwehr nicht verbessern und sie könnte sogar zu einer Zunahme des Gewaltrisikos durch unbehandelte psychische Erkrankungen führen.
Im neu formulierten § 28 Absatz 4 des Hessischen PsychKHG werden die psychiatrischen Kliniken verpflichtet, bei der Entlassung von Patientinnen und Patienten, die wegen einer Fremdgefährdung untergebracht waren, die zuständige Polizeibehörde zu informieren und alle für eine Gefährdungseinschätzung notwendigen Informationen zu übermitteln. Dies gilt für alle Patientinnen und Patienten, bei denen nicht näher bestimmte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie auch nur möglicherweise in absehbarer Zeit in einer nicht näher bestimmten Form die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer gefährden könnten.
Diese Vorschrift geht weit über das legitime Ziel hinaus, in besonderen Einzelfällen, in denen bei Entlassung eine weitere konkrete und gegenwärtige Gefährdung Dritter zu erwarten ist, die zuständige Polizeibehörde zu informieren. Die nunmehr zu übermittelnden Informationen werden es erlauben, umfangreiche Datenbanken über eine große Zahl von Menschen anzulegen, die in psychiatrischen Kliniken behandelt worden sind.
Die hessischen psychiatrischen Kliniken werden durch diese Gesetzesneufassung nun zu einer Unterstützung der Arbeit von Sicherheitsbehörden in einem Ausmaß verpflichtet, das weit über ihre gesetzliche Verpflichtung zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren hinaus geht.
Die DGPPN hat während des gesamten Prozesses wiederholt deutlich davor gewarnt, diese – nun beschlossenen - Änderungen weiter zu verfolgen. Die DGPPN hat im Laufe dieses Jahres konkret wissenschaftlich fundierte und konstruktive Alternativen vorgeschlagen. Basierend auf dem Positionspapier „Prävention von Gewalttaten“ vom 23.06.2025 wurde so am 09.12.2025 ein weiteres DGPPN-Papier veröffentlicht, welches explizite Empfehlungen für sinnvolle Regelungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in den psychisch-Kranken-(Hilfe)-Gesetzen der Bundesländer zusammenträgt.
DGPPN-Präsidentin Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank: „Wir lehnen die Gesetzesänderung des hessischen PsychKHG angesichts eines höchst problematischen Umgangs mit der ärztlichen Schweigepflicht aufs Schärfste ab. Darüber hinaus birgt die neue Fassung des PsychKHG ein erhebliches Stigmatisierungspotential und wird vermutlich das Vertrauen der Betroffenen in die Arzt-Patient-Beziehung und in das psychiatrische Hilfesystem grundlegend erschüttern. Dabei ist dieses Vertrauen zwingend notwendig, damit sich kranke Menschen vertrauensvoll und freiwillig in Behandlung begeben.“
Eine gute und kontinuierliche Behandlung ist der einzig effiziente Weg zur Reduktion des Risikos von Gewalttaten durch psychisch kranke Menschen, so auch der Tenor des DGPPN-Positionspapiers vom Sommer 2025. Prof. Gouzoulis-Mayfrank weiter: „Die heute beschlossene Gesetzesänderung wird ihr eigentliches Ziel der Risikoreduktion nicht nur verfehlen, sondern sie kann dazu beitragen, das Risiko gesamtgesellschaftlich sogar zu steigern.“
Pressemitteilung Hessen beschließt Änderung des PsychKHG [PDF] | 11.12.2025
Empfehlungspapier DGPPN zu sinnvollen Regelungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in den Psychisch-Kranken-(Hilfe)-Gesetzen [PDF] | 09.12.205