(vom 17. Juni 2016, zuletzt geändert am 27. September 2021)
Das Gesetz gilt für Personen mit psychischen Erkrankungen einschließlich einer Abhängigkeit von stoffgebundenen oder nicht stoffgebundenen Suchtmitteln, insbesondere für Personen mit psychischen Störungen von erheblichem Ausmaß mit Krankheitswert (§ 1).
In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Rechtzeitige und umfassende Beratung für psychisch erkrankte Personen und deren Bezugspersonen, persönliche Betreuung und Vermittlung, insbesondere durch eine frühzeitige ambulante Behandlung (§ 4).
Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erhalten, stationäre Behandlung oder Unterbringung vermeiden oder verkürzen sowie eine erneute stationäre Behandlung oder Unterbringung verhindern (§ 4).
Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung einer psychisch erkrankten Person ist nur zulässig, wenn und solange durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit oder für besonders bedeutende Rechtsgüter Dritter besteht und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann (§ 15). Der Zweck der Unterbringung besteht in der Abwehr dieser Gefahr (§ 16).
Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Der Sozialpsychiatrische Dienst bzw. der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst des Bezirksamtes (§ 22).
Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Psychiatrische Krankenhäuser, psychiatrische Fachabteilungen von Krankenhäusern sowie für psychisch kranke Menschen geeignete Heime (Einrichtungen) oder Teile von solchen Einrichtungen. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind von Erwachsenen abgegrenzt unterzubringen (§ 18).
In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Die Bereitschaft der untergebrachten Person, an der Erreichung des Zwecks ihrer Unterbringung mitzuwirken, soll geweckt und ihr Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung gefördert werden (§ 32). Dabei hat die untergebrachte Person einen Anspruch auf eine zweckmäßige, notwendige und dem jeweils aktuellen Stand der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Erkrankung, die zu ihrer Unterbringung geführt hat (§ 28). Zeitnah nach der Aufnahme ist ein Behandlungsplan zu erstellen und mit der untergebrachten Person und ihrer rechtlichen Vertretung zu erörtern (§ 29).
Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung soll nach Möglichkeit in offener Form und nicht freiheitsentziehend durchgeführt werden, sofern der Unterbringungszweck dadurch nicht gefährdet wird (§ 30).
Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Besteht die gegenwärtige Gefahr, dass die untergebrachte Person sich selbst tötet, ihre eigene Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich schädigt oder die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn und solange dieser Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen begegnet werden kann (§ 39).
Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Die Beschränkung und das Verbot des Aufenthalts im Freien, die Wegnahme oder Vorenthaltung von Gegenständen, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, die Fixierung sowie die Fixierung in Verbindung mit medikamentöser Sedierung (§ 39).
Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Ein Richtervorbehalt besteht für die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, für Fixierungen sowie für Fixierungen mit medikamentöser Sedierung, wenn diese länger als 18 Stunden dauern oder regelmäßig wiederkehrend angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug können diese Maßnahmen direkt durchgeführt werden, aber eine richterliche Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen (§ 39).
Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Bei Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum, Fixierungen sowie Fixierungen mit medikamentöser Sedierung muss eine Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal erfolgen. Bei Fixierungen sowie Fixierungen mit medikamentöser Sedierung ist zusätzlich eine ständige persönliche Begleitung vorgeschrieben (§ 39).
Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung, Begründung, Kontrolle und Beendigung der besonderen Sicherungsmaßnahme sind zu dokumentieren (§ 39).
Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Nein.
Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Unmittelbarer Zwang ist ggf. zulässig zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit oder Ordnung, zum Schutz erheblicher Rechtsgüter Dritter, zur Verhinderung von Entweichungen sowie zur Durchführung von ohne Einwilligung zulässigen Behandlungsmaßnahmen und Maßnahmen zum allgemeinen Hygieneschutz (§ 80).
Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?
Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?
Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung ist durch einen Arzt der Einrichtung anzuordnen. Vor der Zwangsbehandlung einer volljährigen Person ist die vorherige Zustimmung des Betreuungsgerichts einzuholen; für minderjährige Personen ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. Nach Abschluss der Zwangsbehandlung sind ihre maßgeblichen Gründe, ihr Zwangscharakter, die Art und Weise ihrer Durchführung, die vorgenommenen Kontrollen, die Überwachung ihrer Wirkungen mit der untergebrachten Person zu besprechen. Das Ergebnis der Nachbesprechung ist zu dokumentieren (§ 28).
Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja. Bei Lebensgefahr oder gegenwärtiger Gefahr für die Gesundheit eines einwilligungsunfähigen Untergebrachten (Gefahr im Verzug) ist eine, insbesondere medikamentöse Zwangsbehandlung u. U. zulässig, wenn besondere Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichen und keine wirksame Patientenverfügung dem entgegensteht (§ 28).
Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Im Rahmen der allgemeinen Besuchszeiten können Besuche empfangen werden, solange Gesundheit und Sicherheit nicht gefährdet sind. (§ 36)
In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Die untergebrachte Person hat das Recht, allgemein zugängliche Medien und Kommunikationsmittel zur Information und Kommunikation zu nutzen und auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. Liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr des Einschmuggelns von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen vor, können befristet Telefongespräche mitgehört werden. Dasselbe gilt, wenn die Kommunikation eine erhebliche Selbstgefährdung befürchten lässt oder geeignet ist, erhebliche Rechtsgüter Dritter oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich zu gefährden. Von Einschränkungen ausgenommen ist die Kommunikation der untergebrachten Person mit ihrer rechtlichen oder anwaltlichen Vertretung, Notaren, Seelsorgern, Gerichten, Behörden, Staatsanwaltschaften, Aufsichtsbehörden, der Beschwerde- und Informationsstelle, den Besuchskommissionen, Patientenfürsprechern, dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder, Bezirksverordnetenversammlungen der Berliner Bezirke sowie deren Mitgliedern, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe, weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes und der Härtefallkommission (§ 35).
Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Schreiben dürfen unbeschränkt und ungeöffnet abgesendet und empfangen werden. Liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Gefahr des Einschmuggelns von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen vor, können befristet Schreiben angehalten oder eingesehen werden. Dasselbe gilt, wenn die Kommunikation eine erhebliche Selbstgefährdung befürchten lässt oder geeignet ist, erhebliche Rechtsgüter Dritter oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich zu gefährden (§ 35).
Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Die ärztliche Leitung kann die untergebrachte Person für bis zu 14 zusammenhängende Kalendertage beurlauben, sofern ihr Gesundheitszustand und ihre persönliche Situation dies zulässt und kein Missbrauch zu befürchten ist (§ 31).
Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Keine Angabe.
Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Ja, es gibt Patientenfürsprecher (§§ 12, 52) sowie eine Beschwerde- und Informationsstelle (§ 11). Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung gewährleistet, dass in Angelegenheiten der psychiatrischen Versorgung individuelle Beschwerden entgegengenommen und die Beschwerdeführenden im Prozess der Beschwerdebearbeitung beraten und begleitet werden, sowie die Arbeit der Patientenfürsprecher und der Besuchskommissionen unterstützt wird (§ 11).
Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Zur Überprüfung der Einrichtungen werden mindestens zwei Besuchskommissionen eingerichtet. Zusammensetzung: ein Facharzt für Psychiatrie, eine in der Behandlung oder Betreuung psychisch erkrankter Personen erfahrene Fachkraft, eine Person mit juristischem Sachverstand, ein Angehörigenvertreter, eine psychiatrieerfahrene Person, eine Person des öffentlichen Lebens und ein Arzt mit einer abgeschlossenen Weiterbildung oder einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung im Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie oder ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (§ 13).
Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?