Schleswig-Holstein 

(vom 11. Dezember 2020, zuletzt geändert am 9. März 2021)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für Menschen mit psychischen Störungen, die nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftig sind, unabhängig von ihrer Ursache (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Hilfen sollen den betroffenen Menschen in Form von vorsorgenden, begleitenden sowie nachsorgenden Hilfemaßnahmen gewährt werden. (§ 4). Ambulante und teilstationäre Formen der Hilfen haben Vorrang vor stationären. Um eine Unterbringung zu vermeiden, soweit wie möglich zu verkürzen oder nach Beendigung der Unterbringung die notwendige Hilfestellung zu gewähren, sind alle vorhandenen vorsorgenden, begleitenden und nachsorgenden Hilfen auszuschöpfen. (§ 1). Hilfen werden nach dem individuellen Hilfebedarf durch Informationen, persönliche Beratung und Begleitung, Vermittlung von geeigneten Hilfs- und Leistungsangeboten sowie Kooperationen mit Einrichtungen und Institutionen erbracht; dafür sollen auch Hausbesuche angeboten werden (§ 5).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Die Hilfen sollen betroffene Menschen befähigen, menschenwürdig und selbstbestimmt in der Gemeinschaft zu leben. Ziel der Hilfen ist es, die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten oder wiederherzustellen, die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erleichtern und zu fördern, Behandlungen zu unterstützen, Unterbringungen zu vermeiden oder zu beschränken, dazu beizutragen, dass Funktionseinschränkungen, Störungen, Krankheiten und Behinderungen frühzeitig erkannt und angemessen behandelt werden, und die betroffenen Menschen zu befähigen, die Angebote zur Erreichung dieser Ziele selbstständig in Anspruch zu nehmen (§ 4).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung eines Menschen ist nur zulässig, wenn und solange er infolge seiner psychischen Störung sein Leben, seine Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährdet und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann (§ 7).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Der Kreis oder die kreisfreie Stadt (§ 8).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Die Unterbringung erfolgt grundsätzlich in einem für die Behandlung der psychischen Störung geeigneten psychiatrischen Krankenhaus oder in einer geeigneten psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Erfordert die psychische Störung oder eine sonstige Erkrankung vorrangig eine somatische Behandlung, kann die Unterbringung in einem dafür geeigneten somatischen Krankenhaus oder einer geeigneten somatischen Abteilung eines Krankenhauses vollzogen werden (§ 13). Kinder und Jugendliche sollen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht und behandelt werden (§ 12).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Während der Unterbringung und Behandlung dürfen einem betroffenen Menschen nur die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit auferlegt werden, soweit sie sich zwingend aus den Zwecken der Unterbringung oder aus den Anforderungen zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in dem Krankenhaus ergeben. Dabei sind alle Beschränkungen mit dem geringstmöglichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die körperliche Unversehrtheit vorzunehmen, regelmäßig zu überprüfen und im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit anzupassen. Den Wünschen und Bedürfnissen des betroffenen Menschen zur Gestaltung der Unterbringung und Behandlung ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Dabei sind auch geschlechtsspezifische Aspekte zu beachten (§ 12). Ein untergebrachter Mensch hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Diese erfolgt nach einem Behandlungsplan (§ 14).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung soll nach Möglichkeit in offenen und freien Formen erfolgen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt (§ 14).

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen dürfen angeordnet werden, wenn es zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung des Krankenhauses unerlässlich ist (§ 27). Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr besteht, dass der Patient gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder erheblich verletzt, und nur, wenn und soweit mildere Mittel nicht in Betracht kommen (§ 28). Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn die Gefahr auch anders abgewendet werden kann oder ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht (§§ 27, 28).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Zulässige Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen sind der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen, die Beobachtung, die Absonderung von anderen Patienten und das Festhalten (§ 27). Zulässige besondere Sicherungsmaßnahmen sind die Unterbringung in einem besonderen Raum ohne gefährdende Gegenstände (Kriseninterventionsraum), die sedierende Medikation oder die Fixierung durch mechanische Hilfsmittel, welche die Fortbewegungsfreiheit des betroffenen Menschen nach jeder Richtung hin vollständig aufhebt, einschließlich der hiermit medizinisch notwendig verbundenen Medikation (Fixierungsmaßnahme) (§ 28).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Eine nicht nur kurzfristige Fixierung bedarf einer Anordnung des Gerichts. Bei Gefahr im Verzug darf eine Fixierungsmaßnahme von einem Arzt angeordnet werden (§ 28).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Der von einer besonderen Sicherungsmaßnahme betroffene Patient ist in besonderem Maße zu überwachen und betreuen. Bei Fixierungen ist kontinuierlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch hinreichend geschultes Krankenhauspersonal sicherzustellen. Auf eine unmittelbare räumliche Anwesenheit kann auf Wunsch des Patienten oder in medizinisch oder therapeutisch begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden; eine ständige Betreuung des fixierten Patienten ist sicherzustellen (§ 28).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Nach der Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren: deren Ankündigung und Begründung gegenüber dem betroffenen Patienten oder deren Unterbleiben, die Gründe für die Anordnung, gegebenenfalls die gerichtliche Entscheidung, die Art und der Beginn der Maßnahme, die Art der Betreuung, eine etwaige Verlängerung oder das Ende der Maßnahme, die Nachbesprechung und der Hinweis auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme (§ 28).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Nach Beendigung der Maßnahme ist dem Patienten die Möglichkeit einer Nachbesprechung im Hinblick auf eine therapeutische Aufarbeitung einzuräumen. Der betroffene Mensch ist nach Beendigung einer Fixierungsmaßnahme, über die nicht richterlich entschieden wurde, auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung der durchgeführten Maßnahme hinzuweisen (§ 28).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs ist mündlich anzudrohen, außer wenn die Umstände dies nicht zulassen (§ 30).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 29).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (-)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (-)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (+)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (-)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (-)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 29).

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Die Zwangsbehandlung bedarf der vorherigen gerichtlichen Anordnung. Die Zwangsbehandlung muss von einem Arzt selbst durchgeführt werden. Die Notwendigkeit der Behandlung ist regelmäßig zu überprüfen und unverzüglich zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, unerwartete Nebenwirkungen auftreten oder eine Verbesserung des Zustands nicht absehbar ist. Eine wirksame Patientenverfügung ist zu beachten. Die Zwangsbehandlung muss ärztlich überwacht und dokumentiert werden (§ 29).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja. Wenn eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, darf die Zwangsbehandlung vorläufig vorgenommen werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des auf die Zwangsbehandlung folgenden Tages. Der Antrag auf Anordnung einer Zwangsbehandlung ist unverzüglich beim Gericht nachzuholen (§ 29).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Im Rahmen der allgemeinen Besuchszeiten dürfen Besuche empfangen werden. Sofern es unerlässlich ist, um erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand der untergebrachten Person abzuwenden oder den Zweck der Unterbringung nicht zu gefährden, darf der für die Behandlung verantwortliche Arzt ein Besuchsverbot aussprechen (§ 22).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Die untergebrachte Person hat das Recht, Telefongespräche zu führen. Telefongespräche dürfen nur dadurch überwacht werden, dass ein Mitarbeiter des Krankenhauses in ihrer Gegenwart den Gesprächsverlauf verfolgt und das Gespräch mithört. Wird ein Telefongespräch überwacht, ist der Gesprächspartner zu Beginn des Gesprächs darüber zu unterrichten. Ergibt die Überwachung, dass durch den konkreten Gesprächsverlauf erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand der untergebrachten Person zu erwarten sind oder der Zweck der Unterbringung gefährdet werden könnte, kann die Fortsetzung des Gesprächs untersagt werden (§ 21).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Schriftwechsel, auch mit neuen Kommunikationsmedien, ist erlaubt. Keiner Einschränkung unterliegt der Schriftwechsel mit der anwaltlichen und gesetzlichen Vertretung, dem rechtlichen Betreuer, den bestellten Verfahrenspflegern, Behörden, Gerichten oder Staatsanwaltschaften, Seelsorgern, Beschwerdestellen sowie Mitgliedern der Anliegenvertretung, Ärzten sowie psychologischen Psychotherapeutinnen und psychologischen Psychotherapeuten, in deren Behandlung sich der betroffene Mensch vor seiner Unterbringung befunden hat, Volksvertretungen der Europäischen Union, des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Mitgliedern, Verfassungsgerichten des Bundes und der Länder, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Mitgliedern der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter sowie des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und bei ausländischen Staatsangehörigen auch mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes. Für den übrigen Schriftwechsel darf der Schriftwechsel überwacht und ggf. angehalten werden, wenn Tatsachen dafürsprechen, dass bei freiem Schriftwechsel erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand der untergebrachten Person zu erwarten sind oder der Zweck der Unterbringung gefährdet werden könnte (§ 19). Pakete dürfen empfangen und abgesendet werden. Der Inhalt von Paketen kann in Gegenwart der untergebrachten Person daraufhin überprüft werden, ob darin Nachrichten oder Gegenstände enthalten sind, deren Besitz den Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben im Krankenhaus gefährden würde (§ 20).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Es kann bis zu 14 Tagen Urlaub gewährt werden. Werden Medikamente mit Depotwirkung verabreicht, kann die Frist von 14 Tagen erweitert werden bis zum Zeitpunkt der nächsten Gabe der Depotmedikamente. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden (§ 24).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Keine Angaben.

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Zusätzlich zur Besuchskommission kann ein Patientenfürsprecher und sein Vertreter zur Anliegenvertretung bestellt werden. Es muss sichergestellt werden, dass die Anliegenvertretung auch außerhalb der Besuche für Beschwerden und Anregungen erreichbar ist (§ 26).

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Der Kreis oder die kreisfreie Stadt bestellt für die Krankenhäuser, in denen Unterbringungen vollzogen werden, eine Besuchskommission. Der Sozialpsychiatrische Dienst unterstützt die Besuchskommission und führt ihre Geschäfte. Die Besuchskommission soll die Krankenhäuser mindestens zweimal jährlich besuchen. Zwischen zwei Besuchen dürfen nicht mehr als sechs Monate liegen. Es ist sicherzustellen, dass die Besuchskommission auch zwischen den Besuchen für Anliegen und Beschwerden erreichbar ist. Sie soll prüfen, ob die Rechte der betroffenen Menschen gewahrt werden und der Zweck der Unterbringung erfüllt wird. Sie wirkt bei der Gestaltung der Unterbringung beratend mit. Aufgabe der Besuchskommission ist es, Anregungen und Beschwerden der betroffenen Menschen entgegenzunehmen und zu prüfen. Einer Besuchskommission gehören mindestens vier Personen an; jeweils hälftig sollen Frauen und Männer berücksichtigt werden. Mitglieder sind ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, eine in Unterbringungsangelegenheiten erfahrene Person mit Befähigung zum Richteramt, ein Mitglied sowie bei Bedarf eine Assistenzperson auf Vorschlag von Vereinigungen der Psychiatrie-Erfahrenen und ein Mitglied auf Vorschlag der Vereinigungen der Angehörigen und Freunde psychisch kranker Menschen (§ 26).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Die Krankenhäuser berichten den Kreisen und kreisfreien Städten jährlich über die Anzahl und Dauer von Unterbringungen nach diesem Gesetz, die Anzahl der vorläufigen Unterbringungen, die Art, die Anzahl und die Dauer von besonderen Sicherungsmaßnahmen sowie die Anzahl der ärztlichen Zwangsmaßnahmen nach diesem Gesetz (§ 38).
  • Auswertung: Keine Angabe
  • Öffentliche Berichterstattung: Keine Angabe

     

mehr erfahren

Bei Fragen sind wir für Sie da. 

DGPPN-Geschäftsstelle 
Wissenschaftlicher Dienst
Reinhardtstraße 29 I 10117 Berlin

T +49 30 2404 772-12
widi@dgppn.de
  

Zum Kontaktformular