Sachsen

(vom 10. Oktober 2007, zuletzt geändert 22. August 2019)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für psychisch kranke Menschen und von psychischer Krankheit bedrohte Menschen inklusive Personen, bei denen eine Suchtkrankheit vorliegt (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Es werden vorsorgende, begleitende und nachsorgende Hilfen angeboten. Die zur Bewältigung psychischer Krankheiten notwendige Hilfe soll möglichst ohne stationäre Behandlung, vor allem ohne Unterbringung erbracht werden. Die ambulante Betreuung erfolgt insbesondere durch ärztliche und psychosoziale Beratung und Behandlung des Kranken sowie durch Beratung seiner Angehörigen und Bezugspersonen. Betreutes Wohnen, tagesstrukturierende und andere komplementäre Angebote sowie beschützte Arbeitsplätze sind Elemente der Betreuung psychisch Kranker (§ 5).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Vorsorgende Hilfen tragen dazu bei, dass Zeichen einer psychischen Krankheit rechtzeitig erkannt werden und der Betroffene rasch behandelt werden kann. Begleitende Hilfen unterstützen den psychisch Kranken darin, mit seiner Krankheit zu leben, eine Verschlechterung zu vermeiden und eine Besserung zu erreichen. Nachsorgende Hilfen dienen der Wiedereingliederung und dem Vermeiden von Rückfällen nach einer psychiatrischen stationären oder teilstationären Behandlung (§ 5).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung ist nur zulässig, wenn und solange ein psychisch Kranker infolge seiner psychischen Krankheit sein Leben oder seine Gesundheit erheblich und gegenwärtig gefährdet oder eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für bedeutende Rechtsgüter anderer darstellt und die Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar ist (§ 10).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Der Landkreis oder die kreisfreie Stadt (§ 12).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Psychiatrische Krankenhäuser und psychiatrische Abteilungen an Allgemein- oder Fachkrankenhäusern (§§ 2, 15). Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Krankheit und nach ihrem Entwicklungsstand gesondert untergebracht werden (§ 19).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die untergebrachten Patienten unterliegen nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung des Krankenhauses unerlässlich sein. Die Patienten sollen unter Beachtung medizinischer, sozialtherapeutischer und sicherheitstechnischer Erkenntnisse und Möglichkeiten Gelegenheit zu sinnvoller Beschäftigung und Arbeit haben. Für geleistete Arbeit ist ein angemessenes Entgelt zu gewähren. Den Patienten ist der regelmäßige Aufenthalt im Freien zu ermöglichen (§ 19) Die Patienten haben Anspruch auf die notwendige Behandlung inklusive der erforderlichen Untersuchungen sowie sozialtherapeutischer, psychotherapeutischer, heilpädagogischer, beschäftigungs- und arbeitstherapeutischer Maßnahmen. Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der mit den Patienten zu erörtern ist (§ 21).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung soll nach Möglichkeit in offenen und freien Formen erfolgen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt. (§ 29)

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Der Patient darf nur solchen Sicherungsmaßnahmen unterworfen werden, die für den Zweck der Unterbringung und zur Vermeidung oder Beseitigung einer erheblichen Störung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses unerlässlich sind. Diese Sicherungsmaßnahmen sind auch dann zulässig, wenn nach dem Verhalten des Patienten oder aufgrund seines seelischen Zustandes vermehrt die Gefahr von Flucht oder von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder von Selbsttötung oder Selbstverletzung besteht. Bei Ausführung, Vorführung oder Transport ist die Fesselung auch zulässig, wenn erhöhte Fluchtgefahr besteht. Fesselungen und Fixierungen, die die Bewegungsfreiheit vollständig aufheben, sind nur zulässig, soweit und solange dies zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung unerlässlich ist. (§ 31)

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Die Wegnahme oder Vorenthaltung von Gegenständen, die Beobachtung bei Nacht, die Absonderung von anderen Patienten, der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände, die Fesselung, die zeitweise Fixierung und die medikamentöse Ruhigstellung, die einer zeitweisen mechanischen Fixierung in ihrem Zweck und ihren Auswirkungen gleichkommt (§ 31).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Eine nicht nur kurzfristige Fesselung oder Fixierung, durch die die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird, darf nur durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug können auch die ärztliche Leitung oder ein anderer Arzt des Krankenhauses diese Sicherungsmaßnahme vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen (§ 31).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Bei der Absonderung von anderen Patienten, der Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum und der Fesselung ist eine angemessene und regelmäßige Überwachung durchzuführen; bei zeitweiser Fixierung und medikamentöser Ruhigstellung ist der Patient zusätzlich ständig zu beobachten. Wenn bei einer Fesselung oder Fixierung die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben ist, muss grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sichergestellt und eine ärztliche Überwachung gewährleistet sein. (§ 31)

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung, Begründung, Verlauf, Art der Überwachung und Dauer der Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren. Im Fall einer nicht nur kurzfristigen Fesselung oder Fixierung sind der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung und die Nachbesprechung zu dokumentieren (§ 31).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Nach Beendigung der Sicherungsmaßnahme ist der Patient auf sein Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Sicherungsmaßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen. Nach Beendigung einer Fesselung oder Fixierung, bei der die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben ist, muss eine Nachbesprechung durchgeführt werden, sobald es der Zustand des Patienten zulässt (§ 31).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Wenn zu duldende Maßnahmen oder Anordnungen nach diesem Gesetz nicht anders durchsetzbar sind, dürfen die Bediensteten des Krankenhauses nach Ankündigung unmittelbaren Zwang gegen den Patienten anwenden. Die Ankündigung kann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen. (§ 23)

Regelungen zur Anwendung einer Zwangsbehandlung

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 22)

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (+)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (+)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (-)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 22)

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung setzt voraus, dass der zuständige Arzt die Entscheidung über die Behandlung trifft, der Patient über die Behandlung und ihre beabsichtigten Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer ihm möglichst verständlichen Weise umfassend aufgeklärt worden ist mit dem Ziel, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen, das Betreuungsgericht bzw. bei Minderjährigen der gesetzliche Vertreter die Behandlung auf schriftlichen Antrag des Krankenhauses genehmigt und das Krankenhaus dem Patienten und seinem gesetzlichen Vertreter die Behandlung schriftlich ankündigt. Eine Ernährung gegen den Willen des Patienten ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten abzuwenden (§ 22).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Wenn die schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Patienten unmittelbar bevorsteht, kann die Zwangsbehandlung ohne vorherige Patientenaufklärung, richterliche Genehmigung und schriftliche Ankündigung erfolgen; diese Maßnahmen sind unverzüglich nachzuholen. (§ 22)

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Sie hat das Recht, im Rahmen einer allgemeinen Besuchsregelung Besuche zu empfangen. Besuche können untersagt werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der Allgemeinheit gefährden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gesundheitliche Nachteile für den Patienten oder für die Gefährdung des Therapieziels als Folge des Besuches bestehen (§ 25).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Sie hat das Recht auf unbeschränkte Telekommunikation. Liegen jedoch Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der Allgemeinheit vor, so darf die Telekommunikation eingesehen und angehalten werden. Nicht überwacht werden darf die Telekommunikation mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, seinem Rechtsanwalt, Verteidiger oder Notar und den Besuchskommissionen. Dies gilt auch für den Postverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 Grundgesetz und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie bei ausländischen Staatsangehörigen für den Postverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes (§ 27).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Der untergebrachte Patient hat das Recht, unbeschränkt Post- und Paketsendungen abzusenden und zu empfangen. Liegen jedoch Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der Allgemeinheit vor, so darf der Post- und Paketverkehr eingesehen und angehalten werden. Nicht überwacht werden darf der Post- und Paketverkehr mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, dem Rechtsanwalt, Verteidiger oder Notar der untergebrachten Person und den Besuchskommissionen. Dies gilt auch für den Post- und Paketverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 Grundgesetz und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie bei ausländischen Staatsangehörigen für den Postverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes. (§ 26).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Urlaub kann bis zur Dauer von vier Wochen gewährt werden, sofern der Zweck der Unterbringung dies zulässt. Der Urlaub kann an Bedingungen geknüpft und mit Auflagen verbunden werden. Er ist jederzeit widerrufbar, vor allem wenn die gestellten Auflagen und Bedingungen nicht eingehalten werden (§ 30).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Ausgang kann gewährt werden, sofern der Zweck der Unterbringung dies zulässt. Der Ausgang kann an Bedingungen geknüpft und mit Auflagen verbunden werden. Er ist jederzeit widerrufbar, vor allem wenn die gestellten Auflagen und Bedingungen nicht eingehalten werden (§ 30).

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Für Krankenhäuser und andere stationäre psychiatrische Einrichtungen bestellen die kreisfreien Städte oder Landkreise im Benehmen mit den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften ehrenamtliche Patientenfürsprecher, die nicht in einer solchen Einrichtung tätig sind. Die Patientenfürsprecher prüfen Wünsche und Beschwerden der Patienten und beraten diese. Bei Bedarf vermitteln sie zwischen Patienten und Mitarbeitern der Einrichtung. Stellen sie erhebliche Mängel fest, denen nicht in angemessener Frist abgeholfen wird, informieren sie den Leiter der Einrichtung, den Träger sowie die Besuchskommission (§ 4)

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Besuchskommissionen besuchen mindestens alle drei Jahre, in der Regel unangemeldet die Krankenhäuser und die anderen stationären psychiatrischen Einrichtungen. Zusammensetzung: Personen mit der Befähigung zum Richteramt, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder andere Ärzte mit Berufserfahrung in der Psychiatrie, Psychotherapeuten oder Psychologen mit dreijähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, Personen mit einer Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen auf dem Gebiet der Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in der Krankenpflege mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie oder Personen mit einer abgeschlossenen sozial-, heilpädagogischen oder heilerziehungspflegerischen Ausbildung mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, Fachkräfte für Suchtgefährdete und Suchtkranke, Vertreter der öffentlichen Jugendhilfe sowie Angehörige psychisch kranker Menschen oder von psychischer Krankheit Betroffener (§ 3).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung erfolgt eine jährliche Psychiatrieberichterstattung durch die psychiatrischen Dienste und Einrichtungen (§ 8a). Diese erheben für jeden Klienten Identitätsdaten, Daten zur Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen u.v.m. (§ 8b). Die Daten werden pseudonymisiert (§ 8c).
  • Auswertung: Die Daten werden zentral an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden ausgewertet (§ 8f).
  • Öffentliche Berichterstattung: Keine Angabe

     

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