Nordrhein-Westfalen

(vom 17. Dezember 1999, zuletzt geändert 13. April 2022)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für Menschen, bei denen Anzeichen einer psychischen Krankheit bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Krankheit fortbestehen. Psychische Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind behandlungsbedürftige Psychosen sowie andere behandlungsbedürftige psychische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen von vergleichbarer Schwere (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Das Hilfsangebot besteht in rechtzeitigen, der Art der Erkrankung angemessenen medizinischen und psychosozialen Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen (§ 3).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Die Hilfen sollen Betroffene befähigen, ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft zu führen, und sie sollen Anordnungen von Schutzmaßnahmen und insbesondere Unterbringungen vermeiden (§ 3).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Eine Unterbringung ist nur zulässig, wenn und solange die gegenwärtige Gefahr einer erheblichen Selbstschädigung oder einer erheblichen Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann (§ 11). Das Ziel der Unterbringung ist es, diese Gefahren abwenden und die Betroffenen nach Maßgabe dieses Gesetzes behandeln (§ 10).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Die örtliche Ordnungsbehörde im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst (§ 12).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Psychiatrische Fachkrankenhäuser, psychiatrische Fachabteilungen von Allgemeinkrankenhäusern und Hochschulkliniken (§ 10).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die Patienten unterliegen nur denjenigen Beschränkungen ihrer Freiheit, die sich zwingend aus dem Zweck der Unterbringung und aus den Anforderungen eines geordneten Zusammenlebens im Krankenhaus ergeben (§ 16). Den untergebrachten Patienten ist ein täglicher Aufenthalt im Freien, in der Regel für mindestens eine Stunde, zu ermöglichen (§ 16). Die Patienten sind so unterzubringen, dass sie eine medizinisch notwendige und im Sinne dieses Gesetzes zulässige Behandlung wahrnehmen können. Unmittelbar nach der Aufnahme ist ein individueller Behandlungsplan zu erstellen (§ 18).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Die Unterbringung soll so weitgehend wie möglich in offenen Formen durchgeführt werden (§ 10).

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Besondere Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefährdung besonderer Rechtsgüter Dritter dürfen nur angeordnet werden, soweit und solange die Gefahr nicht durch mildere Maßnahmen abgewendet werden kann (§ 20).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Beschränkung des Aufenthalts im Freien, Unterbringung in einem besonderen Raum, Festhalten statt Fixierung, Fixierung in der Form der Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Hilfsmittel (§ 20).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Für absehbar nicht nur kurzfristige oder sich regelmäßig wiederholende Fixierungen ist bei volljährigen Personen eine vorherige Zustimmung durch das zuständige Gericht erforderlich bzw. bei Minderjährigen die vorherige Zustimmung der sorgeberechtigten Person. Ist die gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig erreichbar und die sofortige Durchführung der Fixierung zur Vermeidung von erheblichen Nachteilen notwendig, so ist der Antrag unmittelbar nach Fixierungsbeginn zu stellen. Einer Antragstellung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme absehbar ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist (§ 20).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Besondere Sicherungsmaßnahmen bedürfen der ärztlichen Anordnung und Überwachung. Eine Beobachtung durch Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes ist verboten. Die Beobachtung darf nur durch den Einsatz von Personal erfolgen. Bei Fixierungen sind eine ständige persönliche Bezugsbegleitung sowie die Beobachtung mit kontinuierlicher Kontrolle der Vitalfunktionen sicherzustellen (§ 20).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Bei nicht nur kurzfristigen Fixierungen, die nicht gerichtlich angeordnet worden sind, sind die Betroffenen über die Möglichkeit zu belehren, die Rechtmäßigkeit der Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Bei einer Unterbringung in einem besonderen Raum und einer Fixierung sind deren Anlass, Anordnung, Art, Umfang und Dauer sowie ggf. die o.g. Belehrung zu dokumentieren und dem Verfahrenspfleger, den Verfahrensbevollmächtigten und der gesetzlichen Vertretung des Betroffenen unverzüglich mitzuteilen (§ 20).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Eine Nachbesprechung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs im Rahmen von Unterbringungen in einem besonderen Raum, Festhalten oder Fixierung ist jeweils die Maßnahme anzuwenden, die am wenigsten in die Rechte der Betroffenen eingreift (§ 20).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 18).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (+)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (-)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (+)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 18).

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Zwangsbehandlungen dürfen nur durch die ärztliche Leitung bzw. durch deren Vertretung angeordnet und nur durch Ärzte vorgenommen werden. Die Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung sind durch den behandelnden Arzt zu dokumentieren und nachzubesprechen, sobald es der Gesundheitszustand des Betroffenen zulässt. Zwangsbehandlungen sind unzulässig, wenn sie lebensgefährlich sind oder die Gesundheit des Betroffenen erheblich gefährden. Die Zwangsbehandlung einer volljährigen Person bedarf der vorherigen Zustimmung des zuständigen Gerichts (außer bei Gefahr im Verzug) (§ 18).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja, von einer vorherigen gerichtlichen Entscheidung kann abgesehen werden, wenn diese nicht rechtzeitig erreichbar ist und wenn die Zwangsbehandlung zur Vermeidung einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person oder dritter Personen erforderlich ist. Eine gerichtliche Zustimmung ist für die weitere Zwangsbehandlung unverzüglich zu beantragen, sofern die unmittelbare Lebensgefahr oder schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit andauert oder überwunden ist und die Fortführung der Zwangsbehandlung als weiterhin notwendig angesehen wird (§ 18).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Im Rahmen der Hausordnung dürfen regelmäßig Besuche empfangen werden. Dieses Recht kann nur eingeschränkt werden, um gesundheitliche Nachteile oder erhebliche Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben abzuwehren. Besuche der gesetzlichen Vertretung, der Verfahrenspfleger, der Rechtsanwälte oder Notare der Betroffenen dürfen nicht untersagt werden (§ 22).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Die untergebrachte Person hat im Rahmen der Hausordnung das Recht auf Nutzung von Telekommunikationsmitteln. Dieses Recht kann nur eingeschränkt werden, um gesundheitliche Nachteile oder erhebliche Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben abzuwehren. Telekommunikation mit der gesetzlichen Vertretung, den Verfahrenspflegern, Rechtsanwälten oder Notaren der Betroffenen dürfen nicht untersagt werden. Der Umgang mit Bild-, Video- und Tonaufzeichnungsoptionen ist unter Berücksichtigung der Rechte und des Schutzes Dritter in der Hausordnung zu regeln (§ 22)

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. Um eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer zu vermeiden, können der Schrift- oder Paketverkehr überwacht, angehalten oder verwahrt werden. Weder unterbunden noch überwacht werden darf der Schriftwechsel mit den gesetzlichen Vertretungen, den Verfahrenspflegern, den Verfahrensbevollmächtigten, den Notaren, dem Europäischen Parlament, den Volksvertretungen des Bundes und des Landes, ihren Mitgliedern, dem Träger des Krankenhauses sowie seiner Beschwerdestelle, den zuständigen Behörden, den Gerichten oder Staatsanwaltschaften, dem Bürgerbeauftragten der Europäischen Union, der Europäischen Kommission für Menschenrechte sowie den für die Datenschutzkontrolle zuständigen Stellen (§ 21).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Die ärztliche Leitung kann bis zu zehn Tage Urlaub gewähren. Ein längerer Urlaub darf nur im Einvernehmen mit dem zuständigen Amtsgericht gewährt werden. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden und jederzeit widerrufen werden, insbesondere, wenn Auflagen nicht befolgt werden (§ 25)

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Keine Angaben.

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
In Krankenhäusern sind die Betroffenen in geeigneter Weise über Name, Anschrift, Aufgabenbereich und Sprechstundenzeiten der Mitglieder der Patientenbeschwerdestelle nach § 5 Abs. 1 KHGG NRW zu unterrichten. Sprechstunden sollen bei Bedarf im Bereich des Krankenhauses, in dem die Betroffenen untergebracht sind, stattfinden. Die Beschwerdestelle prüft die Wünsche und Beschwerden der Patienten und trägt sie auf deren Wunsch dem Krankenhausträger und der Besuchskommission vor. Schwerwiegende Mängel teilen sie der Aufsichtsbehörde umgehend mit (§ 24).

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Das für Gesundheit zuständige Ministerium beruft Besuchskommissionen, die mindestens einmal in 12 Monaten unangemeldet die Einrichtungen besuchen. Dabei können Betroffene Wünsche und Beschwerden vortragen. Zusammensetzung der Besuchskommissionen: ein staatlicher Medizinalbeamter der Aufsichtsbehörde oder eine ihnen in ihrer Funktion gleichgestellte öffentlich angestellte Person, ein in der Psychiatrie weitergebildeter Arzt, ein Betreuungsrichter oder ein Beamter oder eine ihnen in ihrer Funktion gleichgestellte öffentlich angestellte Person mit der Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst (§ 23).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Ja, alle Zwangsmaßnahmen nach diesem Gesetz werden in verschlüsselter und anonymisierter Form erfasst und jährlich der Aufsichtsbehörde gemeldet. Meldepflichtige Zwangsmaßnahmen sind (sofortige) Unterbringungen, ärztliche Zwangsmaßnahmen zur Behandlung der Anlasserkrankung und besondere Sicherungsmaßnahmen (§ 32). Zwangsbehandlungen werden monatlich an die Aufsichtsbehörde gemeldet (§ 18)
  • Auswertung: Keine Angaben
  • Öffentliche Berichterstattung: Das für Gesundheit zuständige Ministerium berichtet dem Landtag alle zwei Jahre über Rahmendaten der Unterbringung nach diesem Gesetz (§ 32).

     

mehr erfahren

Bei Fragen sind wir für Sie da. 

DGPPN-Geschäftsstelle 
Wissenschaftlicher Dienst
Reinhardtstraße 29 I 10117 Berlin

T +49 30 2404 772-12
widi@dgppn.de
  

Zum Kontaktformular