Niedersachsen

(vom 16. Juni 1997, zuletzt geändert am 22. September 2022)

Anwendungsbereich des Gesetzes

Für Personen, die eine psychische Krankheit oder eine seelische Behinderung haben oder hatten oder bei denen Anzeichen für eine solche Krankheit oder Behinderung bestehen, wobei psychische Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes auch psychische Störungen von erheblichem Ausmaß mit Krankheitswert sind (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Hilfen sind insbesondere die Vermittlung oder Durchführung frühzeitige und umfassender psychosozialer Beratung und Betreuung sowie frühzeitiger und umfassender medizinischer und psychotherapeutischer Beratung und Behandlung. Die Hilfen sind wohnortnah und soweit wie möglich ambulant zu leisten (§ 6).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Ziel der Hilfen ist es, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben mit Teilhabe an der Gemeinschaft zu ermöglichen und eine erstmalige oder wiederholte Unterbringung zu vermeiden. Durch die Hilfen soll die Eingliederung in das Leben in der Gemeinschaft nach einer stationären psychiatrischen Behandlung oder einer Unterbringung vorbereitet und erleichtert werden (§ 6).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Die Unterbringung einer Person ist nur zulässig, wenn von ihr infolge ihrer psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann (§ 16). Der Zweck der Unterbringung besteht darin, diese Gefahr abzuwenden (§ 19).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Der Landkreis oder die kreisfreie Stadt (§ 17).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Psychiatrische oder kinder- und jugendpsychiatrische Krankenhäuser oder psychiatrische oder kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen von Krankenhäusern (§ 15).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt und die erforderliche Behandlung sichergestellt ist (§ 19). Die untergebrachte Person erhält die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts notwendige medizinische, therapeutische, pflegerische und pädagogische Behandlung und Untersuchung ihrer psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung (§ 21). Die Behandlung und Betreuung sollen die untergebrachte Person befähigen, soweit und sobald wie möglich in ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zurückzukehren (§ 19).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Keine Angaben.

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Eine besondere Sicherungsmaßnahme ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person oder eines Dritten erforderlich ist und die Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen abgewendet werden kann. Eine Fixierung einer einwilligungsfähigen untergebrachten Person durch die (ergänzende) Gabe von Medikamenten ist ohne deren Einwilligung nur zulässig, wenn die Fixierung der Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Dritten erforderlich ist (§ 21c).

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen, Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände, und die Beschränkung der Bewegungsfreiheit zur Ruhigstellung (Fixierung) durch mechanische Vorrichtungen, durch die Gabe von Medikamenten oder durch mechanische Vorrichtungen in Verbindung mit der ergänzenden Gabe von Medikamenten (§ 21c).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung?
Im Fall der Fixierung ist unmittelbar nach deren Beginn eine richterliche Genehmigung einzuholen (§ 21c).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Die zuständigen Ärzte müssen die besonderen Sicherungsmaßnahmen überwachen und fortlaufend überprüfen, ob deren Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Eine persönlich anwesende Pflegekraft muss eine fixierte Person durchgängig beobachten und deren Vitalfunktionen fortlaufend kontrollieren (§ 21c).

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Die durchgeführte Maßnahme ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für die Anordnung, der Art und Weise der Durchführung, ihrer Dauer und der vorgenommenen ärztlichen Überprüfungen zu dokumentieren (§ 21c).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben?
Nein.

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen?
Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, soweit er für die Durchführung einer Schutzmaßnahme erforderlich ist; dabei ist die Anwendung von Waffen ausgeschlossen (§ 12).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§§ 21a, 21b).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (+)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (-)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (-)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§§ 21a, 21b).

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Zwangsbehandlungen zur Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung bedürfen einer gerichtlichen Anordnung (§ 21a). Zwangsbehandlungen zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der untergebrachten Person bedürfen der Anordnung der ärztlichen Leitung (§ 21b). Zwangsbehandlungen sind nach Maßgabe des Inhalts der Beschlussformel des Gerichts, mindestens jedoch unter Angabe der maßgeblichen medizinischen Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu dokumentieren (§§ 21a, 21b).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja, Zwangsbehandlungen sind zulässig, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der untergebrachten Person abzuwehren (§ 21 b).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch?
Ja. Das Recht auf Besuch darf nur eingeschränkt werden, wenn dies erforderlich ist, um gesundheitliche Nachteile für die betroffene Person oder erhebliche Gefahren für die Sicherheit oder ein geordnetes Zusammenleben in der Unterbringungseinrichtung abzuwehren (§ 23).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation?
Sie hat das Recht, Telefonate frei zu führen. Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn durch die Telefonate einen Straftatbestand verwirklicht würde, die Eingliederung der untergebrachten Person nach deren Entlassung gefährdet würde oder der begründete Verdacht vorliegt, dass Suchtstoffe oder Waffen befördert oder Straftaten verabredet werden. Telefonate können überwacht werden, indem ein Beschäftigter der Einrichtung mithört; die untergebrachte Person ist darüber vor Beginn des Telefonats zu unterrichten. Weder eingeschränkt noch überwacht werden dürfen Telefonate mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten, Verfahrenspflegern, Aufsichtsbehörden, dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, der Europäischen Kommission für Menschenrechte, dem Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung einschließlich der Besuchskommissionen und der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes ausländischer Staatsbürger (§ 25).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen?
Sie hat das Recht auf Post- und Fernmeldeverkehr. Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn die Weiterleitung des Post- oder Fernmeldeverkehrs in Kenntnis des Inhalts einen Straftatbestand verwirklichen würde, die Eingliederung der untergebrachten Person nach deren Entlassung gefährden würde oder der begründete Verdacht vorliegt, dass Suchtstoffe oder Waffen befördert oder Straftaten verabredet werden. Weder eingeschränkt noch überwacht werden darf der Schriftverkehr mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten, Verfahrenspflegern, Aufsichtsbehörden, dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, der Europäischen Kommission für Menschenrechte, dem Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung einschließlich der Besuchskommissionen und der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes ausländischer Staatsbürger (§ 25).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden?
Es kann bis zu zwei Wochen Urlaub gewährt werden. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden und jederzeit widerrufen werden, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden (§ 26).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden?
Die Unterbringung soll in gelockerter Form stattfinden, sofern dies der Behandlung dient und kein Missbrauch zu befürchten ist (§ 26).

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben?
Nein.

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben?
Das zuständige Ministerium beruft einen Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung. Dieser bildet Besuchskommissionen für die Krankenhäuser und Einrichtungen. Die Besuchskommissionen besuchen diese in der Regel einmal jährlich, ggf. unangemeldet. Die Krankenhäuser und Einrichtungen müssen den Besuchskommissionen Gespräche mit untergebrachten oder betreuten Personen sowie den Bediensteten ermöglichen. Die Besuchskommissionen sollen Anregungen und Beanstandungen mit der Leitung des Krankenhauses oder der Einrichtung besprechen (§ 30).

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht?

  • Zentrale Datensammlung: Keine Angaben
  • Auswertung: Keine Angaben
  • Öffentliche Berichterstattung: Keine Angaben

     

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