Baden-Württemberg

(vom 1. Januar 2015, zuletzt geändert am 28. Juni 2022)

 

Anwendungsbereich des Gesetzes

Das Gesetz gilt für Menschen, die aufgrund einer psychischen Störung krank oder behindert sind (§ 1).

Hilfen für Patienten

In welcher Art und Weise werden Hilfen für Patienten angeboten?
Zu den angebotenen Hilfen gehören die Beratung, Betreuung, Hinführung zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, die Vermittlung von Hilfen zur Selbsthilfe, Angebote der Sozialen Arbeit sowie ehrenamtliche Hilfen (§ 5).

Welche Ziele sollen durch die Hilfen erreicht werden?
Ziel der Hilfen ist es, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten, die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu fördern und die Maßnahmen entbehrlich zu machen, die die selbstständige Lebensführung und persönliche Freiheit einschränken. Die Hilfen sollen dazu beitragen, dass Erkrankungen und Behinderungen frühzeitig erkannt und behandelt werden (§ 5).

Regelungen zur Unterbringung

Welche Voraussetzungen müssen für eine Unterbringung vorliegen? Welcher Unterbringungszweck ist definiert?
Unterbringungsbedürftig ist, wer infolge einer psychischen Störung im Sinne dieses Gesetzes sein Leben oder seine Gesundheit erheblich gefährdet oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellt, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann (§ 13).

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Unterbringung einzureichen?
Die untere Verwaltungsbehörde oder die anerkannte Einrichtung, sofern sich die Person bereits darin befindet (§ 15).

Welche Einrichtungen sind für die Unterbringung zuständig?
Die Zentren für Psychiatrie, die Universitätskliniken des Landes, das psychiatrische Krankenhaus des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim sowie sonstige durch Regierungspräsidien zugelassene Einrichtungen (§ 14). Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Krankheit und ihrem Entwicklungsstand gesondert untergebracht werden. Die Behandlung soll in hierfür spezialisierten Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie erfolgen. Ausnahmen sind zu begründen (§ 19).

In welcher Form ist der Patient unterzubringen?
Die untergebrachten Personen werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird (§ 19). Sie haben Anspruch auf die notwendige Behandlung (§ 20). Dabei soll die Behandlung der Anlasserkrankung die Selbstbestimmungsfähigkeit der Person soweit wie möglich wieder herstellen, um ihr ein möglichst selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen (§ 20).

Ist eine offene Unterbringung vorgesehen?
Keine Angaben.

Regelungen zum Umgang mit Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Unter welchen Voraussetzungen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig?
Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der Einrichtung besteht, insbesondere bei erheblicher Selbstgefährdung, der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter oder wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, und dieser Gefahr nicht mit weniger eingreifenden Mitteln begegnet werden kann. (§ 25)

Welche Sicherungsmaßnahmen sind zulässig?
Die Beschränkung und der Entzug des Aufenthalts im Freien, die Wegnahme oder Vorenthaltung von Gegenständen, die Absonderung in einem besonders gesicherten Raum, die Fixierung und das Festhalten anstelle der Fixierung (§ 25).

Bedürfen diese Maßnahmen einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung? 
Fixierungen, die nicht nur kurzfristig dauern werden, sind nur nach vorheriger richterlicher Anordnung zulässig. Dies gilt nicht bei Gefahr im Verzug; dann muss die Einrichtung unverzüglich eine nachträgliche richterliche Genehmigung beantragen, außer wenn bereits eindeutig absehbar ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall der Gefahr ergehen wird oder die Fixierung vor Erlangung der Entscheidung beendet sein wird und keine Wiederholung zu erwarten ist (§ 25).

Wie ist der Patient bei der Anwendung von Sicherungsmaßnahmen zu überwachen?
Bei Absonderung in einem besonders gesicherten Raum: engmaschige Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sowie ärztliche Kontrolle in erforderlichem Maß. Bei Fixierung: grundsätzlich Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sowie ärztliche Kontrolle in erforderlichem Maß. (§ 25)

Wie sind diese Maßnahmen zu dokumentieren?
Anordnung, Begründung, Art der Überwachung und Beendigung der besonderen Sicherungsmaßnahme sowie ggf. die Nachbesprechung und der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung sind zu dokumentieren (§ 25).

Ist eine Nachbesprechung vorgeschrieben? 
Ja, sobald es der Zustand der untergebrachten Person zulässt, ist bei Absonderung in einem besonders gesicherten Raum, Fixierung oder Festhalten anstelle der Fixierung, eine Nachbesprechung durchzuführen. Nach der Beendigung einer Fixierung muss das ärztliche Personal die Person auf die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung von deren Zulässigkeit hinweisen (§ 25).

Welche Voraussetzungen müssen für unmittelbaren Zwang vorliegen? 
Unmittelbarer Zwang gegen eine untergebrachte Person darf nur angewandt werden, wenn diese zur Duldung der Maßnahme verpflichtet ist. Unmittelbarer Zwang muss angedroht werden. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn der Zwang sofort angewendet werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs muss verhältnismäßig sein (§ 25).

Regelungen zu Zwangsbehandlungen

Welche Voraussetzungen müssen für die Zwangsbehandlung vorliegen?

  • Einsichtsunfähigkeit und/oder Steuerungsunfähigkeit (+)
  • Einwilligungsunfähigkeit (+)
  • Erreichbarkeit des Behandlungsziels (+)
  • Ultima ratio (+)
  • Überzeugungsversuche (+)
  • Positive Kosten-Nutzen-Abwägung (+)
  • Richtervorbehalt (+)
  • (§ 20).

Ist eine Zwangsbehandlung zur Erreichung der folgenden Ziele unter Umständen erlaubt?

  • Behandlung einer interkurrenten Erkrankung (Begleiterkrankung) (-)
  • Wiederherstellung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsfähigkeit (+)
  • Beseitigung der Notwendigkeit der Unterbringung (+)
  • Abwehr einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gesundheitsgefahr (+)
  • Abwehr einer Fremdgefährdung (+)
  • Sicherstellung der Ordnung und Sicherheit (-)
  • (§ 20). 
     

Gibt es weitere formale Durchführungsbestimmungen?
Eine Zwangsbehandlung darf nur auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Der Arzt muss den Patienten angemessen aufklären und versuchen, dessen Zustimmung zu erreichen. Eine Zwangsbehandlung ist nur auf Antrag der Einrichtung mit vorheriger Zustimmung des Betreuungsgerichts zulässig. Behandlungsmaßnahmen sind zu dokumentieren, einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung. Eine Nachbesprechung ist durchzuführen und zu dokumentieren. Eine wirksame Patientenverfügung ist zu beachten. Schließt sie eine Zwangsbehandlung aus, geht die Patientenverfügung vor, außer in Fällen von gegenwärtiger erheblicher Fremdgefährdung (§ 20).

Sind Zwangsbehandlungen bei Gefahr im Verzug zulässig?
Ja. Eine vorherige Zustimmung des Betreuungsgerichts ist nicht notwendig, wenn dadurch die Behandlung zur Abwendung einer Lebensgefahr oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person verzögert würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden (Gefahr im Verzug). Die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich herbeizuführen, sobald die untergebrachte Person mit dem Ziel weiterbehandelt wird, die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung so weit als möglich wiederherzustellen (§ 20).

Regelungen zu sozialen Aspekten, Leben und Ordnung in der Einrichtung

Hat die untergebrachte Person ein Recht auf Besuch? 
Ja, die untergebrachte Person hat das Recht, Besuch zu empfangen, soweit es ihr Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht gestört wird (§ 21).

In welchem Rahmen hat die untergebrachte Person Zugang zu Telekommunikation? 
Die untergebrachte Person hat das Recht auf Telefongespräche auf eigene Kosten, soweit es ihr Gesundheitszustand gestattet und die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung nicht gestört wird (§ 21).

Darf die untergebrachte Person Schrift- und Paketverkehr führen? 
Ja. Schrift- und Paketverkehr darf nur eingesehen werden, wenn dies erforderlich ist, um den Gesundheitszustand der untergebrachten Person ärztlich zu beurteilen, oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung von Schreiben oder Paketen der untergebrachten Person gesundheitlichen Schaden oder andere erhebliche Nachteile zufügen, den Zweck der Unterbringung gefährden oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährden könnte. Nicht geöffnet und nicht zurückgehalten werden darf Schriftverkehr der untergebrachten Person mit ihrer gesetzlichen Vertretung, ihrer Verteidigung oder ihren bevollmächtigten Rechtsanwälten, ihrer vorsorge- oder generalbevollmächtigten Person, mit Beschwerdestellen, Behörden oder Gerichten, mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie den Aufsichtsbehörden nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes, mit einer Volksvertretung des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern, mit dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und mit weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, sowie bei ausländischen Staatsangehörigen mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes (§ 22).

Darf der untergebrachten Person Urlaub zur Belastungserprobung gestattet werden? 
Bis zu vier Wochen Belastungserprobung kann gewährt werden; diese kann jederzeit widerrufen werden, insbesondere wenn Auflagen nicht befolgt werden (§ 23).

Darf der untergebrachten Person Ausgang gewährt werden? 
Eine stundenweise Erprobung unter Aufsicht ist zulässig (§ 23). 

Sicherstellung von Patientenrechten

Ist ein Patientenfürsprecher, an den sich Patienten und Angehörige wenden können, vorgeschrieben? 
Die Stadt- und Landkreise bestellen unabhängige Patientenfürsprecher als Teil einer Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle. Die Patientenfürsprecher prüfen Anregungen und Beschwerden von Patienten und deren Angehörigen und wirken in Zusammenarbeit mit den Betroffenen auf eine Problemlösung hin (§ 9).

Sind Besuchskommissionen vorgeschrieben? 
Eine Besuchskommission ist vorgeschrieben, die mindestens alle drei Jahre die anerkannten Einrichtungen besuchen soll. Zusammensetzung: ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, ein Gesundheits- und Krankenpfleger mit Berufserfahrung im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie, ein Psychologischer Psychotherapeut, ein Betreuungsrichter bzw. beim Besuch einer Einrichtung für Kinder und Jugendpsychiatrie ein Familienrichter, eine Vertretung der Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen, eine Vertretung der Psychiatrie-Erfahrenen und eine Vertretung der Angehörigen (§ 27). 

Reporting und Monitoring

Werden Daten zur Unterbringung und zu Zwangsmaßnahmen zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht? 

  • Zentrale Datensammlung: Ja, die Ombudsstelle auf Landesebene sorgt landesweit für die Zentrale Datensammlung von Unterbringungs- und Zwangsmaßnahmen innerhalb anerkannter Einrichtungen in verschlüsselter Form in einem Melderegister. Die anerkannten Einrichtungen sind verpflichtet, unter Wahrung des Gebots der Schweigepflicht der Angehörigen der Heilberufe sowie der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die zur Erfassung der Maßnahmen erforderlichen Auskünfte in verschlüsselter Form zu erteilen (§ 10).
  • Auswertung: Ja, die Daten werden ausgewertet (§ 10).
  • Öffentliche Berichterstattung: Ja, die Ombudsstelle berichtet dem Landtag mindestens einmal in der Legislaturperiode (§ 10).  
     

     

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