12.11.2021 | Stellungnahme

Zum Änderungsentwurf des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit nimmt die DGPPN als größte wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft im Bereich der psychischen Erkrankungen in Deutschland Stellung zum o. g. Gesetzentwurf (Drs. 18/10076) und bittet, diese Anregungen in den weiteren Beratungen zu berücksichtigen.

Der Entwurf zielt u. a. darauf ab, den zunehmenden Mangel an Ärzten dadurch zu beheben, dass die Position der Vollzugsleitung für Psychologische Psychotherapeuten geöffnet wird. Die Gesamtverantwortung für das forensisch-psychiatrische Krankenhaus läge dann nicht mehr bei einem Arzt. Dies entspräche einer konzeptuellen Annäherung an die Justizvollzugsanstalten und eine Abwendung vom Grundgedanken des § 63 StGB zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Aus Sicht der DGPPN birgt dies die Gefahr eines immensen Qualitätsverlusts. Denn die Forensische Psychiatrie braucht wie jede medizinische Einrichtung eine ärztliche Leitung, weil es sich bei nach § 63 StGB Untergebrachten in aller Regel um Menschen handelt, die von schweren Krankheiten, v. a. Psychosen, betroffen sind.

Der Mangel an Ärzten darf kein Grund für so grundlegende konzeptionelle Änderungen sein. Hier wären Maßnahmen der Personalgewinnung, verbesserte Arbeitsbedingungen nicht nur für Ärzte und eine stärkere therapeutische Ausrichtung vorrangig. Wenn dies nicht gewünscht oder faktisch auf breiter Front nicht möglich ist, dann stellen sich sehr grundlegende Fragen zu Zielen und zur Gestaltung des Maßregelvollzugs, die womöglich die Behandlung der Betroffenen weit in den Hintergrund drängen würden. Dies würde unseres Erachtens einer freien und humanen Gesellschaft nicht gut zu Gesicht stehen.

In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, die rechtlichen und (medizin-)ethischen Rahmenbedingungen und die gesellschaftlichen Erwartungen im Umgang mit Patienten mit psychischen Störungen grundsätzlich verändert. Aus der Sicht der wissenschaftlichen Fachgesellschaft ist deshalb eine grundlegende Überarbeitung des Maßregelrechts dringend geboten.

Mit freundlichen Grüße

Prof. Dr. Thomas Pollmächer und Prof. Dr. Jürgen L. Müller
Präsident                                            Vorstand

 

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