Psychiatrie und Psychotherapie mit Migrantinnen und Migranten

Deutschland hat 2022 rund 1,2 Millionen Schutzsuchende aufgenommen – die meisten von ihnen aus der Ukraine. Aufgrund traumatischer Erfahrungen im Krieg und auf der Flucht haben viele von ihnen Bedarf an psychiatrisch-psychotherapeutischer Beratung, Diagnostik und Behandlung. Keine leichte Aufgabe für das deutsche Versorgungssystem. Auch viele der schon länger hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund haben besondere Ansprüche an das psychiatrisch-psychotherapeutische System. Wenn sie psychisch erkranken, benötigen sie eine Versorgung, die sich auf ihre besondere Lebenssituation einstellt. 

Prof. Dr. Meryam Schouler-Ocak
Leiterin des DGPPN-Referats „Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie, Migration“:

„Personen mit Migrations- und Fluchthintergrund sind inzwischen eine nicht mehr zu vernachlässigende Größe in unserem psychiatrisch-psychotherapeutischen Gesundheitssystem. Wir müssen uns auf diese sehr vulnerable, also besonders verletzliche, Gruppe einstellen. Mitunter unterscheiden sie sich deutlich von den Patientinnen und Patienten, denen Psychiaterinnen und Psychiater in ihrer Ausbildung begegnen. Die Betroffenen haben vielfach andere Erklärungsmodelle für Beschwerden, abweichende Behandlungserwartungen und unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umgangs mit psychischen Erkrankungen. Diese Unterschiede muss man kennen, wenn man Betroffene erfolgreich behandeln möchte.

Um Personen mit Migrations- und Fluchthintergrund aber überhaupt den Zugang zur Psychotherapie zu ermöglichen, müssen sprach- und kulturgebundene Barrieren abgebaut werden. Eine Voraussetzung dafür ist die Möglichkeit, für Diagnostik und Behandlung professionell qualifizierte Dolmetscherinnen und Dolmetscher hinzuziehen. Die Kosten dafür sollten die Krankenkassen tragen. Nur so kann interkulturelle Kommunikation gewährleistet werden. Denn Sprache ist das Hauptarbeitsinstrument der Psychiatrie und Psychotherapie.

Darüber hinaus sind die interkulturelle Kompetenz der im Gesundheitssystem Arbeitenden und die interkulturelle Öffnung der Einrichtungen wichtige Voraussetzungen für eine gute Versorgung dieser Patientinnen und Patienten.

Die DGPPN bietet auf ihrem jährlichen Kongress zahlreiche Veranstaltungen aus diesem Themenbereich an. Darüber hinaus organisiert das Referat 'Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie, Migration' der DGPPN kontinuierlich national und international Aktivitäten und Weiterbildungen und bringt sich mit Stellungnahmen und Positionspapieren in aktuelle Debatten ein.“

Literatur
  • Graef-Calliess I, Schouler-Ocak M (2017) Migration und Transkulturalität – Neue Aufgaben in Psychiatrie und Psychotherapie. Schattauer, Stuttgart
  • Sieberer, M et al (2018) Praxis der interkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie, Migration und psychische Gesundheit. Urban & Fischer Verlag/Elsevier, München
  • Schouler-Ocak M (2015) Trauma and Migration. Cultural Factors in the Diagnosis and Treatment of Traumatised Immigrants. Springer, Berlin, Heidelberg
  • Van Bergen D, Heredia Montesinos A, Schouler-Ocak M (2014) Suicidal Behavior of Immigrants and Ethnic Minorities in Europe. Hogrefe, Göttingen

DGPPN-Expertin: Prof. Dr. Meryam Schouler-Ocak

Die Professorin für Interkulturelle Psychiatrie leitet das DGPPN-Referat „Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie, Migration“. Sie arbeitet an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus und ist Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosoziale Gesundheit.


Stand: November 2023

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