24.11.2020 | Stellungnahme

DVPMG: Für eine digitale Modernisierung von Versorgung und Pflege

Die DGPPN begrüßt den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege. Insbesondere der geplante Ausbau der Videobehandlung und der Kommunikation im Medizinwesen sind hinsichtlich einer sektorenübergreifenden, patientenorientierten Versorgung unterstützenswert. Kritisch bewertet die DGPPN die weiterhin mangelhaften Anforderungen an die Evidenz von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Die geplante Verlängerung der Erprobungsphase innerhalb der Regelversorgung auf 24 Monate erhöht das Risiko für die Patienten.

Die DGPPN begrüßt den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege. Insbesondere der geplante Ausbau der Videobehandlung und der Kommunikation im Medizinwesen sind hinsichtlich einer sektorenübergreifenden, patientenorientierten Versorgung unterstützenswert. Kritisch bewertet die DGPPN die weiterhin mangelhaften Anforderungen an die Evidenz von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Die geplante Verlängerung der Erprobungsphase innerhalb der Regelversorgung auf 24 Monate erhöht das Risiko für die Patienten.

Im Folgenden nimmt die DGPPN Stellung zu den einzelnen Inhalten des Referentenentwurfs des BMG für ein Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege:

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

 

1. Artikel 1, Änderung Nr. 3 des SGB V: § 33a
Der Gesetzesentwurf sieht vor, eine Kooperation von Vertragsärzten mit DiGA-Herstellern zum Zweck der Überweisung zu untersagen. 

DGPPN-Position
Die DGPPN begrüßt, dass ein professionelles Vertriebssystem für DiGA unterbunden werden soll.

 

2. Artikel 1, Änderung Nr. 11 des SGB V: § 139e Absatz 4
Der Erprobungszeitraum einer DiGA kann von 12 auf insgesamt 24 Monate verlängert werden, wenn die Nachweisführung für medizinischen Nutzen oder positive Versorgungseffekte vorher nicht möglich war.

DGPPN-Position
Die DGPPN kritisiert die Möglichkeit einer vorläufigen Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis und empfiehlt deshalb eine Streichung von Artikel 1, Änderung des SGB V, Nr. 11, Buchstabe c. Auch die Anforderungen für die dauerhafte Aufnahme sind aus Sicht der DGPPN zu gering. Der medizinische Nutzen und der positive Versorgungseffekt müssten in mindestens einer randomisiert-kontrollierten Studie nachgewiesen sein, bevor eine DiGA in die Regelversorgung kommt. Andernfalls wird der Grundsatz der evidenzbasierten Medizin in Deutschland untergraben.

 

3. Artikel 1, Änderung Nr. 11 des SGB V: § 139e, Absatz 9 Satz 1; Änderung Nr. 34 des SGB V: § 342 Absatz 2; Änderung Nr. 36 des SGB V: § 351 Absätze 2 und 3
Die Krankenversicherung soll sicherstellen, dass nach Einwilligung und auf Antrag des Versicherten, Daten aus der DiGA in die elektronischen Patientenakte übermittelt und dort gespeichert werden können. Dazu sollen auch DiGA-Anbieter an die Telematikinfrastruktur des Gesundheitswesens angebunden werden.

DGPPN-Position
Die DGPPN befürwortet die angestrebte Verknüpfung von DiGA-Informationen zur elektronischen Patientenakte auf freiwilliger Basis. 4.  

 

4. Artikel 1, Änderung Nr. 11 des SGB V: § 139e Absatz 9 Satz 1
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll ab 01.06.2022 eine Prüfung und ein Zertifikat als Nachweis der Erfüllung an die Datensichert von DiGA anbieten. Dieses soll ein Jahr später eine verpflichtende Anforderung für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis werden.

DGPPN-Position
Die DGPPN begrüßt die geplante Korrektur des Digitale-Versorgung-Gesetzes, indem eine externe Prüfung der Datensicherheit bei DiGA verpflichtend wird. Ein Verlass auf die Selbstauskunft der DiGA-Hersteller, wie bisher der Fall, ist nicht im Sinne der Patientensicherheit. 

 

5. Artikel 5, Änderung Nr. 3 des SGB V: § 203 Absatz 1
Der Gesetzesentwurf sieht vor eine Schweigepflicht für Angehörige eines Unternehmens das digitale Gesundheitsanwendungen herstellt, einzuführen.

DGPPN-Position
Die DGPPN befürwortet die Ausweitung der Schweigepflicht auf DiGA-Hersteller zum Schutz der Patientendaten.

Videosprechstunde

 

1. Artikel 1, Änderung Nr. 4 des SGB V: § 75
Der Referentenentwurf sieht vor, dass die Terminservicestellen die Versicherten zukünftig auch bei der Suche nach einem geeigneten telemedizinischen Angebot unterstützen. Die Vertragsärzte bekommen dazu die Möglichkeit Videosprechstunden an die KBV bzw. die Terminservicestellen zum Zweck der Vermittlung auf freiwilliger Basis zu melden. KVen sollen auch im Rahmen des Notdienstes, außerhalb der Sprechstundenzeiten telemedizinische Leistungen anbieten.

DGPPN-Position
Die DGPPN begrüßt die Erweiterung der Möglichkeiten für telemedizinische Leistungen wie der Videosprechstunde auf die Notdienste und die Vermittlung der Videosprechstunden über die Terminservicestellen. 

 

2. Artikel 1, Änderung Nr. 5 des SGB V: § 87 Absatz 2a
Der Referentenentwurf sieht vor, dass der Bewertungssauschuss kontinuierlich neue Leistungen im Rahmen der telemedizinischen Behandlungsmethoden prüft und die Vergütung gewährleistet.

DGPPN-Position
Die DGPPN befürwortet die regelmäßige Anpassung der Vergütung an die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von DiGA, elektronischer Patientenakte und weiterer digitaler Kommunikations- und Versorgungsangebote. Der damit verbundene zeitliche und monetäre Aufwand für die Vertragsärzte muss angemessen entlohnt werden. 
 

3. Artikel 1, Änderung Nr. 5 des SGB V: § 87 Absatz 2a
Insbesondere soll der Bewertungsausschuss beauftragt werden die Erbringung von Gruppenpsychotherapie über Videosprechstunde zu berücksichtigen. Die Obergrenze für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen via Videosprechstunde soll von 20 % auf 30% im Quartal angehoben werden.

DGPPN-Position
Die DGPPN begrüßt die neue Möglichkeit von Gruppenpsychotherapie über Videosprechstunde. Dabei sind jedoch hohe Ansprüche an Datenschutz und Durchführung zu stellen, da die Gruppenpsychotherapie per Video hier besonders anfällig ist. Auch die Anhebung der Obergrenze für videobasierte Leistungen pro Quartal wird begrüßt. Grundsätzlich sollte zu jeglichem Zeitpunkt der psychotherapeutischen Behandlung der Einsatz von Videodiensten flexibel möglich und abrechenbar sein, ohne dass ein finanzieller Nachteil für den Leistungserbringer entsteht. Hierzu kann es notwendig sein, dass die Obergrenze weiter angehoben oder aufgehoben werden muss. Allerdings steht die DGPPN einer regelmäßigen und ausschließlichen Fernbehandlung bzw. reinen „Videokliniken” und “Videopraxen“ sehr kritisch gegenüber. Am Anfang einer Behandlung muss immer eine persönliche umfassende Diagnostik stehen, um der medizinischen Sorgfaltspflicht zu genügen. Ausnahmen hiervon sind in Notfällen und Kontaktbeschränkungen möglich, in denen die persönliche Untersuchung und Diagnostik dann unverzüglich nachzuholen ist. Auch im Verlauf längerer Behandlungen sollten in regelmäßigen Abständen persönliche Konsultationen stattfinden. Aus diesem Grund wird die klare Definition von Sorgfaltspflichten (z. B. Quartalsweise oder pro Behandlungsfall mindestens ein vor-Ort Termin) als sinnvoller betrachtet als eine reine Quotenregelung (%-Angabe der Leistungen).
 

4. Artikel 1, Änderung Nr. 6 des SGB V: § 92 Absatz 4a
In einfach gelagerten Erkrankungsfällen und im Sinne des Infektionsschutzes soll die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Videosprechstunde erfolgen können.

DGPPN-Position
Die DGPPN begrüßt, dass zukünftig in geeigneten Fällen auch im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit möglich wird.
 

5. Artikel 1, Änderung Nr. 47 des SGB V: § 370a
Kassenärztlichen Vereinigungen (KBV) werden beauftragt, eine bundesweit nutzbare zentrale Vermittlungsstruktur bereitzustellen, in der Versicherte Termine der Videosprechstunde buchen können (innerhalb und außerhalb der Sprechzeiten). Diese soll mit dem derzeitigen e-Terminservice der Terminservicestellen kompatibel sein. Die KBV soll diese Daten Dritten, die Gesundheitsinformationen anbieten, wie Fachgesellschaften oder Selbsthilfeorganisationen, per Schnittstelle, gegen Gebühr zur Verfügung stellen. Vertragsärzte können dieser Weitergabe widersprechen.

DGPPN-Position
Die DGPPN unterstützt die Bündelung und Vermittlung von digitalen Angeboten und die Möglichkeit, auf diese Angebote hinzuweisen. 

Weiterentwicklung der Kommunikation im Medizinwesen und der Telemedizin

 

1. Artikel 1, Änderung Nr. 7 des SGB V: § 105 Absatz 1a
Geplant ist, Mittel aus dem Strukturfonds der Krankenversicherungen, zur „Förderung telemedizinischer Versorgungsformen und Kooperationen“ zu nutzen, ohne dass dies weiter spezifiziert wird.

DGPPN-Position
Die DGPPN betrachtet eine Finanzierung der in der Begründung zum Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Posten wie Kostenübernahme von Software ergänzend zum Praxisverwaltungssystem, Zuschüsse für die Einrichtung von Videobehandlungsplätzen, Finanzierung von Informations- Beratungs- und Fortbildungsangeboten zur Nutzung und Anwendungsmöglichkeiten der Telematikinfrastruktur und der elektronischen Patientenakte etc., durch den Strukturfonds als notwendig. Eine verbindliche Gesetzesvorgabe hierzu wäre begrüßenswert.
 

2. Artikel 1, Änderung Nr. 22 des SGB V: § 312
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass bis April 2022 die Voraussetzungen für die Einführung einer sicheren, interoperablen und nicht-kartengebundenen digitalen Identität für Versicherte und Leistungserbringer geschaffen werden. Über diese soll u.a. die Authentifizierung bei Videobehandlung, das Einlösen einer Verordnung in der Apotheke und der Versichertennachweis möglich sein. Die von der gematik bereitgestellten „sicheren Verfahren zur Übermittlung medizinischer Daten“ sollen ab 01.09.2013 auch den Austausch „in Form von Text, Dateien, Ton und Bild, auch als Konferenz mit mehr als zwei Beteiligten ermöglichen“. In der Begründung zum Gesetzesentwurf wird zusätzlich die Videokommunikation eingeschlossen. Dabei soll die Kommunikation zwischen

  • Versicherten (oder deren Vertretern) und den Leistungserbringern oder Leistungserbringerinstitutionen,
  • Leistungserbringern untereinander,
  • Versicherten (oder deren Vertretern) und den Krankenkassen oder Unternehmen der privaten Krankenversicherung, sowie
  • Versicherten (oder deren Vertretern) untereinander ausschließlich zum Austausch von Informationen nach § 360 Absatz 8

ermöglicht werden. Das neue „Instant-Messaging“ soll eine sicherer, ortsunabhängige, mobile, asynchrone Kommunikation zwischen den Beschäftigten im Gesundheitswesen, z.B. von Ärzten untereinander oder von Pflegekräften untereinander, als auch zwischen Beschäftigten im Gesundheitswesen und Patienten ermöglichen.

DGPPN-Position
Die DGPPN steht dieser geplanten sicheren Kommunikationsmöglichkeit positiv gegenüber. Insbesondere die Möglichkeit niedrigschwelliger Kommunikation der Leistungserbringer untereinander kann die sektoren- und berufsgruppenübergreifende Versorgung im Sinne des Patienten deutlich verbessern. 

Stellungnahme zum Download [PDF, 1MB]

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