11.06.2019 | Stellungnahme

Zum Beschlussentwurf des G-BA für eine Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik

Die DGPPN lehnt den vorliegenden Richtlinienentwurf in seiner gegenwärtigen Form grundsätzlich ab, da er den gesetzlichen Auftrag zu qualitätsbezogenen und leitliniengerechten Personalmindestvorgaben nicht erfüllt. Es wird gefordert, die Richtlinie mit verbindlichem Zeitplan weiterzuentwickeln, die zugrundeliegenden Minutenwerte sofort gemäß der aktuellen ethischen, medizinischen und rechtlichen Standards aufzuwerten und die flächendeckende regionale Krankenhausversorgung nicht durch kontraproduktive Sanktionen zu gefährden.

Die DGPPN lehnt den vorliegenden Richtlinienentwurf in seiner gegenwärtigen Form grundsätzlich ab, da er den gesetzlichen Auftrag zu qualitätsbezogenen und leitliniengerechten Personalmindestvorgaben nicht erfüllt. Es wird gefordert, die Richtlinie mit verbindlichem Zeitplan weiterzuentwickeln, die zugrundeliegenden Minutenwerte sofort gemäß der aktuellen ethischen, medizinischen und rechtlichen Standards aufzuwerten und die flächendeckende regionale Krankenhausversorgung nicht durch kontraproduktive Sanktionen zu gefährden.
Hintergrund

Seit dem Jahr 1991 erfolgt die Personalbemessung für die Psychiatrie und Psychotherapie sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach den Bestimmungen der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV). Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG, in Kraft 1.1.2017) verliert die Psych-PV ihre Gültigkeit zum 31.12.2019. Sie kann die heutigen medizinischen und menschenrechtlichen Standards nicht mehr gewährleisten und auch die pauschalierte Finanzierung der Psychosomatischen Medizin die Versorgungssituation nicht mehr adäquat abbilden.

In der Folge wurde der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gesetzlich beauftragt, in seinen Richtlinien geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung festzulegen (§ 136a Abs. 2 SGB V). 

Daher sollen die vom G-BA im Rahmen der Richtlinien festzulegenden „Mindestvorgaben zur Personalausstattung“ möglichst „evidenzbasiert“ sein und in der Nachfolge der Psych-PV „zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen“ (amtliche Begründung, PsychVVG). 
Die Richtlinie muss bis zum 30.9.2019 verabschiedet und dem BMG vorgelegt werden.
Der Projektplan des G-BA aus dem Jahr 2016 sah vor, dass die neue Richtlinie (1.) unter Berücksichtigung der Vorgaben der Psych-PV, (2.) auf Basis einer empirischen Studie zur Personalausstattung in den Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik in Deutschland, (3.) einer Reihe von Fachexpertengesprächen und (4.) einer umfangreichen Leitlinienanalyse erarbeitet wird.

Der G-BA hat im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Stellungnahmeverfahrens am 17. Mai 2019 den Entwurf einer Richtlinie einschließlich des Entwurfs der Tragenden Gründe vorgelegt. 

In den Tragenden Gründen der „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ wird nun eingeräumt, dass auf Basis der empirischen Studie, der Fachexpertengespräche und der Leitlinienanalyse „keine evidenzbasierte Ableitung von konkreten Personalzahlen“ möglich gewesen sei. Man sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dass die Psych-PV „derzeit der einzige existierende Standard ist, der empirisch hergeleitet konkrete Personalzahlen für alle Berufsgruppen vorgibt und sich in der Praxis prinzipiell bewährt hat“ (Tragende Gründe, Seite 3). Die Psych-PV werde deshalb in Mindestvorgaben zur Personalausstattung überführt.

Grundlegende Bewertung des Richtlinienentwurfs

Der vom G-BA vorgelegte Richtlinienentwurf wird in seiner gegenwärtigen Form grundsätzlich abgelehnt, da er den gesetzlichen Auftrag gemäß § 136a Abs. 2 SGB V nicht erfüllt. 

Bezug auf Versorgungsqualität und Leitlinien fehlt
Während der gesetzliche Auftrag die Sicherstellung der Qualität in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung in den Vordergrund gestellt hat, fehlt der Bezug zur Versorgungsqualität und zu den Leitlinien im vorliegenden Richtlinienentwurf vollständig. Die Vorstellungen der Partner der Selbstverwaltung (hier: DKG und GKV-SV) hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Mindestvorgaben divergieren zwar beträchtlich, fest steht jedoch, dass keine Mindestvorgaben definiert werden konnten, die zu einer leitliniengerechten Versorgung beitragen. Denn mit der Entscheidung, die veraltete Psych-PV quantitativ und strukturell völlig unverändert in Mindestvorgaben zu überführen, wird der Bezug auf Empirie und Evidenz ersatzlos aufgegeben.

Keine strukturellen Veränderungen
Die jetzt vorgeschlagene Lösung bringt keine qualitativen und strukturellen Verbesserungen der Versorgungssituation. Eine notwendige zweite Stufe, die strukturelle Veränderungen der Personalbemessung umfassen muss, wird bislang nicht verbindlich festgeschrieben. Es besteht somit die konkrete Gefahr, dass der Entwicklungsprozess mit der ersten Stufe endet.

„Personaluntergrenze“ statt qualitätsbezogener Personalmindestvorgaben
Folgt man den Vorschlägen der Krankenkassen, so sollen die zukünftigen Minutenwerte keine Personalmindestausstattung, sondern eine „Personaluntergrenze“ darstellen, bei deren Unterschreitung ein Leistungsausschluss erfolgt. Die vorgeschlagenen Minutenwerte sind gegenüber den bisherigen Werten der Psych-PV nicht verändert, obwohl es dafür eindeutige Hinweise gibt. 

Gesetzliche Vorgaben werden nicht berücksichtigt
Zusammenfassend entspricht der Richtlinienentwurf in wesentlichen Punkten nicht den politischen und gesetzlichen Vorgaben. Die dringend erforderliche Qualitätssicherung für die psychiatrische und psychosomatische Versorgung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Es steht zu befürchten, dass es im Gegenteil zu einer gravierenden Beeinträchtigung der aktuellen Ansätze zur Weiterentwicklung der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung kommt und die Versorgung sich perspektivisch verschlechtern wird.

Substanzielle Veränderungen sind erforderlich
Aus Sicht der DGPPN sind deshalb substanzielle Änderungen der Richtlinie unabdingbar:

1. Verbindliche Weiterentwicklung der Richtlinie 
Es ist festzuschreiben, dass die Richtlinie in der ersten Stufe nur eine Übergangslösung beschreibt und mit einem verbindlichem Zeitplan zu einem zukunftsfähigen Personalbemessungsinstrument  weiterentwickelt wird, welches geeignet ist, eine leitliniengerechte Versorgung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken zu garantieren.

2. Anpassung der Personalmindestvorgaben an die aktuellen ethischen, medizinischen und rechtlichen Standards
Die Psych-PV kann zwar als Grundlage der übergangsweisen Personalmindestvorgaben dienen, ihre Vorgaben müssen aber sofort quantitativ an die durch die Leitlinien vorgegebenen aktuellen ethischen, medizinischen und rechtlichen Standards angepasst werden. Es ist eine lineare Erhöhung der Minutenwerte vorzunehmen, um der Weiterentwicklung der Versorgung der letzten 30 Jahre gerecht zu werden. 

3. Differenzierung zwischen „Mindestvorgaben“ und „Untergrenze“
Die Richtlinie muss zwischen an der erforderlichen Qualität ausgerichteten Personalmindestvorgaben und einer zur Gewährleistung der Patientensicherheit erforderlichen Personaluntergrenze differenzieren.

4. Unterstützung bei der Erfüllung der Personalmindestvorgaben statt Sanktionen
Statt ökonomischer Sanktionen, welche die flächendeckende regionale Versorgung grundlegend gefährden, muss ein differenziertes und auf die Erreichung der Qualität ausgerichtetes System von Maßnahmen vorgesehen werden, welche die Kliniken angesichts von hohen Ausfallquoten und Nachwuchsmangel bei der Erfüllung der Mindestvorgaben unterstützen.

Stellungnahme im Einzelnen
Neben den einführend dargelegten grundlegenden Überlegungen zu dem Richtlinienentwurf werden im Folgenden einzelne Punkte der Richtlinie kommentiert.

Konkrete Änderungsvorschläge sind den jeweiligen Punkten zugeordnet. 

 

1. Verbindliche Weiterentwicklung der Richtlinie 
An folgenden Stellen sind Änderungen notwendig, um eine verbindliche Weiterentwicklung der Richtlinie zu erreichen. 

§ 1 Zweck, Ziele und Anwendungsbereich
Im § 1 Zweck, Ziele und Anwendungsbereich, Absatz 3 muss wie folgt formuliert werden:
„Diese Richtlinie stellt die erste Stufe einer gemäß § 136a Abs. 2 SGB V vorzulegenden Richtlinie dar. Die erforderliche Entwicklung eines zukunftsfähigen Konzeptes zur Personalbemessung, das die Qualität in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung sichert, ist verbindlich in einer zweiten Stufe vorgesehen, die spätestens zum 1.1.2025 in Kraft tritt. Die aus dieser Richtlinie zunächst resultierenden Personalvorgaben gestalten somit nur den Übergang in die zweite Stufe und gelten deshalb bis längstens zum 31. Dezember 2024.“

Bezüglich des neu zu entwickelnden Systems der Personalbemessung ist § 13 Abs. 3 der RL wie folgt zu formulieren:

„(3) Darüber hinaus beschließt der G-BA bis spätestens zum 30. September 2024 ein neues Konzept zur Ausgestaltung der Personalmindestvorgaben, welches die Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 bis 5 ersetzt. Das Konzept muss geeignet sein, den individuellen patientenbezogenen Behandlungsbedarf ausreichend differenziert zu erfassen, eine sachgerechte Differenzierung zwischen patientenbezogenem, auf das Setting und die Institution bezogenem Bedarf zu ermöglichen sowie zu einer setting-übergreifenden Personalausstattung beizutragen.“

§ 13 DKG / § 18 (GKV-SV) / § 20 (PatV) Anpassung der Richtlinie 
Bzgl. der weiteren Bestimmungen schließt sich die DGPPN der Position der Vorsitzenden des UA QS an. 

Begründung
Aufgrund einhelliger Expertenmeinung und verfügbarer Empirie (Nervenarzt Sonderheft 2018: Normativer Personalbedarf in der stationären Psychiatrie und Psychotherapie) kann davon ausgegangen werden, dass die Psych-PV nicht mehr geeignet ist, die aktuelle Situation der Versorgung in den psychiatrischen Fächern adäquat abzubilden. Es sind grundlegende Veränderungen sowohl im Bereich der Struktur der Psych-PV als auch bezüglich der zur Verfügung gestellten personellen Ressourcen (auf der Basis der Minutenwerte) erforderlich. Wenn jetzt der G-BA aufgrund des nach seiner eigenen Einschätzung Fehlens belastbarer empirischer und leitlinienbezogener Grundlagen eine erste Stufe der Richtlinienentwicklung unternimmt und diese zur Stellungnahme vorlegt, so ist es zwingend erforderlich, verbindliche Regelungen zu vereinbaren, damit es nicht bei dieser ersten Stufe bleibt. Es muss verhindert werden, dass aufgrund von außerhalb der Qualitätssicherung liegenden Aspekten (zum Beispiel aufgrund von ökonomischen Aspekten) eine zweite Stufe nicht durchgeführt wird bzw. diese langfristig hinausgeschoben wird.

In der erforderlichen zweiten Stufe müssen zwingend diejenigen strukturellen Veränderungen vorgenommen werden, die für eine zukunftsfähige Abbildung des patientenbezogenen Behandlungsbedarfs erforderlich sind. Dabei geht es insbesondere um die Erfassung des individuellen patientenbezogenen Behandlungsbedarfs, einer Differenzierung zwischen dem patientenbezogenen Bedarf und dem auf das Setting und die Institution bezogenen Bedarf und der Förderung einer Setting-übergreifenden ausreichenden Personalausstattung.

2. Anpassung der Personalmindestvorgaben an die aktuellen ethischen, medizinischen und rechtlichen Standards

An folgenden Stellen sind Änderungen notwendig, damit die Psych-PV als Grundlage der Mindestvorgaben sofort an die aktuellen Standards einer leitliniengerechten und menschenrechtsfördernden Behandlung angepasst werden kann. 

§ 1 Zweck, Ziele und Anwendungsbereich
Abs. 4 und 5 müssen ergänzt werden:

„(4) Durch die Richtlinie werden die bestehenden Minutenwerte der Psych-PV insoweit angepasst, als es auch in der Übergangszeit bis zum Inkraftreten einer notwendigen zweiten Stufe erforderlich ist, die Qualität in der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Versorgung sicherzustellen.

(5) Die angepassten Minutenwerte entsprechen den Personalmindestvorgaben, die geeignet sind, die Qualität in der Versorgung sicherzustellen“

§ 2 Grundsätze
Absatz 5 muss folgendermaßen formuliert werden:

„(5) Die Mindestvorgaben für den Tagdienst werden gemäß § 8/§ 9 festgelegt. Für jeden Behandlungsbereich gemäß § 3/§ 4 in Verbindung mit Anlage 1 und jede Berufsgruppe gemäß § 5/§ 6 werden Minutenwerte je Patient und Woche gemäß Anlage 2 vorgegeben. Die am 31.12.2019 geltenden Minutenwerte werden in der ersten Stufe durchgehend um insgesamt 15 % erhöht. Dabei werden die Minutenwerte zum 1.1.2020, zum 1.1.2022 und zum 1.1.2024 jeweils um jeweils 5 % des Ausgangswertes erhöht. Die Mindestvorgaben sind jahresdurchschnittlich auf Einrichtungsebene, differenziert nach Erwachsenen- und Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychosomatik kalendermonatlich auf den Stationen einzuhalten.“

§ 3 DKG / § 4 (GKV-SV/PatV) Behandlungsbereiche 
Hier schließt sich die DGPPN der Position der DKG an.

§ 10 (GKV-SV)/§ 12 (PatV) Stationsgröße
Hier tritt die DGPPN für folgende Änderung ein: 

„(1) Aus Qualitätsgründen sollte eine Station in der Erwachsenenpsychiatrie 18 Behandlungsplätze, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zwölf Behandlungsplätze und in der Psychosomatik 24 Behandlungsplätze nicht überschreiten.

(2) Sofern die mittlere Anzahl der Patienten die in Abs. 1 definierte Anzahl um mehr als ein Drittel übersteigt (24 bzw. 16 bzw. 32 Behandlungsplätze), sind die Minutenwerte für die über die Empfehlung hinausgehenden Patienten unter Berücksichtigung möglicher institutionsbezogener Besonderheiten sachgerecht zu vermindern.“

§ 11 (Genesungsbegleiter) 
Hier schließt sich die DGPPN der Position der GKV an.

Begründung
Die empirischen Daten, die zur Erstellung der Minutenwerte in der heute gültigen Version der Psych-PV geführt haben, sind 30 Jahre alt. Zum damaligen Zeitpunkt gab es eine in wesentlichen Punkten zum heutigen Stand unterschiedliche Struktur der psychiatrischen Versorgung sowie weniger personalintensive medizinische, rechtliche und ethische Standards. Dies gilt sowohl für fachlich-inhaltliche Behandlungskonzepte als auch für die an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen. 

Die Psychiatrie-Personalverordnung verfügte über kein durchgängiges konzeptuelles Prinzip zur Anpassung an fachlich-inhaltliche sowie darüber hinausgehende strukturelle Veränderungen. In der Folge wurden seit Inkrafttreten im Jahr 1991 keine Anpassungen an die seitdem festzustellende umfassende inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung des Faches vorgenommen. In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass sich die durchschnittliche fallbezogene Verweildauer seit Inkrafttreten der Psych-PV bei gleichzeitig massiv erhöhter Zahl der behandelten Patienten auf etwa ein Drittel des Ausgangswertes verkürzt und sich somit der patientenbezogene Aufwand massiv erhöht hat. Dies muss in der Richtlinie Berücksichtigung finden.

Die hier geforderte Steigerung der Minutenwerte stellt im Wesentlichen einen Ausgleich der in den letzten Jahren nicht erfolgten erforderlichen Steigerung dar. 

3. Differenzierung zwischen „Mindestvorgaben“ und „Untergrenze“

An folgenden Stellen sind Änderungen notwendig, um zwischen einer an der erforderlichen Qualität ausgerichteten Personalmindestbesetzung und einer zur Aufrechterhaltung der Versorgung erforderlichen Personaluntergrenze zu differenzieren.

§ 2 Grundsätze
In § 2 (Grundsätze) sind folgende Veränderungen erforderlich:
§ 2 Abs. 1 Neu:

„Durch die Richtlinie werden Mindestvorgaben zur Personalausstattung definiert, die geeignet sind, die Qualität der Versorgung sicherzustellen (qualitätsorientierte Personalmindestvorgaben).

Darüber hinaus wird eine Personaluntergrenze definiert, bei deren Unterschreitung die Patientensicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann (sicherheitsbezogene Personaluntergrenzen).“

§ 12 (DKG) Durchsetzungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgabe
Hier sind Änderungen im Sinne einer Anpassung an die Stufen der Personalbesetzung erforderlich. 

§ 17 (GKV-SV)/§ 19 (PatV) Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben 
Dieser Paragraph wird abgelehnt.

Die DGPPN schlägt vor, die Personaluntergrenze bei 80 % der jeweils gültigen qualitätsorientierten Personalmindestvorgaben anzusetzen. Ein bereits im ersten Schritt durchzuführender vollständiger Leistungsausschluss bei Unterschreiten der sicherheitsbezogenen Personaluntergrenze wird abgelehnt.

Darüber hinaus ist insbesondere in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass die bereits bestehenden ausufernden und qualitätsreduzierenden Dokumentationsverpflichtungen aller Berufsgruppen nicht ausgebaut, sondern reduziert werden.

Begründung
Der gesetzliche Auftrag besteht darin, Personalmindestvorgaben zu beschreiben, die geeignet sind, zu einer leitliniengerechten Versorgung beizutragen. In dem vorgelegten Entwurf der Richtlinie wird jedoch eine Personaluntergrenze beschrieben, die – wenn sie unterschritten wird – Sanktionen bis zum sofortigen Leistungsausschluss vorsieht. Dies ignoriert die Notwendigkeit der Sicherstellung einer umfassenden Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für die psychiatrischen Fächer. Es muss deshalb unterschieden werden zwischen Personalmindestvorgaben zur Qualitätssicherung und einer deutlich darunterliegenden Personaluntergrenze, die zur Aufrechterhaltung der Patientensicherheit erforderlich ist. Beide Grenzen sind inhaltlich und bezüglich der Konsequenzen zu unterscheiden.

Der vorgeschlagene Abstand zwischen beiden Grenzen ist unter anderem auch davon abhängig, inwieweit eine Anpassung der Minutenwerte der Psych-PV erfolgt. 

4. Unterstützung bei der Erfüllung der Personalmindestvorgaben statt Sanktionen
An folgenden Stellen sind Änderungen notwendig, um die Kliniken bei der Erfüllung der Mindestvorgaben zu unterstützen.

§ 12 (DKG) Durchsetzungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgabe
§ 12 (DKG) muss wie folgt formuliert werden: 

„(1) Bei Nichteinhaltung der sicherheitsbezogenen Personaluntergrenzen kommt gemäß der Qualitätsförderungs- und Durchsetzungsrichtlinie des G-BA ein gestuftes System an Folgen der Nichteinhaltung zum Tragen. Die Maßnahmen müssen als ein differenziertes System der Reaktion auf die Nichteinhaltung der Personalbemessung gestaltet sein. Sämtliche Maßnahmen müssen das Ziel verfolgen, schnellstmöglich die erforderliche Personalbesetzung, die geeignet ist, die Qualität der Versorgung sicherzustellen (qualitätsorientierte Personalmindestvorgaben), dauerhaft wiederherzustellen.“

Begründung
Es ist davon auszugehen, dass bei einer Unterschreitung der Personalmindestvorgaben, die zur Qualitätssicherung erforderlich sind, sehr unterschiedliche Gründe vorliegen können. Nicht in jedem Fall ist davon auszugehen, dass diese Gründe von den jeweiligen Leistungserbringern direkt zu verantworten sind. In besonderer Weise ist hier auf den bestehenden Fachkräftemangel hinzuweisen. Eine Reduktion der zur Verfügung stehenden Budgetmittel oder gar der sofortige Leistungsausschluss würden die Qualität der regionalen Versorgung erheblich reduzieren und mit den Prinzipien einer gemeindenahen psychiatrischen Versorgung nicht vereinbar sein. Es ist deshalb erforderlich, dass die erforderlichen gestuften und differenzierten Maßnahmen darauf ausgerichtet sind, die Qualität der Versorgung dauerhaft wiederherzustellen

Schlussbemerkung
Darüber hinaus schließt sich die DGPPN der Position der DKG an, insofern nicht durch die o. g. Änderungen redaktionelle Anpassungen in anderen Bereichen notwendig werden.

Literatur
Normativer Personalbedarf in der stationären Psychiatrie und Psychotherapie, 2018, Nervenarzt Sonderheft

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