26.08.2019 | Stellungnahme von DGPPN und DGPs

Zum Kabinettsentwurf des BMG für ein Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)


Die DGPPN und DGPs begrüßen eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation. Insbesondere wird das Ziel unterstützt, wirksame und sichere digitale Gesundheitsanwendungen erstattungsfähig zu machen. Wir sehen jedoch deutlichen Nachbesserungsbedarf: Komplexe digitale Interventionen zur Behandlung psychischer Erkrankungen werden im Kabinettsentwurf des DVG bisher vernachlässigt. Zur Wahrung der Patientensicherheit bedarf es grundsätzlich einer Verordnung durch Ärzte oder Psychotherapeuten und deutlich höherer Evidenzanforderungen als bisher vorgesehen.

DGPPN und DGPs begrüßen eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation. Insbesondere wird das Ziel unterstützt, wirksame und sichere digitale Gesundheitsanwendungen erstattungsfähig zu machen. Wir sehen jedoch deutlichen Nachbesserungsbedarf: Komplexe digitale Interventionen zur Behandlung psychischer Erkrankungen werden im Kabinettsentwurf des DVG bisher vernachlässigt. Zur Wahrung der Patientensicherheit bedarf es grundsätzlich einer Verordnung durch Ärzte oder Psychotherapeuten und deutlich höherer Evidenzanforderungen als bisher vorgesehen.

Im Folgenden nehmen die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN) und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) gemeinsam Stellung zum Kabinettsentwurfs für ein Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG):
Wir begrüßen ausdrücklich eine Erweiterung des Versorgungsanspruchs der Versicherten um digitale Gesundheitsanwendungen. Allgemein möchten wir drauf hinweisen, dass es bei der Ausgestaltung des Gesetzes einer Differenzierung zwischen digitalen Gesundheitsanwendungen bedarf: Tools wie beispielsweise unterstützende Apps, die die Vor-Ort-Behandlung lediglich hintergründig ergänzen, müssen anders gestellt sein als (weitgehend) für sich stehende digitale Gesundheitsanwendungen mit therapeutischem Anspruch. Eine Fokussierung des DVG auf Medizinprodukte der Risikoklasse I und IIa wird diesem Umstand nicht gerecht.
Im Sinne der Patientensicherheit sind aus Sicht der DGPPN und der DGPs folgende Punkte des Gesetzesentwurfes unbedingt zu modifizieren:

1. Die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen darf nicht in der Verantwortung der Krankenkassen liegen.
Entschieden zurückgewiesen wird das Vorhaben, digitale Gesundheitsanwendungen ohne Verordnung durch eine Ärztin/Arzt oder Psychotherapeutin/Psychotherapeuten, nur per Zustimmung der Krankenkassen dem Patienten zur Verfügung zu stellen (Artikel 1, Änderung SGB V, Nummer 3, § 33a). Eine Gesundheitsversorgung ohne verbindlichen Einbezug der Heilberufe und der damit verbundenen Expertise stellt eine Gefährdung des Patientenwohls dar. Qualifizierte Behandler sollten bei der Diagnose und Indikationsstellung entscheiden, welches Produkt sinnvoll und risikofrei für eine Behandlung eingesetzt werden kann. Da digitale Interventionen das Potenzial haben, psychisch Erkrankte zu erreichen, die bisher nicht den Weg in die Regelversorgung finden, schlagen wir vor, dass eine Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen ohne Verordnung nur möglich sein sollte, wenn im Rahmen der Intervention eine Fremdbeurteilung via Telediagnostik stattfindet. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass auf diese Art und Weise die Wirksamkeit der Anwendungen deutlich gesteigert werden kann.

2. Digitale Gesundheitsanwendungen dürfen nicht ohne Wirksamkeitsnachweis zugelassen werden.
Es gibt digitale, weitgehend für sich stehende Gesundheitsanwendungen im Bereich der Diagnostik, Prävention und Behandlung psychischer Störungen und körperlicher Erkrankungen, die sich als potenziell wirksam erwiesen haben. Gleichzeitig verdeutlichen systematische Übersichtsarbeiten die sehr große Heterogenität in der Wirksamkeit: Teilweise zeigt sich keine Überlegenheit von digitalen Interventionen gegenüber einer passiven Kontrollgruppe im Rahmen klinischer Studien. Digitale Gesundheitsanwendungen wie Selbstmanagementinterventionen ohne, oder mit nur begrenzter therapeutischer Begleitung, ohne Wirksamkeitsnachweis zuzulassen wäre daher weder wirtschaftlich noch ethisch vertretbar. Ohne einen validen Wirksamkeitsnachweis der digitalen Gesundheitsanwendung ist das Gefährdungspotential für die Patienten nicht abzuschätzen und damit nicht vertretbar. Dieser kann nur im Rahmen randomisiert kontrollierter Studien erbracht werden. Allein „positive Versorgungseffekte“, welche „durch Fallberichte, Expertenmeinungen [oder] Anwendungsbeobachtungen […] nachgewiesen sind“ wie bisher im Gesetzesentwurf formuliert, sind nicht ausreichend, insbesondere wenn es um digitale Gesundheitsanwendungen geht, die die Vor-Ort-Behandlung in den Hintergrund treten lassen (Artikel 1, Änderung SGB V, Nummer 23, § 139e, Absätze 2, 3 ,4 und 9).

Wir fordern daher mit Nachdruck für Anwendungen, die einen Behandlungsanspruch haben und potenziell ersetzend zu etablierten Versorgungsangeboten eingesetzt werden können, die anerkannten Prüfstandards für evidenzbasierte wirksame und sichere Medizin beizubehalten, wie sie für digitale Gesundheitsinterventionen von der DGPPN/DGPs Task-Force E-Mental-Health formuliert wurden (Klein et al., 2018). Für weitere Beratung stehen wir gern zur Verfügung.

Für die DGPPN: DGPPN-Präsident Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz
Reinhardtstraße 27 B I 10117 Berlin
praesident@dgppn.de

Vorstandsmitglied Dr. med. Iris Hauth
Gartenstraße 1 I 13088 Berlin
E-Mail: I.Hauth@alexianer.de

Für die DGPs: Prof. Dr. Birgit Spinath
Präsidentin DGPs
Marienstr. 30 I 10117 Berlin
E-Mail: praesidentin@dgps.de
 

Die Stellungnahme wird unterstützt durch:

  • Berufsverband Deutscher Nervenärzte e. V. (BVDN)
  • Berufsverband Deutscher Psychiater e. V. (BVDP)
  • Bundesdirektorenkonferenz – Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie e. V. (BDK)
  • ChefärzteInnen der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern (ackpa)
  • Fakultätentag Psychologie (FTPs)
  • Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie e. V. (LIPPs)

 

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T +49 30 2404 772-12
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