29.01.2019 | Stellungnahme

Zum Entwurf eines reformierten Gesetzes zur Ausbildung in der Psychotherapie

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) lehnt den Referentenentwurf zum Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz (PsychThGAusbRefG) ab, der in dieser Form Menschen mit psychischen Erkrankungen diskriminiert, wesentlich schlechter stellt als alle anderen Patientinnen und Patienten im Gesundheitssystem und ihre Behandlungssicherheit gefährdet. Wir  halten aus den im Folgenden dargestellten Gründen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Reform
für unabdingbar:

Der Entwurf versucht die Diagnostik, Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen in wesentlichen Teilen von der Medizin zu trennen und damit die ganzheitliche Sicht auf Psyche und Soma in der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufzugeben. So ist die geplante Änderung der Legaldefinition besorgniserregend, welche im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung keinen vorhergehenden ärztlichen Ausschluss somatischer Ursachen mehr vorschreibt. Dies gefährdet beispielsweise Patienten, deren Depression durch eine Schilddrüsenerkrankung, deren Psychose durch eine Autoimmunerkrankung oder deren Persönlichkeitsstörung durch einen Hirntumor bedingt ist. Auch bei der sehr verbreiteten Paniksymptomatik muss bei erstmaligem Auftreten eine schwerwiegende kardiologische Erkrankung ausgeschlossen werden. Die äußerst komplexen Zusammenhänge zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen erfordern
eine differenzierte Diagnostik und Behandlung beider Ebenen. Die Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie gilt bei den meisten mittelschweren und schweren psychischen Erkrankungen mittlerweile als fachlicher Standard. Zur Diagnostik, differentialdiagnostischen Abklärung und  Indikationsstellung ist deshalb immer auch eine fachärztliche Konsultation erforderlich.

Mit der Approbation dürfen zudem nach diesem Gesetzentwurf (psychologische) Psychotherapeuten Selbstzahler behandeln, gegenüber approbierten Ärzten fehlt aber eine dem Praktischen Jahr vergleichbare klinische Erfahrung. Damit ist ein weiteres Moment der Patientengefährdung gegeben. Darüber hinaus wird die Behandlungssicherheit von Menschen mit psychischen Erkrankungen in unverantwortlicher Weise durch die Etablierung von Modellstudiengängen gefährdet, deren Abschluss zur Verordnung von Psychopharmaka berechtigen soll. Eine solche begrenzte Pharmakologie-Schulung in einem nicht-medizinischen Studium innerhalb einer Gesamtstudiendauer von fünf Jahren ist in keiner Weise mit einer leitliniengerechten Verordnung von Medikamenten vereinbar.

Wir begrüßen es, dass sich das Gesundheitsministerium für eine vernetzte Versorgung stark macht, in der Hausärzte, Fachärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und weitere Gesundheitsberufe eng und koordiniert zusammenarbeiten. Dies könnte dem Prinzip einer ganzheitlichen, bio-psycho-sozialen Versorgung in hohem Maße gerecht werden und insbesondere Menschen mit komplexem Versorgungsbedarf zugutekommen. Die Diagnostik als auch die Behandlung psychischer Erkrankungen mit psychotherapeutischen Mitteln in einem vernetzten Versorgungssystem aber kann ohne eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung in Psychologie oder Medizin nicht geleistet werden. Erst die Vermittlung wissenschaftlicher Grundlagen befähigt zum methodenkritischen und ergebnisoffenen Umgang mit diagnostischen und differentialdiagnostischen Befunden und ermöglicht die Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden. Psychotherapie ist ausschließlich eine Methode zur Behandlung, nicht zur Diagnostik von Erkrankungen. Ein isoliertes Erlernen und Ausüben psychotherapeutischer Techniken ist deshalb nicht denkbar. So begrüßen wir es zwar, dass nur ein Hochschulstudium zu dem neuen Beruf qualifizieren kann, fordern aber, dass der neue Heilberuf in einem polyvalenten Bachelorstudiengang Psychologie seine wissenschaftliche Grundlage findet, dem ein verfahrensübergreifender Masterstudiengang mit umfangreichen Praxisanteilen und schließlich ein umfassendes Vollzeitpraktikum folgen, um dann mit einer staatlichen Prüfung
die Voraussetzungen für eine Approbation zu erwerben.

Zur Sicherstellung der Behandlungsqualität und zum Schutz der Patienten vor Behandlungsfehlern reicht es nicht aus, im Rahmen einer mündlichen staatlichen Prüfung „Handlungskompetenzen“ an Schauspielpatienten
festzustellen. Vielmehr muss mit einem theorie- und einem kompetenzbasierten Praxisanteil der Erwerb von Wissen und Kompetenzen gleichermaßen staatlich kontrolliert werden, so wie es das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) für das Medizinstudium leistet.

Die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ muss weiterhin durch einen, die spezifische Expertise beschreibenden Zusatz ergänzt werden, der sich aus dem grundständigen Studiengang bzw. aus der Bezugswissenschaft ergibt. Konsequenterweise müssen die nach dem Reformgesetz ausgebildeten Behandler „Psychologische Psychotherapeuten“ heißen. Denn für Patienten muss erkennbar sein, welche Rolle die einzelnen Berufsgruppen im Rahmen der vernetzten Versorgung übernehmen und welche unterschiedlichen Kompetenzen sie sich durch das jeweilige Studium und die jeweilige Weiterbildung angeeignet haben. Die Bezeichnung  „Psychotherapeut/Psychotherapeutin“ ohne die Zusätze „ärztlich“ oder „psychologisch“ würde zu einer Täuschung der Patienten führen, die nicht unterscheiden können, welche unterschiedliche Qualifikation der Erlaubnis zur Durchführung von Therapien zugrunde liegt.

Praktische Kompetenzen müssen auch im stationären Bereich erworben werden, damit Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen im Rahmen einer vernetzten Versorgung psychotherapeutisch wirksam behandelt werden können. Nur so kann gewährleistet werden, dass zukünftig auch die Patienten mit komplexem Hilfebedarf eine rechtzeitige psychotherapeutische Behandlung erhalten. Deshalb kann eine Ausbildung von nicht-ärztlichen Psychotherapeuten wegen des dafür notwendigen klinischen Kompetenzerwerbs nicht allein von psychologischen Instituten angeboten werden, sondern sollte in enger Abstimmung oder Kooperation mit Medizinischen Fakultäten gemeinsam erfolgen. Die Aufgabenverteilung wäre im Detail festzulegen und die notwendigen finanziellen Ressourcen für beide Institutionen in der Gesamtplanung zu berücksichtigen.

Zudem muss gewährleistet werden, dass die Ausbildung von nicht-ärztlichen Psychotherapeuten nicht zulasten
der wissenschaftlichen und klinischen Aus- und Weiterbildung von Ärzten erfolgt. Darüber hinaus sollte auch die praktische Kompetenz von ärztlichen Psychotherapeuten durch die Möglichkeit von Weiterbildungsambulanzen an Psychiatrischen Kliniken gefördert werden, in denen Patienten auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung unter regelmäßiger Supervision behandelt werden können. Eine entsprechende Regelung könnte im Rahmen der Reform der Psychotherapeutenausbildung getroffen werden.

Zudem erscheinen die im Referentenentwurf angegeben Kosten für die Länder, aber auch für die anschließende Weiterbildung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung zu niedrig angesetzt. Wir regen daher an, vor einer inhaltlichen Weiterbefassung ein detailliertes gesundheitsökonomisches Fachgutachten zu erstellen, das die Bezugsdaten und Annahmen bezüglich der kurz-, mittel- und langfristig jährlich entstehenden direkten und indirekten Gesamtkosten für Bund, Länder, Gesetzliche Krankenversicherung und Wirtschaft offenlegt. Unseres Erachtens müsste die Klärung inhaltlicher Fragen mit der Klärung finanzieller Fragen Hand in Hand gehen, um ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches eine Verbesserung darstellt und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick behält.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz
Präsident DGPPN

 

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