07.01.2025 | Pressemitteilung

Kein Zentralregister für Menschen mit psychischen Erkrankungen 

Die DGPPN lehnt die Register-Erfassung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die in Folge des Attentats in Magdeburg als Maßnahme zur Gewaltprävention diskutiert wird, ab. Ein solches Register wäre nicht zielführend, sondern stigmatisierend und gefährlich. Psychisch kranke Menschen sind als Gesamtgruppe nicht gewalttätiger als Menschen ohne psychische Erkrankungen. Auch unter terroristischen Gewalttätern finden sich nicht mehr psychisch kranke Menschen als in der Allgemeinbevölkerung.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank macht deutlich: „Psychische Erkrankungen sind generell nicht mit einem erhöhten Gewaltrisiko verknüpft. Nur bestimmte Erkrankungen gehen mit einem erhöhten Risiko für Gewalttaten einher und das auch nur unter bestimmten Bedingungen und wenn die Betroffenen unbehandelt sind. Eine zentrale Erfassung aller Menschen mit einer psychischen Diagnose würde Gewalttaten nicht verhindern.“

Psychische Erkrankungen sind weit verbreitet. Etwa ein Drittel der Bevölkerung leidet jedes Jahr unter einer solchen Störung. Diese Gruppe ist als Ganzes nicht gefährlicher als Menschen ohne psychische Erkrankungen. Ihre Erfassung wäre also im Sinne der Gewaltprävention nicht sinnvoll. Eine zentrale Register-Erfassung würde vielmehr die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen befördern und die Chancen auf wirksame Behandlungen senken. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank erläutert: „Menschen mit psychischen Störungen leiden nicht nur unter ihrer Erkrankung, sondern zusätzlich unter Vorurteilen und Benachteiligungen in ihrem Umfeld. Je mehr Stigmatisierung sie erleben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Betroffene in Behandlung begeben. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich von einer bereits begonnenen Therapie zurückziehen. Je früher aber eine Behandlung begonnen wird und je konsequenter und kontinuierlicher sie erfolgt, desto höher die Besserungschancen.“ Verzögerte Behandlungen oder gar deren vollständige Ablehnung führen dagegen meist zu einer Verschlimmerung oder Chronifizierung der Erkrankung.

„Das beste Mittel der Gewaltprävention ist die frühzeitige, koordinierte und intensive Behandlung von Menschen mit solchen psychischen Erkrankungen, die unbehandelt ein Risiko für Gewalttaten darstellen“, hält DGPPN-Präsidentin Gouzoulis-Mayfrank fest. „Dafür brauchen wir dringend die notwendigen Reformen, Strukturen und Ressourcen.“

Zum Hintergrund

Menschen mit psychischen Erkrankungen sind nicht generell gewalttätiger als Menschen ohne psychische Erkrankungen. Allerdings können insbesondere psychotische Erkrankungen oder Suchterkrankungen unter bestimmten Bedingungen mit einem erhöhten Risiko für Gewalttaten einhergehen. Liegt kein Substanzgebrauch vor und sind die Betroffenen in psychiatrischer Behandlung, ist das Gewaltrisiko deutlich niedriger.

Auch in der Gruppe der terroristischen Gewalttäter ist der Anteil der psychisch Kranken nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Im Fall des Attentats von Magdeburg ist zudem nicht einmal klar, ob der Täter wirklich psychisch erkrankt ist. Die mögliche Rolle einer psychischen Erkrankung auf Basis unvollständiger Informationen zu diskutieren, ist aus Sicht der DGPPN nicht zielführend. Bei Gewalttaten ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob eine psychische Erkrankung hierfür ursächlich war, denn es gibt Risikofaktoren, die sowohl eine Radikalisierung als auch eine psychische Erkrankung begünstigen können. Der Zusammenhang von psychischen Erkrankungen und individueller Gewaltbereitschaft ist Gegenstand aktueller Forschungen, z. B. im SFB/TRR 379 Neuropsychobiologie der Aggression.

 

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