16.03.2016 | PRESSEMITTEILUNG

Verhaltenssüchte: Ausbau von Aufklärung und Beratung unverzichtbar

Sozialer Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, Depressionen und andere psychische Folgeerkrankungen: Verhaltenssüchte wie der exzessive Computer- und Internetgebrauch oder die Glücksspielsucht wirken sich oft schwerwiegend auf das Leben der Betroffenen aus. Renommierte Suchtexperten der DGPPN haben deshalb den aktuellen Wissensstand zu Prävention, Diagnostik und Therapie von Verhaltenssüchten in einem Eckpunktepapier neu bewertet und leiten daraus Handlungsempfehlungen für die Suchtpolitik ab.

Eine Abhängigkeit muss nicht zwangsläufig an Substanzen wie Alkohol, Zigaretten oder Drogen geknüpft sein. Auch Verhaltensweisen können Menschen abhängig machen, zum Beispiel die exzessive Nutzung von Computer und Internet oder Glücksspielen. „Die betroffenen Menschen sind auf bestimmte Verhaltensweisen fixiert, sie verspüren den starken Drang, dem jeweiligen Reiz immer wieder zu folgen. Nach und nach nimmt die Verhaltenssucht so viel Raum in Anspruch, dass sie mit dem sozialen und beruflichen Leben kollidiert“ erklärt Prof. Karl Mann, Suchtexperte bei der DGPPN.

In den vergangenen Jahren hat die Forschung Belege gefunden, welche für eine enge Verwandtschaft von Substanz- und Verhaltensabhängigkeiten sprechen. „Neue Bildgebungsstudien konnten nachweisen, dass beim pathologischen Glücksspiel ebenfalls funktionelle Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns zu beobachten sind. Gleichzeitig ließ sich auch eine erhöhte Reaktivität auf die mit dem Glücksspiel verbundenen positiven Reize zeigen – die gleichen Reaktionen sind auch bei einer Substanzabhängigkeit zu finden“, stellt Prof. Mann fest.

Im Bereich der Computer- und Internetabhängigkeit ist die neurobiologische Befundlage noch weniger umfangreich. Allerdings deuten neue Studien auf eine große Ähnlichkeit zum pathologischen Glücksspiel in Hinblick auf Hirnfunktionen und Verhaltensänderungen hin. Die Betroffenen verhalten sich impulsiver, ihr Belohnungslernen ist verändert und sie reagieren zum Beispiel weniger stark auf monetäre Verluste. Dabei sind beim exzessiven Computer- und Internetgebrauch verschiedene Nutzungsformen zu unterscheiden. Manche Betroffene geben sich suchthaft Computerspielen hin, andere sind übermäßig mit Internetaktivitäten wie Surfen oder Chatten beschäftigt.

Die Suchtforschung konzentrierte sich über viele Jahre hinweg überwiegend auf die stoffgebundene Abhängigkeit. Aus Sicht der DGPPN ist nun eine verstärkte fachliche Beschäftigung mit Verhaltenssüchten unverzichtbar. „Auf Computerspiele und Internet können wir heute überall und rund um die Uhr zugreifen. Auch Glücksspiele sind durch die modernen Kommunikationsmittel so einfach zugänglich wie nie zuvor. Deshalb müssen Verhaltenssüchte stärker in den Fokus der Suchtpolitik rücken. Wir benötigen in Deutschland eine flächendeckende qualifizierte Beratungsstruktur mit nachhaltigen Angeboten für Forschung, Praxis und Prävention. Ohne gezielte öffentliche Förderung wird dies nicht möglich sein“, sagt Prof. Karl Mann.

Gerade für die Prävention bietet das Suchtmodell dieser Störungen nach Einschätzung der DGPPN besonders aussichtsreiche Möglichkeiten, beispielsweise durch die Einführung von effizienten Kontrollmechanismen. So werden in Bezug auf das pathologische Glücksspiel der Ausbau der Sperr- und Selbstlimitierungssysteme oder ein Verbot von Glücksspielwerbung bei Sportveranstaltungen diskutiert. Bei Computerspielen mit Suchtpotenzial ist zum Beispiel eine Alterseinstufung zu prüfen.

Zum Positionspapier

Kontakt