18.03.2015 | PRESSEMITTEILUNG

Psychische Traumata oft unterbehandelt

Mehr als die Hälfte aller Menschen sind im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert. In vielen Fällen sind schwere psychische Erkrankungen die Folge. Doch trotz außerordentlich wirksamer Behandlungsmöglichkeiten werden Betroffene in Deutschland heute noch nicht ausreichend versorgt. Auf ihrem Hauptstadtsymposium informiert die DGPPN heute in Berlin über den aktuellen Stand der evidenzbasierten Therapie und Diagnostik von posttraumatischen Störungen und fordert den Ausbau der Versorgungsstrukturen.

Traumafolgestörungen können uns alle treffen, auch Kinder. In Deutschland sind pro Jahr rund 1,5 Millionen Erwachsene von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) betroffen. Frauen erkranken dabei häufiger als Männer, ältere Menschen tendenziell eher als jüngere. Nach einer Vergewaltigung, Gewaltverbrechen oder Folter liegt die Erkrankungsrate bei bis zu 90 Prozent. Besonders gefährdet sind Menschen, die immer wieder Grenzsituationen ausgesetzt sind: Angehörige der Polizei, Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks oder Soldaten der Bundeswehr. „Zu den vulnerablen Bevölkerungsgruppen gehören auch Flüchtlinge und Asylsuchende, die sich bei ihrer Ankunft in Deutschland oftmals in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befinden. Rund 40 Prozent haben mehrfach traumatisierende Erfahrungen gemacht. Die Rate für PTBS ist bei dieser Personengruppe im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das Zehnfache erhöht“, stellt DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth fest. 

Traumafolgestörungen und PTBS lassen sich heute wirksam behandeln. Dabei ist Psychotherapie das Mittel der Wahl, vor allem wenn eine gründliche Aufklärung über das Krankheitsbild und das Erlernen von Entspannungstechniken zur emotionalen Regulation mit der sogenannten Traumakonfrontation bzw. -exposition einhergehen. „Traumafolgestörungen bedürfen therapeutischer Behandlung, doch die Versorgungsstrukturen in Deutschland sind nicht ausreichend darauf ausgerichtet. Zwar können sich die Betroffenen in einigen Regionen an sogenannte Traumaambulanzen wenden, wo sie rasch und umkompliziert Hilfe erhalten. Vielerorts müssen sie hingegen lange auf einen Termin beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder beim ärztlichen bzw. psychologischen Psychotherapeuten warten. Besonders prekär ist die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende, die zusätzlich mit sprachlichen, kulturellen und administrativen Hürden zu kämpfen haben “, so Frau Dr. Meryam Schouler-Ocak, Leiterin des DGPPN-Fachreferates für interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie sowie Migration. Werden Traumafolgestörungen nicht frühzeitig behandelt, besteht die Gefahr einer Chronifizierung. Gleichzeitig können weitere psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen auftreten. 

Schon heute sind in Deutschland für die PTBS deutlich erhöhte Arbeitsunfähigkeitszeiten und Rentenzugänge aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit zu verzeichnen. „Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung müssen deshalb rasch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Traumafolgestörungen überall in Deutschland leitliniengerecht behandelt werden können. Sektorenübergreifende und strukturierte Versorgungsansätze sind dabei unverzichtbar. Mit der Akutsprechstunde für psychische Erkrankungen hat die DGPPN bereits ein Konzept vorgeschlagen, das die sektorenübergreifendene Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlichen bzw. psychologischen Psychotherapeuten entscheidend verbessern könnte. Bei der Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden müssen interkulturelle Kompetenztrainings für Behandlerteams und Gutachter zum Standard werden. In Bezug auf besonders gefährdete Berufsgruppen ist verstärkt auf präventive Maßnahmen zu setzen“, fordert Dr. Iris Hauth.

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