21.05.2015 | Pressemitteilung

Psychotherapie endlich am Bedarf der Patienten ausrichten

Psychotherapie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung psychisch erkrankter Menschen. Doch trotz mehr als 20.000 ambulanter ärztlicher und psychologischer Psychotherapeuten bleiben in Deutschland bestimmte Patientengruppen weitgehend von der Therapie ausgeschlossen. So sind etwa Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Psychose oder Suchterkrankung häufig unterversorgt. Hinzu kommen große regionale Unterschiede in der Verfügbarkeit von Psychotherapie, insbesondere in den neuen Bundesländern und ländlichen Regionen. Auf dem Hauptstadtsymposium fordert die DGPPN deshalb heute in Berlin eine Neustrukturierung der psychotherapeutischen Versorgung.

Dank Fortschritten in der neurobiologischen Forschung lassen sich die Effekte von Psychotherapie heute eindrücklich belegen. So zeigen aktuelle Studien auf, dass zum Beispiel Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung dank gezielter psychotherapeutischer Verfahren besser in der Lage sind, die für die Erkrankung typischen erhöhten limbischen Aktivitäten zu regulieren. „Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Die evidenzbasierten Behandlungsleitlinien empfehlen Psychotherapie neben Psychopharmakotherapie und psychosozialen Therapien als notwendigen Therapiebestandteil bei einer Vielzahl psychischer Erkrankungen. Dazu gehören neben Persönlichkeitsstörungen beispielsweise Depressionen, Angsterkrankungen oder auch Suchterkrankungen – und mit neuen psychotherapeutischen Ansätzen auch Schizophrenien und bipolare Erkrankungen“, erklärt DGPPN-Vorstandsmitglied Professorin Sabine Herpertz aus Heidelberg.

Doch die derzeitige psychotherapeutische Versorgungsstruktur wird den unterschiedlichen Patientengruppen in Deutschland nicht gerecht. So bleiben insbesondere Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Psychose oder Suchterkrankung häufig unterversorgt, weil das starre Gerüst der Richtlinienpsychotherapie nicht den Bedürfnissen ihrer Erkrankung entspricht. „Die Psychotherapie muss sich am Patientenbedarf orientieren – nicht umgekehrt. Sie muss sich flexibel an der Schwere, Akuität und Chronizität der Erkrankung ausrichten, insbesondere was Inhalt, Dosis und Dauer anbelangt. Das ist mit der aktuell geltenden Psychotherapierichtlinie noch nicht ausreichend der Fall. Wir brauchen zum Beispiel für psychisch schwer kranke Patienten die Möglichkeit kürzerer psychotherapeutischer Interventionen, die eben nicht dem starren Rahmen der Richtlinie entsprechen. Darüber hinaus müssen sowohl kurzzeitige intensive Behandlungen in Krisen als auch eine jahrelange niederfrequente psychotherapeutische Unterstützung zur Stabilisierung des Erreichten möglich sein“, stellt DGPPN-Vorstandsmitglied Professor Fritz Hohagen aus Lübeck fest.

Um die Versorgungssituation an den Bedürfnissen der Betroffenen auszurichten, bedarf es daher aus Sicht der DGPPN einer Neustrukturierung der psychotherapeutischen Versorgung. „Mit der Überarbeitung der Psychotherapierichtlinie, wie sie der Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes vorsieht, können nun die Weichen richtig gestellt werden. Doch die Verbesserung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung lässt sich nur im Rahmen eines umfassenderen, strukturierten, sektorenübergreifenden Gesamtkonzepts erzielen, das den Patienten in den Mittelpunkt stellt. Die Selbstverwaltung ist dringend aufgefordert, die notwendigen Reformen unter Einbeziehung der an der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen, der Kostenträger sowie der Betroffenen und Angehörigen umzusetzen“, fordert DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth aus Berlin.

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