Neue evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen und zusätzliche Themenschwerpunkte: Nach einem 26-monatigen Revisionsprozess macht die kombinierte S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie das aktuell verfügbare Wissen um Erkennung, Diagnose und Therapie von unipolaren Depressionen greifbar. Ziel ist es, die Versorgung von betroffenen Patienten in Deutschland weiter zu verbessern. Die Federführung und Finanzierung des Großprojektes lag bei der DGPPN.
Depressionen zählen weltweit zu den wichtigsten Volkskrankheiten. Laut Selbstauskunft leidet in Deutschland durchschnittlich jeder achte Erwachsene im Laufe des Lebens an einer depressiven Störung. Bundesweit sind innerhalb eines Jahres rund 6,2 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheit ist für die Betroffenen mit großem Leidensdruck verbunden, da sie sich zentral auf Wohlbefinden, Selbstwertgefühl und Lebensqualität auswirkt. Die WHO geht davon aus, dass unipolare Depressionen bis 2030 vor allen anderen Krankheiten stehen, was Lebensbeeinträchtigung und vorzeitigen Tod angeht.
Die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Depressionen haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Doch sind die haus- und fachärztlichen, die psychotherapeutischen und stationären Maßnahmen längst noch nicht optimal abgestimmt. Darüber hinaus stoßen evidenzbasierte Therapieverfahren bei manchen Behandlern und Patienten auf Vorbehalte.
Um die Defizite in der Versorgung abzubauen und das Wissen über Ursachen, Diagnostik und Therapie nachhaltig zu verbessern, hat die DGPPN gemeinsam mit 30 Fachgesellschaften, Verbänden und Organisationen die S3-Leitlinie bzw. Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression umfassend überarbeitet und erweitert. Sie formuliert auf über 250 Seiten mehr als 120 Schlüsselempfehlungen und ersetzt die alte Leitlinie, die 2009 erstmals veröffentlicht wurde. Initiiert und koordiniert wurde die Leitlinie von der DGPPN, die sie gemeinsam mit den beteiligten Organisationen inklusive Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften herausgibt. Die Leitlinie richtet sich an alle Berufsgruppen, die – ambulant und stationär – Patienten mit unipolarer Depression behandeln. Für Betroffene und Angehörige wird zusätzlich eine eigene Patientenleitlinie entwickelt.
Die Revision trägt wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung, der Fokus liegt auf der depressionsspezifischen Diagnostik und Behandlung. So bildet die Leitlinie insbesondere Neuerungen in der Pharmakotherapie und bei psychotherapeutischen Verfahren ab. Dabei geht sie speziell auf die Bedürfnisse älterer Patienten mit unipolarer Depression ein. Neu ist die Darstellung von niederschwelligen psychosozialen Basisinterventionen, die Psychiater, Hausärzte und Psychotherapeuten noch vor spezifischen Behandlungen einsetzen können. Weitere Schwerpunkte stellen die Darstellung der wissenschaftlichen Belege und Empfehlungen zu körperlichem Training und Sport sowie zur Elektrokonvulsionstherapie dar. Darüber hinaus ist in die neue Leitlinie erstmals ein Kapitel zum Umgang mit Patienten mit Migrationshintergrund und zur Behandlung von Frauen vor, während und nach einer Schwangerschaft integriert.