Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sind in Deutschland überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Dabei würde sich eine regelmäßige Berufstätigkeit positiv auf den Krankheitsverlauf und die Lebenszufriedenheit auswirken. Die breiten Angebote zur beruflichen Rehabilitation kommen noch nicht ausreichend bei den Betroffenen an. Dies geht aus einer aktuellen Expertise zur Arbeitssituation von schwer psychisch Kranken hervor, welche Gesundheitsstadt Berlin und DGPPN heute in Berlin vorgestellt haben.
Schwere psychische Erkrankungen sind mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbssituation der Betroffenen verbunden. Obwohl die meisten arbeiten möchten, ist die Arbeitslosigkeit in dieser Bevölkerungsgruppe überdurchschnittlich hoch. Von den Patienten mit einer schizophrenen Störung gehen zum Beispiel europaweit lediglich 10 bis 20 Prozent einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach, ein beträchtlicher Teil arbeitet unter beschützten Bedingungen. Psychische Erkrankungen sind heute der Hauptgrund für eine frühzeitige Verrentung. Auch junge Erwachsene sind betroffen: Die Diagnose einer schweren psychischen Erkrankung ist oft mit dem Abbruch der Ausbildung verbunden.
Rund 500.000 bis 1 Million der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren sind nach Schätzung der heute vorgestellten Expertise in Deutschland psychisch schwer krank. Die Teilhabe am Arbeitsleben stellt für sie ein zentrales Rehabilitationsziel dar. Denn Arbeit und psychische Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Eine regelmäßige Berufstätigkeit strukturiert den Alltag, ermöglicht Zugehörigkeit und bringt ein Einkommen. Soziale Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe basieren maßgeblich auf dem beruflichen Wirken. Die positiven Effekte von Arbeit auf den Krankheitsverlauf und die Lebenssituation von schwer psychisch Kranken sind wissenschaftlich klar belegt.
Die Expertise von Gesundheitsstadt Berlin und DGPPN zeigt auf, dass die berufliche Integration der Betroffenen trotz des breiten Angebots an Rehabilitationsmaßnahmen oft nicht gelingt. Sie arbeiten häufig auf einer Stelle des besonderen Arbeitsmarktes, d. h. in ausgelagerten Arbeitstherapieplätzen oder speziellen Werkstätten. Der Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gelingt nur selten. Die Gründe dafür sind vielfältig: So kann eine psychische Erkrankung die berufliche Leistungsfähigkeit schmälern, was mit den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen nur schwer vereinbar ist. Darüber hinaus lösen psychische Erkrankungen im sozialen Umfeld noch immer große Unsicherheit aus.
Damit die Teilhabe von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen auf dem ersten Arbeitsmarkt in Zukunft gelingt, bedarf es aus Sicht von Gesundheitsstadt Berlin und DGPPN dringend einer Anpassung der sozialrechtlichen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig müssen auch die Arbeitgeber umdenken und geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen. Anreize für Unternehmen könnten hier die gewünschten Effekte bringen. Doch auch die Betroffenen selbst und ihre Behandler sind gefordert: Die berufliche Teilhabe muss für sie eine feste Zielvariable im Behandlungsprozess darstellen.
Zur Expertise: „Arbeitssituation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in Deutschland“