Presse | DGPPN Kongress 2025
Schwerpunkt: Neurodegenerative Erkrankungen

Neurodegenerative Erkrankungen: Paradigmenwechsel in der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung

In der Diagnostik und Therapie der Alzheimer-Erkrankung sind in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt worden: Seit kurzem stehen in Deutschland erstmals Medikamente zur Verfügung, mit denen kausal in den Krankheitsverlauf eingegriffen werden kann – eine herausragende Entwicklung, die vielen Betroffenen Hoffnung macht. Für die psychiatrische Versorgung ist es aber auch eine Herausforderung, denn die Diagnostik und Behandlung von Betroffenen muss nun neu gedacht und aufgestellt werden.

Die DGPPN-Experten

Prof. Dr. Frank Jessen
Das DGPPN-Vorstandsmitglied leitet die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln. Er ist federführender Ko-Autor der S3-Leitlinie Demenzen und leitet die Kooperationseinheit Köln am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Er forscht insbesondere zur Früherkennung und Entwicklung von Therapien der Alzheimer-Demenz.
Frank Jessen steht Ihnen im Rahmen der Eröffnungspressekonferenz am 26.11.2025 um 12:00 Uhr für Fragen zur Verfügung.

Prof. Dr. Lutz Frölich 
Das Mitglied der Expertengruppe der S3-Leitlinie Demenzen leitete bis April 2025 die Abteilung Gerontopsychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Evaluation neuer Therapien bei neurodegenerativen Demenzen, sowie auf Fragen der klinischen Anwendung und Versorgung.
Lutz Frölich steht Ihnen am 28.11.2025 um 13:00 Uhr in Raum 013 für Fragen zur Verfügung. 

 

Zum Kongressbeginn werden hier Zitate aller Expertinnen und Experten freigeschaltet.

Prof. Dr. Frank Jessen: Wie die neuen Antikörper Alzheimer verlangsamen

„Die neuen monoklonalen Antikörper reduzieren Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die die Ursache für die Beeinträchtigungen durch die Alzheimer-Demenz sind. Die Antikörper binden spezifisch an Amyloid-Plaques und fördern deren Abbau durch das Immunsystem. So lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen – um etwa 30 %. Neben der Verlangsamung des kognitiven Abbaus sind auch funktionelle Verbesserungen im Alltag messbar. Nebenwirkungen sind vorübergehend und in den allermeisten Fällen leicht, am häufigsten treten Reaktionen an der Infusionsstelle auf. Von besonderer Bedeutung sind vorübergehende Schwellungen im Gehirn und Austritte von roten Blutkörperchen in das Gehirngewebe (so genannte Amyloid-Related Imaging Abnormalities, ARIA), die mittels MRT engmaschig kontrolliert werden müssen. Mit Hilfe der neuen Medikamente kann die Phase, in der die Alzheimer-Erkrankung nur mit einer leichten kognitiven Störung einhergeht, relevant verlängert werden.

Allerdings wirken die Medikamente nur, wenn sie sehr früh im Krankheitsverlauf angewendet werden, die Intervention muss deshalb frühzeitig erfolgen. Bislang wurde Alzheimer anhand von Biomarkern im Liquor oder mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) diagnostiziert. Künftig können zusätzlich blutbasierte Biomarker eingesetzt werden; sie stehen kurz vor der klinischen Anwendung: Per Bluttest können spezifische Proteine wie Amyloid-β oder phosphoryliertes Tau gemessen werden. Das ermöglicht eine frühzeitige Identifikation von Alzheimer-Risikopatienten und kann die Frühdiagnostik unterstützen.“

Prof. Dr. Lutz Frölich: Wie die neuen Antikörper zum Patienten kommen

„Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, ist nicht gewalttätig„Die neuen Diagnostik- und Behandlungsoptionen markieren einen Durchbruch, auf den wir lange gewartet haben. Sie stellen die Psychiatrie aber zugleich vor große Herausforderungen. Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie diagnostizieren bislang oft noch klinisch syndromal und mit systematischer Ausschlussdiagnostik. Die Demenzdiagnostik verlangt nun ein anderes Vorgehen.

Seit der letzten Revision der S3-Leitlinie Demenzen werden für die Alzheimer-Frühdiagnostik biologische Marker empfohlen, demnächst auch im Blut bestimmbar. Da die Biomarker-basierte Diagnostik Voraussetzung für die Indikation der Antikörpertherapie ist, muss sie erfolgreich in die Versorgung implementiert werden. Die Voraussetzungen dafür sollen jetzt durch Fortbildungen, den Aufbau von Fachnetzwerken zwischen Neurologie, Psychiatrie und Hausärzten sowie die Entwicklung klarer Versorgungsleitlinien geschaffen werden.

Die Biomarker-Diagnostik soll Patientinnen und Patienten mit nachgewiesenen kognitiven Defiziten ermöglicht werden; sie ist nicht zum Screening kognitiv gesunder Personen gedacht. Denn Aufwand und Belastung durch die Untersuchungen müssen in Relation zum individuellen therapeutischen Nutzen gesehen werden.

Deshalb muss generell vor einer Biomarker-Untersuchung eine detaillierte sachkundige Aufklärung über Nutzen und Risiken der Ergebnisse erfolgen. Zudem muss eine Aufklärung auch das Recht der Betroffenen auf ‚Nicht-Wissen‘ adressieren.

Die neuen Therapiemöglichkeiten erfordern neue, effiziente Versorgungspfade. Sie müssen genetische Untersuchungen abbilden, um festzustellen, ob eine Antikörper-Gabe möglich ist, die Durchführung der Infusionen und auch das kontinuierliche Monitoring von Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen mittels MRT. Bezüglich der Abläufe, Kapazitäten und auch der Finanzierung sind noch viele Fragen offen.“

Kongressveranstaltungen zum Thema

  • Mi 15:30 Uhr, Symposium: Effiziente Demenzfrühdiagnostik und Behandlung in der Praxis (Paris 2)
  • Mi 17:15 Uhr, Lecture Frank Jessen: Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der Alzheimer-Krankheit: Chancen und Herausforderungen für die Psychiatrie (Saal A6/7)
  • Do 15:30 Uhr, Symposium: Klinische Alzheimer-Forschung am DZNE: neue Früherkennungskonzepte, innovative Biomarker und Translation von Diagnostik in die Versorgung (New York 1)
  • Fr 10:15 Uhr, Diskussionsforum: Immuntherapie bei Alzheimer-Demenz – wohin geht die Reise? (Paris 1)
  • Sa 08:30 Uhr, State-of-the-Art-Symposium: Demenzen (Saal A8)

Verwandte Themen auf dem Kongress

  • Mi 15:30 Uhr, Symposium: Immunopsychiatrie – Update für die klinische Praxis (Saal A5)
  • Fr 10:15 Uhr, Symposium: Neues zu Blut- und Liquordiagnostik in der Psychiatrie (Paris 2)

Weiterführende Literatur und Materialien

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