Die DGPPN begrüßt es ausdrücklich, dass mit dem Bundesteilhabegesetz eine UN-BRK-konforme und vor allem ICF-orientierte Neufassung des Behinderungsbegriffs verbunden sein soll – diese Chance sollte allerdings konsequent genutzt werden und deshalb bei den konkreten Formulierungen im endgültig gefassten Gesetzestext für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen berücksichtigt werden.
Die DGPPN kritisiert hier die willkürliche und sachlich unzulässige Einschränkung auf die Barrieren (hemmend wirkende Kontextfaktoren), die Nichtberücksichtigung der Förderfaktoren (förderlich wirkende Kontextfaktoren) und die erhebliche inhaltliche Abweichung vom Behinderungsmodell der ICF. Zur Anwendung der ICF ist Deutschland verpflichtet.
Der Absatz sollte folgendermaßen formuliert werden: „Menschen mit Behinderung sind Menschen, deren Schädigungen ihrer Körperfunktionen (einschließlich der mentalen Funktionen) oder Körperstrukturen in Wechselwirkung mit Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personenbezogenen Kontextfaktoren) ihre Aktivitäten und ihre Teilhabe an der Gesellschaft langfristig beeinträchtigen. Schädigungen und Beeinträchtigungen nach Satz 1 liegen vor, wenn Körperfunktionen oder Körperstrukturen oder Aktivitäten von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Langfristig ist eine Beeinträchtigung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert. Menschen gelten als von Behinderung bedroht, wenn langfristige Beeinträchtigungen nach Satz 1 zu erwarten sind.“
Hier fehlt ein Bezug zur ICF, zu deren Anwendung Deutschland als WHO-Mitglied verpflichtet ist.
Absatz 1 sollte deshalb folgendermaßen ergänzt werden: „Alle eingesetzten Instrumente orientieren sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO.“
Grundsätzlich kommen die Formulierungen dem Verständnis der ICF nahe. Es fehlt jedoch bei dem notwendigen Bezug auf die ICF die Erwähnung der Aktivitäten. Überdies ist durchweg am Gesetzestext zu bemängeln, dass im Zusammenhang mit Körperfunktionen, Aktivitäten oder Teilhabe oft fälschlich von Einschränkungen gesprochen wird. Es muss richtig heißen: Beeinträchtigungen. Es ist mit Nachdruck darauf zu verweisen, dass die ICF im Hinblick auf die Körperfunktionen und Körperstrukturen von Schädigungen, im Hinblick auf Aktivitäten und Teilhabe von Beeinträchtigungen spricht. Es sind auch nicht die Fähigkeiten zur Teilhabe beeinträchtigt, sondern die Teilhabe ist beeinträchtigt. Fachlich völlig falsch ist die Formulierung, die Fähigkeit zur Teilhabe sei eingeschränkt. Es muss heißen, dass die Teilhabe beeinträchtigt ist. Mit großem Nachdruck ist zu verlangen, dass Behinderungsmodell und Begrifflichkeit der ICF durchgängig und ohne Abstriche im ganzen Gesetzestext angewendet werden.
Deshalb müssen die Formulierungen mit den in § 2 Begriffsbestimmungen vorgeschlagenen Formulierungen harmonisiert werden.
Die Begründung der Schwere oder Erheblichkeit von Behinderung durch die Anzahl der durch Teilhabebeschränkungen betroffenen Lebensbereiche ist völlig willkürlich und ohne jede substantielle fachliche Begründung.
Der fachlich unbegründete Satz 2 („Eine Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft in erheblichen Maße liegt vor, wenn die Ausführung von Aktivitäten in mindestens fünf Lebensbereichen nach Absatz 2 nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich oder in mindestens drei Lebensbereichen auch mit personeller oder technischer Unterstützung nicht möglich ist (erhebliche Teilhabeeinschränkung)“) sollte deshalb gestrichen werden.
Die UN-BRK fordert, allen Menschen die uneingeschränkte Teilnahme an allen Aktivitäten möglich zu machen. Ein gemeinsames Leben aller Menschen – mit und ohne Behinderungen – ist Ziel einer inklusiven Gesellschaft. Die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft wird in verschiedenen Artikeln der UN-BRK ausformuliert. In Artikel 19 postuliert die UN-BRK das Recht aller Menschen mit Behinderungen mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, mit wem sie leben. Daraus leitet die DGPPN die Forderung ab, in dem künftigen Bundesteilhabegesetz Leistungen für die Gestaltung inklusiver Sozialräume zu sichern und zu regeln. International existiert solide wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität teambasierter gemeindepsychiatrischer Interventionen. Auch in Deutschland zeigen mittlerweile erprobte und wissenschaftlich begleitete Versorgungsmodelle, dass die Teilhabe von Menschen mit psychischen Behinderungen mit der Unterstützung multiprofessioneller, teambasierter gemeindepsychiatrischer Teams und deren settingübergreifenden Behandlungs- und Rehabilitationsangeboten in den Quartieren besonders gut gewährleistet werden kann. Das Bundesteilhabegesetz kann die Voraussetzung schaffen, diese Modelle flächendeckend in die deutsche Versorgungslandschaft zu übertragen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft zu leisten.
Leider findet sich im Referentenentwurf an keiner Stelle ein relevanter Hinweis auf Multiprofessionalität, Gemeindenähe oder ähnliche für die chancengerechte Teilhabe psychisch Kranker wesentlichen Aspekte. Unbedingt ergänzt werden sollten z. B.
Individuelle und fallunspezifische Unterstützungsleistungen sollten insbesondere durch Förderung von multiprofessionellen teambasierten gemeindepsychiatrisch tätigen Teams vorgehalten werden.
Erforderlich für die Gruppe der psychisch und seelisch behinderten Menschen sind barrierefreie Zugangsmöglichkeiten zu individuell notwendigen Hilfen (24h/ 365 Tage/ Jahr).
Das bestehende und bislang vom Gesetzgeber favorisierte, über alle Sozialleistungsgebiete verstreute Behindertenrecht („Recht zur Teilhabe an…“) steht dem grundsätzlichen Erfordernis eines psychiatrischen Versorgungskontinuums von Prävention, Behandlung und Rehabilitation entgegen. Die Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist aus psychiatrisch-fachlicher Sicht von den bestehenden sozialrechtlichen Grenzen der Leistungsberechtigung und -finanzierung zu entkoppeln, d. h. Wegfall der Anrechnung von Vermögen und Einkommen der Betroffenen und Angehörigen.
Zu kritisieren ist, dass obwohl die Überführung der Eingliederungshilfe in ein gemeinsames SGB IX für 2020 in Aussicht gestellt wird, die Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen erhalten bleibt. Denn die Eigenbeteiligung wird trotz in Aussicht gestellter Anhebung von Vermögensgrenzen nach wie vor eingefordert. Zu unterstützen ist die Umsetzung der geforderten Trennung von Fachleistungen und von Leistungen zum Lebensunterhalt.
Es fehlt der Hinweis auf die bedeutsame Aufgabe des Fallmanagements, die der Unterstützung des Leistungsempfängers bei der Planung und bei der Umsetzung geplanter Maßnahmen bei der Medizinischen Rehabilitation dient. Fallmanagement ist im Interesse der Versorgungsqualität und im Interesse einer wirtschaftlichen Verwendung der eingesetzten Ressourcen unentbehrlich.
Absatz 2 sollte um eine Nummer 8 ergänzt werden: „Unterstützung bei der Planung und Umsetzung der Leistungen (Fallmanagement).“
§ 90 Absatz 2 betreibt eine Engführung der Eingliederungshilfe auf die Medizinische Rehabilitation, der die Aufgaben zugeschrieben werden, Beeinträchtigungen abzuwenden zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Mit diesem expliziten Bezug auf die Medizinische Rehabilitation werden allerdings die restriktiven Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfänge der GKV (SGB V vgl. §109 Abs. 2: „Die Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation entsprechen den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.“) als vorrangiges Leistungsgesetz wirksam.
Absatz 1 sollte deshalb nach Streichung des bisherigen Wortlautes wie folgt formuliert werden: „Die Aufgabe der Eingliederungshilfe folgt den Bestimmungen des § 4 SGB IX.“
Absatz 2 sollte wie folgt formuliert werden: „Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder der Teilhabe zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder abzuwenden, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.“
109 Absatz 2 begrenzt den Leistungsumfang: „Die Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation entsprechen den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Es entsteht eine fundamentale Leistungslücke, weil die Leistungen der GKV eng kodifiziert sind. Nur bestimmte Leistungserbringer kommen in Frage. Außerdem sind mittlerweile die meisten Empfänger von Eingliederungshilfe GKV-versichert. Insofern kommt für sie keine weitere Leistung in Betracht, falls die vorgesehene Formulierung bestehen bleibt.
Der § 109 sollte ersatzlos gestrichen werden.
Die Orientierung an der ICF ist zu begrüßen. Der eventuellen Tendenz von Leistungsträgern, Beeinträchtigungen von Aktivitäten und Teilhabe unter dem Blickwinkel der finanziellen Verantwortlichkeit für die Leistungen unvollständig zu erfassen, sollte durch eine entsprechende Vorgabe vorgebeugt werden. Zu beanstanden ist überdies der Verzicht auf eine wissenschaftliche Qualifikation der Instrumente und auf Kontextfaktoren. Der Verzicht auf die Kontextfaktoren offenbart, dass das ICF-Modell von Behinderung - nämlich die wesentliche Interaktion mit dem Kontext – nicht wirklich einbezogen wurde. Die Instrumente müssen aber auch die Kontextfaktoren (personenbezogene Faktoren und Umweltfaktoren) in ihrer hemmenden Wirkung (Barrieren) und förderlichen Wirkung (Förderfaktoren) erfassen. Für die Ermittlung des Bedarfs ist es unerheblich, welcher Leistungsträger zuständig ist.
Absatz 1 sollte deshalb folgendermaßen umformuliert werden: „Die Ermittlung des individuellen Bedarfes erfolgt durch auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhende Instrumente, die sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientieren. Die Instrumente haben die vollständige Beschreibung nicht nur vorübergehender Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen vorzusehen:“
Die Verbesserung des Zugangs zum ersten Arbeits- und freien Wohnungsmarkt für psychisch kranke und behinderte Menschen – orientiert an den Evidenzen der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen“ – ist erklärtes Ziel der DGPPN. Dazu gehört die Gewährung der größtmöglichen beruflichen Teilhabe mit den individuell notwendigen, zeitlich nicht befristeten Hilfen sowie verbesserte Zugangsmöglichkeiten zum ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit psychischen Behinderungen, welche frei sind von Institutions- und Settinggrenzen. Auch die Forderung nach Umsetzung eines Budgets für Arbeit, Etablierung der individuell definierten und bedarfsorientierten Arbeits- und Wohnassistenz im Rahmen der Assistenzleistungen hat die DGPPN schon früh erhoben.
Die DGPPN begrüßt die Öffnung und das Aufzeigen von Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen. Die Einschränkung, dass Leistungsträger nicht zwingend Leistungen durch andere Leistungsanbieter ermöglichen müssen, würde aber die Etablierung von Supported Employment als wissenschaftlich gebotene Form der Wiedereingliederungshilfe verhindern.
Absatz 3 „Eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Leistungen durch andere Leistungsanbieter zu ermöglichen, besteht nicht.“ sollte deshalb gestrichen werden.
Für die anderen Leistungserbringer müssen allerdings vergleichbare Qualitätsmerkmale in der Leistungserbringung verlangt werden, da anderenfalls möglicherweise die Auswahl vorrangig unter finanziellem Gesichtspunkt getroffen würde.
Die Einführung eines „Budget für Arbeit“ wird begrüßt.
Der Lohnkostenzuschuss muss an den ortsüblichen Tariflohn gekoppelt sein. Unbedingt sollte die Möglichkeit der Länder, von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach Absatz 2, zweiter Halbsatz abzuweichen, ausgeschlossen werden, weil sonst dem grundgesetzlichen Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (§ 72 Abs. 2) nicht entsprochen würde.
Die vorgesehene Einschränkung des Personenkreises ist entschieden abzulehnen. Das Budget für Arbeit muss allen Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen offen stehen, gerade auch denjenigen, die nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.
Leistungen dürfen nur mit Zustimmung der Leistungsberechtigten gepoolt werden.
In Abs. 2 werden unter „insbesondere“ verschiedene Leistungen aufgeführt: Es fehlen in dieser Liste alle Leistungen zur Förderung und Erhaltung von Gesundheit, insbesondere die nachgehenden Hilfen zur Sicherung der Wirksamkeit ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen (§ 54 Abs. 1 Nummer 5 SGB XII). Das ist zu kritisieren, da für derartige Leistungen kein anderer Leistungsträger in Anspruch zu nehmen ist. Mit dieser Regelungsabsicht werden unverzichtbare Leistungen für notwendige gesundheitsbezogene Aktivitäten, die die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sichern und ergänzen, und die im Alltag regelmäßig im Rahmen der Gesundheitssorge von jedem Bürger selbst zu erbringen sind, vollständig aus dem Recht der Eingliederungshilfe ausgeschlossen. Gerade Menschen mit Behinderung bedürfen dabei der Unterstützung und Assistenz. Die Regelungsabsicht bedeutet eine gravierende Verschlechterung für Menschen mit Behinderung, die oft im überdurchschnittlichen Maße von chronischen und akuten Krankheiten betroffen und deshalb oft in hohem Maße auf diesbezügliche Assistenz angewiesen sind. Die Regelungsabsicht verstößt auf gröbste Weise gegen die Forderungen der §§ 25 und 26 der UN-BRK.
Absatz 2 sollte deshalb mit einer neu eingefügten Nummer 4 hinsichtlich der aufgeführten Leistungen folgendermaßen ergänzt werden:
„1. Leistungen für Wohnraum,
2. Assistenzleistungen,
3. Heilpädagogische Leistungen,
4. Gesundheitsbezogene Leistungen
5. Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,…“
Der Begriff Verständigung (bisher Nummer 6 in Abs. 2) ist missverständlich, er sollte durch den üblichen Begriff Kommunikation ersetzt werden.
Mit der geforderten Einfügung einer neuen Nummer 4 in § 76 (Gesundheitsbezogene Leistungen) ist wie für anderen Nummern die Einfügung eines darauf bezogenen Paragraphen – hier § 76 a – erforderlich.
Ein neu einzufügender § 76 a Gesundheitsbezogene Leistungen könnte folgendermaßen formuliert werden:
(1) „Leistungen zur Sicherung der Wirksamkeit ärztlicher oder ärztlich verordneter Behandlungen werden erbracht, soweit dafür kein anderer Leistungsträger zuständig ist. Sie umfassen insbesondere die Assistenz im Hinblick auf die Einnahme ärztlich verordneter Medikamente, die Assistenz bei der Beobachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen von Behandlungen, die Assistenz bei Einhaltung von Diätvorschriften sowie die Assistenz bei der Ausführung empfohlener Übungsbehandlungen im Alltagskontext.
(2) Die Leistungen der Gesundheitssorge umfassen insbesondere die Assistenz bei der Beobachtung des Gesundheitszustandes und bei der gegebenenfalls notwendig werdenden Erschließung ärztlicher, psychotherapeutischer oder anderer therapeutischer Hilfen.
(3) Assistenzleistungen bei der gesundheitsbezogenen Gestaltung der Lebensführung dienen der Vorbeugung von Gesundheitsstörungen oder Krankheiten, der Vorbeugung von Verschlimmerungen bestehender Gesundheitsstörungen und Krankheiten sowie der Wiederherstellung der Gesundheit durch Anleitung zu gesundheitsfördernder Lebensweise und Vermeidung von gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen.“
Ebenso wird die Einführung von Assistenzleistungen unterstützt. Hier wird allerdings vorgeschlagen, die bislang wenig ausgereiften Formulierungen zu überarbeiten.
§ 78 Absatz 2 sollte dahingehend verändert werden, dass auch Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 im begründeten Einzelfall als qualifizierte Assistenz durch Fachkräfte erbracht werden können, damit bei der Bestimmung der Anforderungen an die personelle Qualifikation die Besonderheiten des Verlaufs und der konkreten Rahmenbedingungen der Leistungserbringung berücksichtigt werden können. Im individuellen Bedarfsfall muss Multiprofessionalität in der Erbringung der Assistenzleistung möglich sein. Die notwendige Koordination und Steuerung von interdisziplinärer und multiprofessioneller Arbeit ist leistungsrechtlich zu verankern.
Für eine personenzentrierte und bedarfsorientierte Teilhabeförderung für Menschen mit psychischen Behinderungen ist eine optimierte bundesweit einheitliche Gesamtplanung über alle am Teilhabeprozess beteiligten Leistungssysteme bzw. -träger erforderlich. Neben der Präzisierung von Verfahrensabläufen und -beteiligten sind vor allem effektive Instrumente und Kriterien zur lebenswelt- und sozialraumorientierten Bedarfsermittlung konkret zu benennen und für alle Leistungsträger verbindlich einzuführen. Im Bereich psychischer Erkrankungen kann hierbei auf gute wissenschaftliche Evidenzen zurückgegriffen werden.
Deshalb fordert die DGPPN die bundesweit einheitliche Gesamtplanung und -koordinierung aller am Teilhabeprozess beteiligten Leistungssysteme und -träger und die Einführung bundeseinheitlicher Regeln für die Bearbeitung und Überwindung von Schnittstellen
Die DGPPN unterstützt ausdrücklich die Einführung von Teilhabeplänen und Teilhabeplankonferenzen durch die verantwortlichen Rehabilitationsträger (§§ 19 und 20). Allerdings scheint die Verbindlichkeit dieser Maßnahmen durch die vorliegenden Formulierungen noch nicht gegeben, da Angaben zu den Konsequenzen bei abweichendem Vorgehen fehlen. Dies gilt auch für § 119 Gesamtplankonferenz.
§ 20 Absatz 1 Satz 1 sollte geändert werden in „Mit Zustimmung der Leistungsberechtigten hat der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens nach § 19 verantwortliche Rehabilitationsträger zur gemeinsamen Beratung der Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf eine Teilhabeplankonferenz durchzuführen.“
§ 119 Absatz 1 Satz 1 sollte geändert werden in „Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten hat der Träger der Eingliederungshilfe eine Gesamtplankonferenz durchführen, um die Leistungen für den Leistungsberechtigten nach den Kapiteln 3 bis 6 sicherzustellen.“
Die Beeinträchtigungen und Behinderungen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, unterscheiden sich oftmals stark von den Problemen körperlich behinderter Menschen. Deshalb fordert die DGPPN die ausdrückliche Aufnahme des Personenkreises wesentlich seelisch behinderter Menschen in eine bundesweite Teilhabeberichterstattung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Teilhabechancen und Lebenslagen. Dies beinhaltet die Entwicklung von Indikatoren für die Wirksamkeit der Unterstützungsleistungen und Vorschläge für Veränderungen sowie die Förderung von Projekten einer praxisorientierten Versorgungsforschung.
Die Einführung einer „Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, deren Aufgabe es u. a. ist, die Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger zu beobachten und zu evaluieren, wird begrüßt. Allerdings fordert die DGPPN, sicherzustellen, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft auch die spezifischen Bedarfe von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen berücksichtigt.
Die DGPPN begrüßt die Berichtspflicht der Bundesregierung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderungen bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft einmal in der Legislaturperiode. Da die Probleme und Bedürfnisse der Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen jedoch oftmals sehr von denen der körperlich behinderten Menschen abweichen können, muss gewährleistet werden, dass erstere Gruppe entsprechend berücksichtigt wird.
§ 88 Absatz 1 Satz 3 sollte geändert werden in „Gegenstand des Berichtes sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts sowie spezifische Anliegen von einzelnen Untergruppen“.
Zentraler Aspekt bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist für die DGPPN die Förderung von integrativen, sektor- sowie settingübergreifenden Unterstützungs-, Behandlungs- und Rehabilitationsangeboten als Teil eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungskontinuums inklusive von Modellen zur Peer-Beratung, Genesungsbegleitung und Stärkung von Selbsthilfestrukturen. Dazu gehört die Förderung von entsprechenden Modellen oder Schaffung einer Experimentierklausel zur Förderung innovativer Umsetzungsmodelle mit finanziellen Anreizen für die Beteiligten und einer wissenschaftlichen Evaluation.
Die in Aussicht gestellte Förderung von Modellvorhaben, welche den Vorrang von Leistungen zur Teilhabe und die Sicherung der Erwerbsfähigkeit unterstützen, wird positiv bewertet. Im Bereich der Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wird es entscheidend sein, das die Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Projekte zu Supported Employment, gemeindenaher Versorgung mit CMHT-/ ACT-/ HT- Charakter und Übergänge im SGB V-Bereich berücksichtigen.
Die Einführung des Formats der unabhängigen Beratung wird begrüßt – insbesondere die Förderung der unabhängigen ergänzenden Beratung von Betroffenen für Betroffene. Die DGPPN bedauert allerdings, dass das Angebot bis zum 31.12.2022 befristet sein wird.
Es wird empfohlen, Absatz 5 „Die Förderung erfolgt aus Bundesmitteln und ist bis zum 31. Dezember 2022 befristet.“ zu streichen
Es muss klagestellt werden, welche „sonstigen Beratungsstellen zur Rehabilitation“ zur Verfügung stehen
Es muss konkretisiert werden, wo die in § 34 Absatz 1 Satz 1 erwähnten Ärzte angesiedelt sein sollen. Ebenso unklar bleibt, ob die ärztliche Beratung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen und dort vergütet werden soll oder ob andere Ärzte damit beauftragt werden sollen.
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