06.11.2025 | Stellungnahme

Budgetkürzungen beschneiden die psychiatrische Versorgung

Rotstift wird die Versorgungsqualität nachhaltig verschlechtern | Die am heutigen 06. November vom Bundestag beschlossenen Budgetkürzungen zur Stabilisierung der GKV-Beiträge bedeuten eine erhebliche zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser in einer Phase der Unsicherheit durch die Krankenhausreform. Die Maßnahmen werden sich negativ auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung auswirken. Dies gilt auch für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.

In der Anhörung des Gesundheitsausschusses am 03.11.2025 hatte die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) deutliche Worte gefunden: Das Sparpaket könnte bereits Ende 2026 zu einer Finanzierungslücke von knapp 6 Milliarden Euro bei den Kliniken führen, so dass diese dann zunehmend gezwungen sein würden, sich von defizitären Bereichen zu trennen.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist der Auffassung, dass die beschlossenen Einsparungen die Versorgungsqualität beeinträchtigen werden und warnt zugleich davor, die derzeit schon prekäre Situation der psychiatrischen Kliniken weiter zu verschärfen.

Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der DGPPN: „Die psychiatrische Versorgung braucht einen intelligenten und flexiblen Einsatz von Ressourcen – und keine Kürzungen! Leider haben die Argumente von Expertinnen und Experten aus Fachgesellschaften und Gremien den heutigen Beschluss nicht verhindern können.“

Die Budgetkürzungen sind alles andere als die von den Kliniken benötigte Verlässlichkeit und Planbarkeit, um den Herausforderungen der Krankenhausreform begegnen zu können. Schon jetzt bewerten mehr als 72 % der bundesdeutschen psychiatrischen Kliniken an Allgemeinkrankenhäusern ihre wirtschaftliche Lage als eher mäßig bis schlecht. Weitere Kürzungen werden diese Situation noch verschärfen und zu einer Einschränkung des psychiatrischen stationären Leistungsangebotes führen. Zugleich können diese Kürzungen dazu beitragen, das psychiatrische Versorgungs-Gefälle zwischen Stadt und Land und zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen weiter zu vertiefen.

PPP-RL | Die Kürzungen treffen die psychiatrischen Kliniken in einer herausfordernden Konstellation: Am 01.01.2026 werden die Sanktionsmaßnahmen der PPP-RL scharfgeschaltet. Die seit 2020 in den Krankenhäusern geltende Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) hat Untergrenzen für die Personalausstattung definiert. Kliniken, welche sie – auch nur temporär und in einzelnen Berufsgruppen – nicht einhalten können, müssen mit drastischen Strafzahlungen rechnen. Alleine diese werden in vielen Kliniken eine Abwärtsspirale auslösen: Bettenabbau, Stilllegung innovativer Angebote, Motivationsverlust der Mitarbeitenden – bis hin zur Schließung ganzer Kliniken. Sanktionen sind aus Sicht der DGPPN definitiv kontraproduktiv. Es wäre stattdessen angeraten, alternative sektorenübergreifende und flexible Modelle – idealerweise mit Globalbudgets – zu implementieren, die den Kliniken dabei helfen können, das vorhandene Personal bedarfsadaptiert effizienter einsetzen zu können. Solche Modelle nach § 64b SGB V wurden bereits in vielen Bundesländern erprobt und erfolgreich evaluiert, so dass sie in die Routineversorgung implementiert werden könnten.

Kürzungen Innovationsfonds | Doch auch an dieser Stelle sieht der Gesetzgeber Einschnitte vor: Gerade an der Erprobung innovativer, sektorenübergreifender neuer Versorgungsformen und Vorhaben der patientennahen Versorgungsforschung werden massive Kürzungen vorgenommen und gefährden somit nicht nur die aktuelle, sondern auch die zukünftige Versorgung. Denn die beschlossene Halbierung der Mittel des Innovationsfonds von 200 auf 100 Millionen Euro ist ein Schlag ins Gesicht der Forschung. Die Mittelkürzungen fallen mit der Meldung zusammen, dass 2025 mit 268 Projekten eine Rekordzahl an Förderanträgen eingegangen ist.

Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Past President der DGPPN: „Ohne Forschung keine Zukunft. Wer den Innovationsfonds halbiert, kappt die Versorgung von morgen.“ Wie soll die gesundheitliche Versorgung zukunftsfähig, moderner und sicherlich an vielen Stellen auch nachhaltiger gestaltet werden, wenn die Finanzierung für die Entwicklung und Überprüfung innovativer Ideen gestrichen wird? Andreas Meyer-Lindenberg weiter: „Forschung braucht verlässliche Rahmenbedingungen – und keinen Rotstift.“

Im Blick auf die Versorgungssicherheit und Qualität im stationären Setting der Kliniken werden sich die Kürzungen im Zusammenspiel mit der Umsetzung der PPP-RL katastrophal auswirken. „Im Sinne der Patientinnen und Patienten ist nun der Gesetzgeber gefordert: Er sollte dafür sorgen, dass die Kürzungen nicht zu einer dauerhaften Absenkung der Mittel führen und gleichzeitig die PPP-RL-Sanktionen aussetzen. Auch sollte der Orientierungswert, der die Pflegepersonalkosten entwickelt, für die psychiatrischen Einrichtungen auf 3,26 % statt 2,98 % angesetzt werden, da sie – anders als die somatischen Kliniken – kein gesichertes Pflegebudget haben. Zugleich brauchen wir bessere Rahmenbedingungen: Mit der flächendeckenden Etablierung von Globalbudgets können wir kostenneutral bessere und flexiblere Behandlungen anbieten“, so die DGPPN-Präsidentin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank. „Wir können es uns als Gesellschaft nicht erlauben, die psychiatrische Versorgungsqualität aufs Spiel zu setzen!