Die DGPPN dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu obenstehendem Arbeitsentwurf. Im ersten Teil der Stellungnahme werden zunächst die Änderungen der ÄApprO im Allgemeinen, v. a. in Hinblick auf strukturelle Änderungen, kommentiert. Im zweiten Teil wird detailliert auf einige Spezifika in Lehr- bzw. Prüfungsinhalten, die die Psychiatrie und die Psychosoziale Medizin betreffen, eingegangen.
Allgemeine Bewertung
Positiv zu bewerten ist aus Sicht der DGPPN zum einen die höhere Wissenschaftlichkeit, die sich in einem longitudinalen Track sowie in einer Studienarbeit abbildet, zum anderen der höhere Stellenwert, den die Vermittlung und Übung sozial-kommunikativer Kompetenzen künftig über das gesamte Studium hinweg in Form eines longitudinalen Tracks einnehmen soll.
Ebenso begrüßt werden die Änderungen im PJ, gemäß derer die ganzheitliche Betreuung von mindestens zwei Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung unter Aufsicht an Universitätskrankenhäusern und Lehrkrankenhäusern erfolgen soll.
Die detaillierteren Vorgaben zur mündlich-praktischen Prüfungsform des letzten Staatsexamens bieten aus Sicht der DGPPN zudem eine höhere Objektivität als bisher und werden daher ebenfalls begrüßt.
Erfreulich ist aus Sicht der DGPPN zudem das erhöhte Augenmerk auf die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit im Sinne der Patientensicherheit.
Negativ zu bewerten ist, dass die vom Wissenschaftsrat empfohlene Zunahme an Wahlfreiheit und damit Schwerpunktbildung in diesem Entwurf nicht realisiert wurde. Das Kerncurriculum mit verpflichtenden Lehrveranstaltungen sollte gemäß dieser Empfehlung 75 % des gesamten Curriculums umfassen, 25 % der Zeit sollten den Fakultäten und den Studierenden für eine individuelle Schwerpunktsetzung eingeräumt werden. Leider sind die vielen kleinteiligen, zum Teil widersprüchlichen Vorgaben, z. B. in Stundenzahlen, Lehr- und Prüfungsformaten und Anforderungen an das Lehrpersonal, nicht vereinbar mit einer Möglichkeit der individuellen Schwerpunktsetzung in der Ausbildung (Neigungsorientierung), die sich in diesem Entwurf unverändert auf die Wahlfächer beschränkt.
Zudem ist das in dem Entwurf dargestellte Studium mit vier Staatsexamina (davon zwei mit aufwändigen OSCEs) sehr prüfungszentriert, belastet Studierende wie Fakultäten enorm, bindet Lehrpersonal und macht das Curriculum unflexibler. Auch eine erschwerte individuelle Profilbildung der Fakultäten ist die Folge.
Schließlich lehnt die DGPPN eine Verkürzung des Studiums auf Antrag (Innovationsklausel) ab. Aus Sicht der DGPPN konterkariert diese Klausel die Pläne zur Stärkung der Interprofessionalität, zur besseren patientenbezogenen Ausbildung im PJ und zur Erhöhung der Wissenschaftlichkeit.
Fachspezifische Empfehlungen
Nach der allgemeinen Beurteilung des Entwurfs zur neuen ÄApprO möchten wir im Folgenden auf einige Spezifika eingehen, die speziell die Psychiatrie und Psychotherapie sowie andere, die Psychosoziale Medizin vertretende Fächer betreffen.
Zu § 1, Absatz 2, Punkt 10, u. a. (Ziele der Ärztlichen Ausbildung)
Hier werden im Entwurf als Ziele und Inhalte der ärztlichen Ausbildung genannt:
Grundkenntnisse der Einflüsse von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, sozialem, kulturellem und religiösem Hintergrund, sexueller Orientierung Umwelt und Beruf auf die Gesundheit und die Bewältigung von Krankheitsfolgen.
Angesichts der großen Bedeutung, die Einflüsse von Kindheitsbelastungen und Traumatisierungen auf die Entstehung nicht nur psychischer, sondern auch vieler somatischer Erkrankungen haben, wäre dieser Aspekt zusätzlich zu lehren und zu prüfen (d. h. auch den Prüfungsinhalten in § 115, Punkt 8 hinzuzufügen).
Zu § 23 (Blockpraktika)
Die Blockpraktika mit Leistungsnachweisen (§ 23) werden, anscheinend aus historischen Gründen, in den Fächern Innere, Chirurgie, Pädiatrie und Gynäkologie und zusätzlich einem Wahlfach absolviert. Für die Auswahl der Fächer wäre eine Berücksichtigung von Krankheitsprävalenzen sinnvoll. Aus Sicht der DGPPN sollten epidemiologisch bedeutsame Fächer, zu denen auch die Psychiatrie und Psychotherapie zählt, bei diesen Blockpraktika berücksichtigt werden.
Zu § 40, Absatz 1, Punkt 3 (Praktisches Jahr), § 41, Absatz 2 (Ort der Durchführung) und § 116, Absatz 2 (Prüfung am Patienten)
Während die Allgemeinmedizin in der Lehre mit einem achtwöchigen Praktikum und einer longitudinalen Integration sowie im 4. Staatsexamen als Pflichtfach abgebildet ist, sind die Facharztdisziplinen mit dem Neuentwurf schwächer repräsentiert. Auch wenn die stärkere Gewichtung der Ausbildung im ambulanten Sektor, und hierbei auch der PJ-Ausbildung, begrüßenswert ist, so sollte diese nicht auf allgemeinmedizinische Praxen begrenzt sein, sondern im Sinne „geeigneter Einrichtungen“ auch in Lehrpraxen für Psychiatrie und Psychotherapie oder einem anderen Fach der psychosozialen Medizin sowie in Psychiatrischen bzw. Psychosomatischen Institutsambulanzen (PIA bzw. PsIA) abzuleisten sein. Dies würde zudem die Fakultäten davon entlasten, eine hinreichende Anzahl von allgemeinmedizinischen Lehrpraxen zu finden, zumal die Fakultäten hierauf keinerlei Zugriffsrecht haben. Die Prüfungsinhalte gemäß § 116 wären konsistent anzupassen.
Die geringe Beachtung der Facharztdisziplinen bildet sich auch darin ab, dass keine praktisch-klinische Prüfung am Patienten im Wahlfach erfolgen soll. Nach Ansicht der DGPPN sollte sich die Prüfung im Sinne der Schwerpunktbildung auch auf das Wahlfach erstrecken.
Zu § 53, Absatz 2 (Anforderungen an die Lehrkrankenhäuser)
Wir begrüßen die Bemühungen zur Qualitätssicherung der PJ-Ausbildung an Lehrkrankenhäusern. In diesem Sinne erscheint es notwendig, dass Lehrkrankenhäuser nicht nur über ausreichende Patientenzahlen in Innerer Medizin und Chirurgie verfügen, sondern auch über eine Breite in der konsiliarischen Versorgung mit wichtigen medizinischen Fachabteilungen. Die Auflistung der geforderten Fachgebiete (Augenheilkunde, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Neurologie und diagnostische Radiologie oder Strahlentherapie) erscheint jedoch willkürlich und nicht durch die typischen und epidemiologisch dokumentierten Komorbiditätsspektren internistischer bzw. chirurgischer Patienten hinreichend begründet. Aufgrund der großen epidemiologischen Bedeutung psychischer Erkrankungen in der somatischen Medizin (liegen bei ca. einem Viertel aller somatischer Patienten vor) ist die Ausstattung mit einer psychiatrischen und/oder psychosomatischen Fachabteilung ebenso notwendig.
Zu § 116 (Inhalt und Dauer der Prüfung an dem Patienten oder an der Patientin im 4. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung)
Die klinisch-praktischen Prüfungen am Patienten im letzten Staatsexamen sollten neben der Anamneseerhebung und der kompletten körperlichen Untersuchung des Patienten auch regelmäßig die Untersuchung des psychischen Befundes beinhalten.
Zu Anlage 14 (Klinischer Prüfungsstoff für den Ersten, den Zweiten und den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung)
Der 11. Spiegelstrich lautet wie folgt:
„Anwendung konservativer, operativer und physikalischer Behandlungsverfahren ein-schließlich Strahlenbehandlung, Grundprinzipien operativer Techniken, Grundprinzipien der Vor- und Nachbehandlung, klinische Pharmakologie und Pharmakotherapie, spezielle therapeutische Verfahren, Indikationen, Kontraindikationen, Prognose, Rehabilitation, Gesundheitsberatung, Behandlung von Langzeitkranken, unheilbar Kranken und Sterbenden, Schmerzbehandlung und Palliativmedizin“
Hier sollte ergänzend die Psychotherapie genannt werden. Im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung, die die somatische Therapie und den psychosozialen Versorgungsbedarf berücksichtigt, sollte jeder Arzt unabhängig von der Facharztweiterbildung mit den Grundprinzipien evidenzbasierter psychotherapeutischer Behandlungstechniken vertraut sein, nicht zuletzt damit er oder sie die Indikation dafür stellen kann. Deshalb sollte die evidenzbasierte Psychotherapie als wichtiges ärztliches Betätigungsfeld explizit als klinischer Prüfungsstoff der Ärztlichen Prüfungen genannt werden.
Auch wäre in dieser Anlage hinzufügen, dass die Wechselwirkungen zwischen Soma und Psyche verstanden werden sollen, sowohl was die Wirkung somatischer Erkrankungen auf die Psyche, aber auch was die Folgen psychischer Erkrankungen auf die körperliche Gesundheit betrifft.
Zu Anlage 15 (Übergeordneter, kompetenzbezogener Prüfungsstoff für den Ersten, den Zweiten und den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung)
Unter VII: Klinisch-praktische Fertigkeiten werden aufgeführt:
(…) Patientennahe therapeutische Kompetenzen (Basisversorgung zu Atmung, enteraler Zufuhr und Ausscheidung, intravenöse Therapie, grundlegende Versorgung von Wunden und Verletzungen). Methode der Erhebung des psychopathologischen Befundes. Notfallmaßnahmen.
Hier sollten die „Notfallmaßnahmen“ mithilfe der folgenden Formulierung spezifiziert werden: „Notfallmaßnahmen bei somatischen und psychischen Erkrankungen“.
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