eMEN Veranstaltung „E-Mental-Health-Implementierung: Die digitale Revolution in der psychosozialen Versorgung“

Hier finden Sie den Veranstaltungsrückblick zum Nachlesen.

Rund 120 Teilnehmer folgten der Einladung DGPPN, des Aktionsbündnisses für Seelische Gesundheit (ABSG) und dem LVR-Institut für Versorgungsforschung (LVR-IVF) zum Seminar in Düsseldorf. Im Haus der Universität präsentierten renommierte nationale und internationale Referenten den Interessierten den aktuellen Stand der Forschung, gaben praktische Einblicke sowie spannende Anregungen, wie und unter welchen Rahmenbedingungen onlinebasierte Interventionen in der psychosozialen Versorgung in Deutschland genutzt werden können.

Die Vorträge
Zu Beginn stellte Oyono Vlijter, Arq Foundation, Amsterdam, das eMEN Projekt vor. Das transnatio-nale Projekt setzt sich aus 10 Partnern, sechs verschiedener Länder, aus dem Raum Nordwesteuropa, zusammen. Ziel des Projekts sei es, die Entwicklung, Verbreitung und Nutzung von E-Mental-Health-Anwendungen zu fördern. Diese seien ein Baustein um einen einfachen, bezahlbaren Zugang zu psychosozialer Versorgung in Europa zu ermöglichen, so Vlijter.

Prof. Heleen Riper, VU University Amsterdam, verdeutlichte den Bedarf an Angeboten zur Schließung europaweiter Lücken in der psychosozialen Versorgung. Sie legte dar, dass im EU-weit nur etwa ein Drittel der Patienten mit psychischen Erkrankungen eine Behandlung bekommen würden und die Wartezeiten oft lang seien. Prof. Riper zeigte, dass qualitativ hochwertige digitale Anwendungen wirksame Interventionen sein können. Das Spektrum der angebotenen Interventionen sei sehr breit und reiche von präventiven und psychoedukativen Angeboten bis hin zu Anwendungen, die bei ausgeprägten psychischen Erkrankungen zum Einsatz kommen würden. Internetbasierte Interventionen, eingesetzt im richtigen Setting, könnten einen wichtigen Beitrag in der psychosozialen Versorgung leisten.


Warum sind E-Mental-Health-Anwendungen dann noch nicht in der Regelversorgung in Deutschland angekommen?
Karsten Knöppler, fbeta GmbH, identifizierte die kurzen Entwicklungszyklen digitaler Anwen-dungen als eine große Herausforderung bei der Zulassung für den ersten Gesundheitsmarkt. Das Zulassungsverfahren des Gesundheitssystems sei langwierig und aufwendig. Schnelllebige Produkte und Anwendungen, die laufend angepasst und überarbeitet werden, würden hier an Grenzen stoßen. Knöppler machte deutlich, dass es neuer Verfahren, u.a. bei der Nutzenbewertung, bedürfe um den besonderen Eigenschaften dieser Anwendungen gerecht zu werden. Gleichzeitig betonte er, dass es ein großes ungenutztes Potential von E-Health-Anwendungen vor allem bei akut und chronisch erkrankten Patienten gebe.

Dr. Susanne Klein, Techniker Krankenkasse, berichtete von einer wachsenden Nachfrage nach digitalen Angeboten unter den Versicherten. Sie konnte überdies bereits von positiven Erfahrungen mit internetbasierten Interventionen im Versorgungsalltag berichten. In einem Modellprojekt habe die Techniker ihren Versicherten den Depressionscoach zur Verfügung gestellt. Dieses Programm zur Onlineberatung richte sich vor allem an Menschen mit leichten und mittelschweren Depressionen und werde psychotherapeutisch begleitet. Die Ergebnisse des Modellversuchs würden zeigen, dass es eine gute Akzeptanz unter den Versicherten gegenüber dem Onlineprogramm gegeben habe und eine Implementierung in die Praxis erfolgreich gelingen könne. Sie betont, dass internetbasierte In-terventionen hohe Qualitätsstandards erfüllen müssen und Onlinetherapie keine kostengünstige Alternative zu bisherigen Versorgungsformen darstellen sollte, sondern ein zusätzliches Angebot sei.

Best-Practice-Beispiele
Weitere Einblicke in die Nutzung von E-Mental-Health-Angeboten im Versorgungsalltag boten die Best-Practice-Beispiele. Vier Initiativen und Unternehmen unterschiedlicher Ausrichtung stellten ihre Projekte vor und gaben Einblick in die Möglichkeiten von E-Mental-Health in verschiedenen Anwendungskostexten.

Prof. Martin Lambert, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, stellte das E-Mental-Health-Portal E-RECOVER des RECOVER Projekts in Hamburg vor. Das Projekt nutze einen ganzheitlichen Ansatz um die psychosoziale Versorgungssituation in der Region zu verbessern. Das E-RECOVER Portal ermögliche allen Beteiligten auf die relevanten Befunde zuzugreifen, Informationen auszutauschen und gemeinsam Behandlungspläne zu erstellen.
Das Erasmus+ geförderte Therapy 2.0 Projekt verfolge das Ziel, Therapeuten und Beratern neue Möglichkeiten in der therapeutischen Interaktion mit „Digital Natives“ zu eröffnen.

Evelyn Schlenk, Institut für Lern-Innovation der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, präsentierte das umfassende Programm des Projekts, das unter anderem die Besonderheiten computergestützter Kommunikation in Beratung und Therapie thematisiere sowie medizinischem Fachpersonal Hilfestellungen zu rechtlichen und ethischen Aspekten der Onlineberatung und -therapie biete.

Prof. Eva Meisenzahl, LVR-Klinikums Düsseldorf, stellte einen weiteren Bereich digitaler Anwendungen vor. Im Projekt PRONIA fokussiere sie auf die Chancen computergestützter Diagnostik bei psychischen Erkrankungen. Hierfür habe sie mit ihren Kollegen eine E-Mental-Health-Plattform entwickelt, die Befunde verschiedener Quellen vereinen und eine individualisierte, reliable E-Health Diagnostik ermöglichen würde.

Dr. Bart Schrieken, Interapy, Amsterdam, gab einen Einblick in die Implementierungspraxis der Niederlande, die europaweit zu den Frontrunnern im Bereich E-Mental-Health zählen. Interapy biete begleitete Interventionen an, die verhaltenstherapeutischen fundiert sein. Während der Onlinetherapie würden die Patienten online von einem Psychologen betreut werden. Dr. Schrieken berichtete von den Anfängen internetbasierter Interventionen in den Niederlanden machte deutlich, dass E-Mental-Health-Angebote einen wichtigen Beitrag für die Versorgung leisten können.

Podiumsdiskussion
An der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen sowohl der Präsident des Vorstandes der Bun-despsychotherapeutenkammer Dr. Ernst Dietrich Munz als auch Dr. Franz Joseph Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundes-ärztekammer teil. Grundtenor dieser Diskussion war, dass onlinebasierte Interventionen ein „Tool“ sein können, welches die Versorgung von psychischen Erkrankungen verbessern und den Zugang zu psychosozialer Versorgung erleichtern könne. Die Diskutanten waren sich einig, dass E-Mental-Health-Anwendungen ein zusätzliches Angebot zu bestehenden Strukturen in der Versorgung dar-stellen können, um die Reichweite der Angebote zu erhöhen. Voraussetzung für die Nutzung digitaler Anwendungen seien hohe Qualitätsstandards. Es bedürfe klarer Kriterien zur Bewertung der Qualität der Angebote, um Fachpersonal und Patienten Orientierung auf einem schnell wachsenden Markt zu bieten. Eine Integration von E-Mental-Health in Aus- und Weiterbildung sei außerdem notwendig, um Ärzten und Therapeuten die nötigen Skills im Umgang mit den neuen Verfahren zu vermitteln. Um bei der wachsende Nachfrage nach digitalen Interventionen den Anschluss nicht zu verpassen, brauche es eine aktive Gestaltung und politische Willensbildung um die Implementierungspläne voranzutreiben.
Das Seminar wurde im Rahmen des von der EU kofinanzierten Projektes eMEN durchgeführt und war das zweite dieser Art in Deutschland.

Mehr Informationen zu den Zielen, Veranstaltungen und den Partnern von eMEN finden Sie unter: www.nweurope.eu/emen.

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