Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten
Eine Initiative des Bundesrats hat zum Ziel, Eheleuten im Fall einer schweren Erkrankung oder eines Unfalls die Vertretung des betroffenen Partners zu erleichtern. Ein entsprechender Änderungsantrag des Kabinetts beinhaltet nun, dass Ehegatten künftig berechtigt sind, für den Partner Entscheidungen über medizinische Behandlungen zu treffen, wenn der andere aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen oder seelischen Behinderung die entsprechenden Angelegenheiten nicht besorgen kann. Die DGPPN sieht dadurch die Selbstbestimmungsrechte der Patienten gefährdet und lehnt deshalb sowohl den Gesetzentwurf als auch den vorliegenden Änderungsantrag ab.
Mit dem Gesetzesentwurf möchte der Bundesrat festschreiben lassen, dass Ehegatten und Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft wechselseitig berechtigt sind, einander hinsichtlich der Gesundheitssorge und anderer der Fürsorge dienenden Angelegenheiten zu vertreten, falls einer von beiden aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen oder seelischen Behinderung die entsprechenden Angelegenheiten nicht besorgen kann – ohne dass es hierzu einer expliziten vorherigen Ermächtigung (Vorsorgevollmacht) oder der Einrichtung einer Betreuung bedarf. Die Bundesregierung will diese Regelung, u. a. weil sie ein erhebliches Missbrauchspotential befürchtet, ausschließlich auf die Gesundheitssorge beschränken.
Die DGPPN, die größte medizinische Fachgesellschaft für den Bereich der psychischen Gesundheit in Deutschland, bewertet den Gesetzentwurf und den vorliegenden Änderungsantrag insgesamt sehr kritisch.
Das grundrechtlich verbriefte Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist in den letzten Jahren durch eine Vielzahl an höchstrichterlichen Entscheidungen und medizinethischen Stellungnahmen betont und gestärkt worden. Auch in Situationen, in denen ein Patient sein Selbstbestimmungsrecht nicht aktiv ausüben kann – z. B. weil er nach einem Unfall bewusstlos ist oder weil er aufgrund einer psychischen Erkrankung akut nicht in der Lage ist, bestimmte Entscheidungen selbstbestimmt zu fällen – muss alles dafür getan werden, dass die Behandlung entsprechend dem vorausverfügten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen durchgeführt wird. Um dies zu ermöglichen wurden in den letzten Jahrzehnten wirkungsvolle Instrumente wie Patientenverfügungen, Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten geschaffen, die es dem Patienten ermöglichen, seine Behandlung vorausschauend zu planen und für die Umsetzung seines Willens Sorge zu tragen. Teil dieses sorgfältigen und umfänglichen Sicherungssystems sind das Patientenrechtegesetz sowie das Betreuungsrecht, das es gerichtlich bestellten und kontrollierten rechtlichen Betreuern ermöglicht, im Interesse des Patienten Entscheidungen zu treffen, die soweit als möglich dem entsprechen müssen, was der Betreffende gewollt hat oder wahrscheinlich gewollt hätte.
Die pauschale Ermächtigung eines Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners, im Falle der Selbstbestimmungsunfähigkeit des anderen Entscheidungen zu treffen, die dessen Gesundheitssorge und womöglich noch andere Angelegenheiten betreffen, ist aus medizinischer Sicht weder notwendig noch sinnvoll.
Sie ist nicht notwendig, weil unaufschiebbare Behandlungsentscheidungen in absoluten Notfallsituationen, also bei akuter Lebensgefahr, auch ohne die Einwilligung des Patienten durchgeführt werden dürfen (und müssen), wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entsprechen (§ 630d BGB). Eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht sind zu beachten – und es steht nichts der Einbeziehung von Informationen des Ehegatten, Partners oder anderer Bezugspersonen zum mutmaßlichen Willen des Patienten entgegen. Eine Ermächtigung des Partners zur substitutiven Einwilligung in solche Behandlungen ist aber weder aus Sicht des Patienten, noch aus Sicht des Arztes notwendig, um dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen – um den es ausschließlich geht – Geltung zu verschaffen. Sind hingegen medizinische Entscheidungen aufschiebbar, so geben entweder einschlägige Vorausverfügungen des Patienten in einer Patientenverfügung den Weg vor oder aber es steht der Weg für die Einrichtung einer
(Eil-)Betreuung offen. Auch in diesem Fall ist eine Ermächtigung des Partners nicht notwendig, um Behandlungsentscheidungen im Sinne des Betroffenen herbeizuführen.
Eine pauschale Ermächtigung im oben dargelegten Sinne ist aus einer Vielzahl von Gründen auch nicht sinnvoll:
Zusammenfassend schlägt die DGPPN deshalb vor, das geplante Gesetzesvorhaben in der vorliegenden Form nicht weiterzuverfolgen, da es weder notwendig noch sinnvoll ist. Stattdessen sollten Bund und Länder verstärkte Anstrengungen unternehmen, die Bevölkerung über Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu informieren und für deren Einsatz intensiv werben.
Für den Vorstand
Prof. Dr. Arno Deister
Präsident der DGPPN
Prof. Dr. Thomas Pollmächer
Vorsitzender Task-Force Patientenautonomie der DGPPN
Stellungnahme zum Download [PDF, 252 KB]