Bis zum Jahr 2050 könnten in Deutschland 2,8 Millionen Menschen an Alzheimer und anderen Demenzen leiden. Zwar sind in der Forschung in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Bereich der Diagnostik und Therapie erzielt worden, allerdings ist die Erkrankung bis heute nicht heilbar. Mit einer frühen Diagnostik und optimalen medizinischen und pflegerischen Versorgung kann aber der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden. Gerade wurde zudem erstmals ein Medikament zugelassen, das kausal in den Krankheitsverlauf eingreift.
Prof. Dr. Frank Jessen
Mitglied im Vorstand der DGPPN, federführender Ko-Autor der S3-Leitlinie Demenzen:
„Die psychiatrische Behandlung einer Demenz zielt darauf ab, medikamentös und psychotherapeutisch die Symptome zu lindern und die Lebensqualität von Betroffenen und ihren Angehörigen zu verbessern. Seit kurzem gibt es für die Behandlung der häufigsten Form der Demenzen, der Alzheimer-Krankheit, auch Arzneimittel, die kausal in den Krankheitsverlauf eingreifen und so das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen können. Gerade hat die Europäische Arzneimittelbehörde die Zulassung des Antikörpers Lecanemab empfohlen, weitere Medikamente sind derzeit in der Entwicklung. Mit ihrer Hilfe könnte man bei frühzeitiger Intervention die Phase verlängern, in der nur eine leichte kognitive Störung und leichte Demenz vorliegt.
Wichtig zu beachten ist, dass die erfolgreiche Behandlung mit Lecanemab eine frühe Diagnostik der Erkrankung voraussetzt. Das erfordert ein Umdenken im Diagnoseprozess. Bislang wird bei ersten Anzeichen einer kognitiven Einschränkung zunächst beobachtet und abgewartet. Damit wir das Fenster für den Beginn einer erfolgreichen Antikörpertherapie nicht verpassen, brauchen wir jetzt eine veränderte Diagnosepraxis. Wenn ein Betroffener mit kognitiven Auffälligkeiten zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder auch in eine Hausarztpraxis kommt, müssen künftig direkt weitere Untersuchungen initiiert werden. Beispielsweise kann mittels Liquordiagnostik festgestellt werden, ob biologische Marker auf eine Alzheimer-Erkrankung hindeuten.
Um die nötigen Anpassungen der Versorgungslandschaft anzustoßen und zu gestalten, ist die DGPPN im Dialog mit allen an der Versorgung von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten beteiligten Akteuren. Denn wir müssen jetzt die Versorgungsstrukturen ausbauen und kluge diagnostische Pfade definieren, damit alle Betroffenen rechtzeitig die erforderliche Diagnostik und Therapie bekommen.“
DGPPN-Experte: Prof. Dr. Frank Jessen
Das DGPPN-Vorstandsmitglied leitet die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln. Er ist federführender Ko-Autor der S3-Leitlinie Demenzen und leitet die Kooperationseinheit Köln am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Er forscht insbesondere zur Früherkennung und Entwicklung von Therapien der Alzheimer-Demenz.
Stand: November 2024
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