17.10.2025 | Stellungnahme

Geplante Budgetkürzungen gefährden die psychiatrische Versorgung

Kein Rotstift für die psychiatrische Versorgung und Versorgungsforschung!

Die am Mittwoch, 15. Oktober 2025 vom Kabinett beschlossenen Sparvorhaben zur Stabilisierung der GKV-Beiträge bedeuten eine erhebliche zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser in einer Phase der Unsicherheit durch die Krankenhausreform. Es ist zu befürchten, dass die Maßnahmen sich negativ auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung auswirken. Dies gilt auch für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) warnt davor, die derzeit schon prekäre Situation der psychiatrischen Kliniken weiter zu verschärfen.

Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Präsidentin der DGPPN: „Die psychiatrische Versorgung braucht einen intelligenten und flexiblen Einsatz von Ressourcen, und keine Kürzungen!“

Die Kliniken benötigen Verlässlichkeit und Planbarkeit politischer Entscheidungen, um den Herausforderungen der Krankenhausreform begegnen zu können. Schon jetzt bewerten mehr als 72% der bundesdeutschen Psychiatrischen Kliniken an Allgemeinkrankenhäusern ihre wirtschaftliche Lage als eher mäßig bis schlecht. Weitere Kürzungen werden diese Situation noch verschärfen und zu der befürchteten Einschränkung des psychiatrischen stationären Leistungsangebotes führen. Zugleich können diese Kürzungen dazu beitragen, das psychiatrische Versorgungs-Gefälle zwischen Stadt und Land und zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen weiter zu vertiefen.

PPP-RL | Die Kürzungen treffen die psychiatrischen Kliniken in einer herausfordernden Konstellation: Am 01.01.2026 werden die Sanktionsmaßnahmen der PPP-RL scharfgeschalten. Die seit 2020 in den Krankenhäusern geltende Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) hat Untergrenzen für die Personalausstattung definiert. Kliniken, welche sie – auch nur temporär und in einzelnen Berufsgruppen – nicht einhalten können, müssen mit drastischen Strafzahlungen rechnen. Diese werden in vielen Kliniken ohnehin eine Abwärtsspirale auslösen: Bettenabbau, Stilllegung innovativer Angebote, Motivationsverlust der Mitarbeitenden – bis hin zur Schließung ganzer Kliniken. Sanktionen sind aus Sicht der DGPPN definitiv nicht hilfreich. Es wäre stattdessen angeraten, alternative sektorenübergreifende und flexible Modelle - idealerweise mit Globalbudgets - zu implementieren, die den Kliniken dabei helfen können, das vorhandene Personal bedarfsadaptiert effizienter einsetzen zu können. Solche Modelle nach §64b SGB V wurden bereits in vielen Bundesländern erprobt und erfolgreich evaluiert, so dass sie in die Routineversorgung implementiert werden könnten.

Kürzungen Innovationsfonds | Doch auch an dieser Stelle soll nach den Plänen der Bundesregierung gespart werden: Gerade an der Erprobung innovativer, sektorenübergreifender neuer Versorgungsformen und Vorhaben der patientennahen Versorgungsforschung sollen massive Kürzungen vorgenommen werden. Die angekündigten Sparmaßnahmen gefährden somit nicht nur die aktuelle, sondern auch die zukünftige Versorgung. Denn die Halbierung der Mittel des Innovationsfonds von 200 auf 100 Mio € ist ein Schlag ins Gesicht der Forschung. Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Past President der DGPPN: „Ohne Forschung keine Zukunft. Wer den Innovationsfonds halbiert, kappt die Versorgung von morgen.“ Wie soll die gesundheitliche Versorgung zukunftsfähig, moderner und sicherlich an vielen Stellen auch nachhaltiger gestaltet werden, wenn die Finanzierung für die Entwicklung und Überprüfung innovativer Ideen gestrichen wird? Prof. Meyer-Lindenberg weiter: „Forschung braucht verlässliche Rahmenbedingungen, und keinen Rotstift.“

Gesamtgesellschaftliche Bedeutung | Der Zusammenhang zwischen ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und der Sicherheit der Bevölkerung wurde in den vergangenen Monaten intensiv und breit diskutiert. Dafür bedarf es verlässlicher stationärer und ambulanter Versorgungsangebote. Kürzungen im Krankenhaussektor stellen dies infrage. Kürzungen beim Innovationsfonds können sich zudem negativ auf die Entwicklung und Implementierung neuer und ggf. besser greifender Angebote auch für diese Patientinnen und Patienten auswirken.

Bundesgesundheitsministerin Warken äußerte sich in der vergangenen Woche anlässlich des World Mental Health Days: „Ziel ist, die Prävention und den Zugang zur Behandlung psychischer Erkrankungen zu stärken.“ Mit den vorliegenden geplanten Sparmaßnahmen kann dieses Ziel nicht erreicht werden.

 

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PSYCHIATRIE BAROMETER Umfrage 2024/2025:

  • „Fast 72 % der Abteilungspsychiatrien und 66 % der Einrichtungspsychiatrien bewerten ihre wirtschaftliche Lage als eher mäßig bis schlecht."
  • "Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage erwarten 30 % der Abteilungspsychiatrien und 16 % der Einrichtungspsychiatrien eine Reduzierung ihres Personals innerhalb von 6 Monaten. Jeweils 21 % der Abteilungspsychiatrien gehen von einer Beschränkung des Leistungsumfangs und des Leistungsangebots aus. Bei den Einrichtungspsychiatrien planen 22 % der Häuser eine Reduktion des Leistungsumfangs und 15 % eine Einschränkung des Leistungsangebots."
  • "In der vollstationären Versorgung müssen Elektivfälle 28 Tage (Mittelwert) bzw. 20 Tage (Median) auf ihre Aufnahme warten."

 

DGPPN Fact-Sheet; Mental Health Surveillance des RKI:

  • „Die aktuellen Zahlen der Mental Health Studie aus dem Jahr 2024 weisen auf eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit über die letzten Jahre hin. Im Herbst 2024 berichteten etwa 16,5 % der Erwachsenen von auffälligen depressiven Symptomen, während fünf Jahre zuvor 10,9 % der erwachsenen Bevölkerung von auffälligen depressiven Symptomen berichtet hatten."