16.11.2023 | Publikation

Überbelegt und unterversorgt: Ergebnisse der DGPPN-Umfrage zum Maßregelvollzug

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Eine neue Publikation liefert jetzt erstmals zuverlässige und aussagekräftige Daten zur Situation in Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Deutschland. Die veröffentlichten Ergebnisse der DGPPN-Umfrage bestätigen: Viele Kliniken sind überbelegt, es mangelt an Räumlichkeiten und an Personal. Darunter leidet insbesondere die Therapie der Patientinnen und Patienten. 

In den deutschlandweit 78 psychiatrischen Krankenhäusern des Maßregelvollzugs sind schwer psychisch kranke oder suchtkranke Menschen untergebracht, die aufgrund ihrer Erkrankung eine Straftat begangen haben und nicht oder nicht vollständig schuldfähig waren. Der Maßregelvollzug hat die Aufgabe, die straffällig gewordenen Patientinnen und Patienten gesichert unterzubringen und mithilfe verschiedener Therapien auf ein straffreies Leben in der Gesellschaft vorzubereiten.

Ergebnisse der DGPPN-Umfrage jetzt online 

Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) trägt nun erstmals systematisch Daten zur Situation im Maßregelvollzug zusammen. Insgesamt haben sich 45 Einrichtungen an der Befragung beteiligt – sie betreuen zusammen 7.477 Patientinnen und Patienten. Die Kliniken gaben unter anderem Auskunft zu ihren strukturellen Rahmenbedingungen, zur Belegungs- und Personalsituation sowie zu besonderen Vorkommnissen. Die Umfrage zum Maßregelvollzug wurde von einer Arbeitsgruppe unter Federführung des DGPPN-Referats „Forensische Psychiatrie“ von September bis zum November 2021 durchgeführt. Die Ergebnisse der Umfrage sind jetzt online in „Der Nervenarzt“ nachzulesen.

Zu wenige Ressourcen für eine gute Versorgung 

Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage: Die Situation stellt sich in den Kliniken sehr unterschiedlich dar. Ein Drittel der Kliniken ist deutlich überbelegt, denn die Zahl der im Maßregelvollzug untergebrachten Patientinnen und Patienten steigt. Erforderliche Therapien können in fast 60 Prozent der Einrichtungen aus finanziellen oder personellen Gründen nicht angeboten werden. Zudem erschweren mangelhafte Räumlichkeiten eine gute Therapie. In vielen Kliniken werden zusätzliche Betten in die Zimmer gestellt, Therapie- und Versorgungsräume werden als Patientenzimmer genutzt. Das führt zu einem „Overcrowding“ und beeinträchtigt die Therapie, wodurch sich wiederum die Dauer der Unterbringung verlängert. Klinikleitungen beklagen, dass die Ressourcen nicht ausreichen, um den staatlichen Behandlungsauftrag fachgerecht zu erfüllen.

DGPPN fordert Reformierung des Maßregelvollzugs

Vor dem Hintergrund der Umfrageergebnisse stellen sich aus Sicht der DGPPN folgende fünf Forderungen an die politischen Entscheidungsträger, damit die Kliniken des Maßregelvollzugs ihren gesetzlichen Auftrag dauerhaft sach- und fachgerecht erfüllen können:

  • Die Rahmenbedingungen der Einrichtungen des Maßregelvollzugs der einzelnen Bundesländer müssen aneinander angeglichen werden, was unter anderem die Größe der Stationen, die Ausstattung von Therapieräumen sowie die Personalausstattung betrifft.
  • Damit die psychiatrischen Kliniken ihre Aufgaben erfüllen können, bedarf es einer auskömmlichen Finanzierung.
  • Es braucht ein bundesweites Register zur systematischen, detaillierten und transparenten Dokumentation von Zwangsmaßnahmen.
  • Es sollte eine Expertenkommission zur Zukunft des Maßregelvollzugs auf Bundesebene eingesetzt werden.
  • Die Forschung zu forensisch-psychiatrischen Fragestellungen muss gestärkt werden, um die Versorgung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse verbessern zu können.

 

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