11.01.2024 | Positionspapier

Versorgung von Geflüchteten darf nicht weiter eingeschränkt werden

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Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, sind zunächst nicht krankenversichert. Ihre gesundheitliche Versorgung wird von staatlichen Stellen gewährleistet. In den ersten 18 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland haben sie nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen. So ist für eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung eine Zustimmung des Sozialamts erforderlich. Bürokratische Barrieren oder Verständigungsprobleme erhöhen die psychosoziale Belastung geflüchteter Menschen zusätzlich. Nun wird diskutiert, das Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern und den Zeitraum, in dem Geflüchtete Gesundheitsleistungen nur eingeschränkt nutzen können, auf drei Jahre zu verlängern. Die DGPPN spricht sich gemeinsam mit acht weiteren Verbänden gegen diese Pläne aus.

Die medizinische Versorgung von Geflüchteten ist nicht über den Leistungskatalog der Krankenkassen geregelt, sondern im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die ersten anderthalb Jahre ist ihre Behandlung auf „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“ beschränkt. Das gilt auch für geflüchtete Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie haben deshalb keinen direkten Zugang zu Fachärztinnen oder Psychotherapeuten. Wenn sie künftig drei Jahre auf den regulären Zugang zum Gesundheitssystem warten müssten, würde eine notwendige Behandlung psychiatrischer Erkrankungen in inakzeptabler Weise verzögert. Das Risiko einer Chronifizierung würde steigen. Die ohnehin stark beanspruchten psychiatrischen und psychosozialen Notfalleinrichtungen würden noch stärker belastet.

„Geflüchtete Menschen sind enormen Belastungen ausgesetzt. Viele haben Kriege erfahren, sie müssen das Trauma der Flucht verarbeiten und sich in neuen und fremden Lebensumständen zurechtfinden“, erläutert Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Durch den eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen wird eine zeitnahe Diagnostik und Behandlung psychischer Erkrankungen erschwert. Diesen Zustand nun noch zu verlängern und Geflüchtete für drei Jahre von der regulären psychiatrischen Versorgung auszuschließen, würde dramatische Folgen haben: Für die Betroffenen, deren Erkrankungen sich verschlimmern und verfestigen würden, für die psychiatrische Akutversorgung, die dann noch stärker in Anspruch genommen würde und auch für die Volkswirtschaft insgesamt. Die Kosten wären erheblich.“

Die Forderungen

Die DGPPN fordert deshalb in einem gemeinsamen Positionspapier mit acht weiteren Verbänden:

  • Der Zeitraum, in dem geflüchtete Menschen nur eingeschränkt Gesundheits- und Sozialleistungen in Anspruch nehmen können, darf keinesfalls verlängert werden.
  • Gesundheitsleistungen für Geflüchtete sollen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gesetzlich verankert werden.
  • Der Anspruch auf eine qualifizierte Sprachmittlung soll im SGB V festgeschrieben werden, das heißt, die Unterstützung der Behandelnden und Betroffenen durch Übersetzerinnen und Übersetzer, die sich mit dem Gesundheitssystem und mit psychischen Erkrankungen auskennen.
  • Geflüchtete sollen eine elektronische Gesundheitskarte erhalten.

Die unterzeichnenden Verbände

Arbeitskreis der ChefärztInnen der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ackpa), Ärzte der Welt, Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP), Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF), Bundesdirektorenkonferenz – Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK), Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT), Deutsch-Türkische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosoziale Gesundheit (DTGPP)

Update

Der Bundestag hat am 18. Januar das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen. Entgegen den Forderungen der Expertinnen und Experten für psychische Gesundheit wird damit der Zeitraum, in dem Geflüchtete Gesundheitsleistungen nur eingeschränkt nutzen können, auf drei Jahre verlängert. 

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