11.12.2023 | Sonderausstellung der sammlung prinzhorn

„Menschen die noch hätten leben können“

© Jochen Meyder, „Projekt 10 654“, 2014-2023 | Sammlung Prinzhorn Universitätsklinikum Heidelberg

„Menschen die noch hätten leben können“ – Diese Worte schrieb Elfriede Lohse-Wächtler 1932 in der Anstalt über eine ihrer Zeichnungen von Mitpatientinnen und-patienten. 1934 wurde sie zwangssterilisiert, 1940 von den Nationalsozialisten ermordet. Diese heute erschütternd hellsichtig anmutende Feststellung ist der Titel der neuen Sonderausstellung, mit der das Museum der Opfer nationalsozialistischer (Medizin-)Verbrechen in der Sammlung gedenkt. Vorgestellt wird das Leben und Werk von 24 in der Sammlung vertretenen Männern und Frauen, die in den vergangenen Jahren mittels verbesserter Forschungsmöglichkeiten als Opfer identifiziert wurden. Die Sonderausstellung läuft noch bis zum 31. März 2024. Die DGPPN hat das Projekt finanziell unterstützt.

150 Kunstwerke aus dem gesamten 20. Jahrhundert

Unter den Opfern sind bekannte Kunstschaffende der Sammlung wie Otto Stuß und Elfriede Lohse-Wächtler sowie Unbekannte, deren Werke erstmals ausgestellt werden. Insgesamt zeigt die Ausstellung rund 150 sehr unterschiedliche Werke aus dem gesamten 20. Jahrhundert. Die meisten sind Teil der um 1920 von Hans Prinzhorn und Karl Wilmanns erweiterten Sammlung, ein kleinerer Teil wurde erst in den letzten Jahren in die Sammlung aufgenommen. Künstlerisch Spannendes, Innovatives steht hier neben dem Traditionellen und Unspektakulären. Doch alle Arbeiten geben einen lebendigen Eindruck von den Menschen hinter den Werken. 

Forschung leistet wichtige Aufklärungsarbeit

Nach dem Fall der Mauer fanden Wissenschaftler einen Teil der Akten des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programms in einem Archiv der DDR-Staatssicherheit. Dieser Fund brachte die Forschung zu den Opfern ins Rollen. In den folgenden Jahren verbesserten sich die Forschungsmöglichkeiten weiter, indem beispielsweise Gedenkstätten ihre Opferlisten veröffentlichten. Dies hat sich auch auf die biografische Forschung in der Sammlung Prinzhorn ausgewirkt. 

2002 und 2003 konnten die Schicksale von 19 Euthanasieopfern mit Werken in der Sammlung in der Ausstellung „Todesursache: Euthanasie“ und dem gleichnamigen Katalog vorgestellt werden. Danach stieß die frühere Archivarin des Museums Sabine Hohnholz in ihren Recherchen auf weitere Opfer, neben „Euthanasie“-Opfern auch Zwangssterilisierte und Häftlinge von Konzentrationslagern. Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe unter der Leitung von PD Dr. Thomas Röske, Museumsleiter und Kunsthistoriker, und Prof. Dr. Maike Rotzoll, Professorin für Medizingeschichte, erforschte daraufhin Leben und Werke und erarbeitete gemeinsam die Ausstellung und den zugehörigen Katalog. 

Die Sonderausstellung läuft noch bis zum 31. März 2024. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat das Projekt finanziell unterstützt.

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