Die zur Tötung in den sechs „Euthanasieanstalten“ selektierten Patienten wurden seit Sommer 1940 aus den mehr als 1000 Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich zunächst in über 20 sogenannte Zwischenanstalten verlegt. Dieses System diente zum einen zur logistischen Verbesserung des Mordprogramms und zum anderen der Verschleierung der Verbrechen.
Die menschenunwürdigen Zustände in den „Zwischenanstalten“ macht ein Brief einer Mitarbeiterin der Inneren Mission in Grimma aus dem Jahr 1940 an Pfarrer Walter Schadeberg, der für die kirchlichen Heil- und Pflegeanstalten Sachsens zuständig war, deutlich. Sie schildert die Situation in der „Zwischenanstalt“ Zschadraß, die insgesamt 3910 Patienten durchlaufen mussten; 3322 von wurden in Pirna-Sonnenstein im Gas erstickt:
„Diejenigen aber, die nicht arbeiten können, bekommen nur eine halbe Scheibe Brot, ein viertel Napf Essen, einen halben Becher Suppe – wird jemand bettlägerig, so gibt es noch weniger, in der Zelle gar nichts. Wenn die Arbeitenden Mitleid haben und ihnen von ihrem Wenigen etwas abgeben, wird ihnen zur Strafe die nächste Mahlzeit gekürzt, weil sie offenbar noch zuviel bekämen. Dabei bekommen die Kranken ‚viel Medizin’. […] Durch diese Medizin werden die Kranken matt und apathisch. […] Die Unterbringung der Kranken ist katastrophal. Sie liegen auf dünnen Matratzen auf dem Fußboden, 51 in einem Saal. […] Zunächst war die Anstalt in jedem Raum mit Strohlagern belegt worden, da viele von anderen Anstalten hinzugekommen waren. Weil aber täglich so viele sterben, sind die Neuzugekommenen inzwischen schon auf die Stationen verteilt worden – allerdings ohne Betten.“
Zit. nach: Boris Böhm, Die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein 1940/41, in: Klaus-Dietmar Henke, Tödliche Medizin im Nationalsozialismus. Von der Rassenhygiene zum Massenmord, Köln u. a. 2008, S. 162