28.03.2023 | Stellungnahme

Mental Health Surveillance verstetigen

Seit 2019 wird am Robert Koch-Institut eine Mental Health Surveillance für Deutschland aufgebaut. Die Förderung des Projektes durch das Bundesministerium für Gesundheit wurde von der Fachöffentlichkeit und führenden Akteuren in Prävention und Versorgung außerordentlich begrüßt. Die DGPPN erachtet die inzwischen vorgelegten konzeptionellen und empirischen Arbeiten als wegweisend und unverzichtbar für eine nachhaltige Verbesserung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung. International sind Mental Health Surveillance-Initiativen fest etabliert. Deutschland hat hier Nachholbedarf. Trotzdem ist die Fortführung der neu aufgebauten Surveillance nun in Gefahr. Die DGPPN spricht sich deshalb in einem öffentlichen Unterstützungsschreiben für die kontinuierliche Weiterführung und auskömmliche Finanzierung der Mental Health Surveillance am RKI aus.

Psychische Gesundheit ist von fundamentaler Bedeutung für die individuelle Funktionsfähigkeit und Lebensqualität und ein essenzieller Bestandteil von Public Health. Ihre Entwicklung in der Bevölkerung muss dauerhaft im Blick behalten werden – aufgrund der Krankheitslast psychischer Störungen, der Potenziale von Gesundheitsförderung und Prävention sowie der besonderen Gefährdung psychischer Gesundheit in Krisenzeiten. Nur ein Surveillance-System bietet eine kontinuierliche und systematische Berichterstattung zu gesundheitlichen Entwicklungen auf Bevölkerungsebene. Es erlaubt, negative Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und allgemeine Trends, u. a. von Morbidität und Versorgungslage, aussagekräftig abzubilden. Surveillance bietet damit die notwendige Evidenzbasis für eine effektive Steuerung von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der psychischen Gesundheit in Deutschland. Erst mit einem dauerhaft implementierten und umfassenden System können Handlungsbedarfe aufgedeckt, Public Health-Maßnahmen evaluiert und die Erreichung gesundheitspolitischer Ziele bewertet werden. Dies ist zentral, um die psychische Gesundheit in allen politischen und gesellschaftlichen Handlungsfeldern zu verankern (im Sinne eines Mental Health in All Policies-Ansatzes) und die Folgen von politischen Entscheidungen für die psychische Gesundheit und Versorgungssysteme zu berücksichtigen. Dass Deutschland hier Nachholbedarf hat, wurde insbesondere durch anfängliche Informationsdefizite über die psychischen Folgen der Corona-Pandemie einer breiten Öffentlichkeit schmerzlich bewusst.

Mit den geleisteten Arbeiten konnte das RKI zur Überwindung der bis dato lückenhaften und wenig aktuellen Datenlage beitragen: Ein Konsens über ein Rahmenkonzept und Kernindikatoren der psychischen Bevölkerungsgesundheit wurde unter Einbezug von relevanten Stakeholdern von Public Mental Health in Deutschland erarbeitet. Um Veränderungen während der COVID-19-Pandemie engmaschig überwachen zu können, wurde, in Reaktion auf dringliche Informationsbedarfe, von Entscheidungsträgern ein System der hochfrequenten Datenerhebung, -analyse und -berichterstattung entwickelt. Um Implikationen für die Versorgungslage abschätzen und das Inanspruchnahmeverhalten beobachten zu können, werden Daten aus verschiedenen Sektoren des Versorgungsgeschehens herangezogen. Ein kontinuierliches Literaturreview ermöglicht eine dauerhafte Beurteilung der Evidenzlage zur Veränderung psychischer Gesundheit in der Bevölkerung. Zugleich zeigt es den erheblichen Mangel aktueller und belastbarer Ergebnisse auf. Parallel dazu trägt die breite Vernetzung mit (inter-)nationalen Akteuren zu Reichweite, Nutzung und Weiterentwicklung des Surveillance-Systems bei.

Diese systematische Überwachung der psychischen Bevölkerungsgesundheit in Deutschland muss dauerhaft am RKI weitergeführt und weiter ausgebaut werden. Damit ein Surveillance-System funktional und effektiv ist, ist Kontinuität bei der Datenerhebung, -analyse und Berichterstattung zwingend erforderlich. Die bisher entwickelten und konzipierten Kompetenzen, Strukturen und Prozesse sowie Kooperationen sollten erhalten und für den weiteren Aufbau genutzt werden. Dazu zählt auch das sich im Aufbau befindliche Gesundheitspanel am RKI, als stabile Datengrundlage für die Mental Health Surveillance.

Ohne eine gesicherte Weiterführung würden die durch das Projekt geschlossenen Evidenzlücken ab Mitte 2023 neu entstehen; die vielfältig gegenwärtig noch existierenden Lücken könnten nicht geschlossen werden. Damit würde bewusst ein Blindflug bzgl. der aktuellen Lage der psychischen Befindlichkeit der Bevölkerung in Kauf genommen. Dies wäre unverantwortlich – nicht nur angesichts der gegenwärtigen kollektiven Krisen, die sich nachweislich auf die psychische Gesundheit auswirken. Auch auf künftige Krisenlagen könnte Deutschland sich im Feld psychischer Gesundheit nicht vorbereiten. Vor diesem Hintergrund spricht sich die DGPPN nachdrücklich dafür aus, die Mental Health Surveillance am RKI umfassend und dauerhaft zu verstetigen.

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