26.01.2022 | Positionspapier

Sprachmittlung für fremdsprachige Patient*innen mit psychischen Erkrankungen sicherstellen 

Eine gut funktionierende sprachliche Verständigung zwischen fremdsprachigen Patient*innen und ihren Behandelnden ist die notwendige Basis für eine angemessene Gesundheitsversorgung. Ohne diese ist keine fachgerechte Beratung, Diagnostik, Aufklärung und Behandlung möglich. Die Koalition aus SPD, Grünen & FDP plant dieses Problem zu lösen: „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V.“ (S.84) [1]

Bei der Umsetzung sollten mit Blick auf die Versorgung psychischer Erkrankungen folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Medizinische Notwendigkeit der Sprachmittlung 
    Sprache ist bei der Versorgung psychisch erkrankter Menschen ein entscheidendes Behandlungsmittel. Deshalb ist bei psychisch kranken Menschen, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, grundsätzlich eine Sprachmittlung, die auch Aspekte der Kulturmittlung umfasst, notwendig und muss finanziert werden. Über die Notwendigkeit muss die behandelnde Ärzt*in oder Psychotherapeut*in entscheiden. Die Sprachmittlung ist durch die Behandelnden zu verordnen und unterliegt nicht dem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen. Sprachmittlung muss über den gesamten Behandlungsverlauf sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich gewährleistet werden, auch für notwendige Gespräche mit Angehörigen im Rahmen der Patient*innenbehandlung, zum Beispiel mit Eltern oder der Partner*in.
  • Einsatz und Vermittlung von Präsenz-, Telefon- & Videosprachmittlung
    Über den Einsatz von Präsenz-, Telefon- oder Videosprachmittlung entscheiden die Behandelnden in Absprache mit der Patient*in, auch unter Berücksichtigung der regionalen Verfügbarkeit. Der Umfang der Sprachmittlung misst sich an der medizinischen Notwendigkeit. Auch beim Einsatz von Telefon und digitalen Medien in der Sprachmittlung müssen die technischen Voraussetzungen für Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet sein. Als Referenz können die Vorgaben für den Einsatz von Videosprechstunden in der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden. Übersetzungssysteme mit Spracherkennung und Sprachausgabe sind nicht geeignet, um eine Sprachmittlung in der Versorgung psychisch kranker Menschen sicherzustellen.
  • Qualitätsanforderungen an Sprachmittler*innen
    Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung – insbesondere im Bereich der Versorgung psychischer Erkrankungen – ist eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit, die eine besondere (kulturelle) Sensibilität, persönliche Eignung und diskriminierungskritische Haltung erfordert. Sprachmittlung sollte daher nur durch entsprechend qualifizierte Sprachmittler*innen erbracht werden. Neben allgemeinen Dolmetschkompetenzen (u.a. sprachliche Kompetenzen, Rollenverständnis, berufsethische Grundsätze sowie soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen) gehören hierzu auch Wissen über das Gesundheitssystem in Deutschland sowie fachspezifische Kenntnisse im Bereich der Versorgung psychischer Erkrankungen. Dies umfasst Basiswissen über psychische Erkrankungen und ihre Behandlung sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen, Wissen über interkulturelle Ansätze in der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sowie eine grundsätzlich kritische Reflektion der eigenen Rolle im Behandlungssetting zu dritt.
  • Angemessene Vergütung sicherstellen 
    Die Vergütung der Sprachmittlung muss der verantwortungsvollen und qualifizierten Tätigkeit der Sprachmittler*innen angemessen gerecht werden. Die Höhe des Honorars für Sprachmittlung muss auch ermöglichen, dass Sprachmittler*innen kontinuierlich Schulungen und Supervision absolvieren und finanzieren können.  
    Darüber hinaus muss auch sichergestellt werden, dass der zeitliche und organisatorische Mehraufwand auf Seiten der Behandelnden, der durch den Einsatz von Sprachmittlung entsteht, angemessen vergütet wird.
  • Sprachmittlung auch für geflüchtete Menschen sicherstellen 
    Geflüchtete haben in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland in aller Regel keinen Anspruch auf Leistungen des SGB V. Deshalb muss der Anspruch auf Sprachmittlung im Asylbewerberleistungsgesetz analog zu Regelungen im SGB V verankert und die Kostenübernahme für diese Personengruppe verbindlich geregelt werden.  

    Grundsätzlich sollte der Anspruch auf Sprachmittlung nicht nur im SGB V, sondern auch im SGB I und SGB X – analog zum Anspruch auf Gebärdensprachdolmetschen für hör- und sprachbehinderte Menschen – verankert werden. 
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